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# taz.de -- Unternehmenskritiker vor Gericht: Hess-Natur bleibt stur
> Der Ökomodenhersteller und die Betreiber einer kritischen Webseite
> treffen sich am Donnerstag vor Gericht. Es geht um Vorwürfe gegen den
> neuen Investor.
Bild: Vorzugspreise für den Winter gegen den Kunden-Boykott? Hess-Natur setzt …
BERLIN taz | Johannes Mosmann wirkt mitgenommen. Seine Stimme klingt müde,
der Enthusiasmus der vergangenen Monate scheint einer Erschöpfung gewichen.
Seitdem sich im vergangenen Jahr die Ereignisse bei dem Ökomodeproduzenten
Hess-Natur überschlagen haben, hat er kaum eine ruhige Minute. Am
Donnerstag wird der Konflikt seinen vorläufigen Höhepunkt erreichen: Dann
treffen sich Mosmann und sein Kollege Andreas Schurack, Betreiber der
Website [1][wir-sind-die-konsumenten.de], mit Hess-Natur vor dem
Frankfurter Landgericht Gericht.
Die Ursachen der Auseinandersetzung gehen in das Jahr 2011 zurück. Damals
gab es erste Gerüchte um eine Übernahme des Ökomodenherstellers, der zu dem
Zeitpunkt noch dem Karstadt-Quelle-Mitarbeiter-Trust gehörte. Bald im
Gespräch: die Schweizer Beteiligungsgesellschaft [2][Capvis]. Der Private
Equity Fonds ist kein Unbekannter. Zuvor hatte er unter anderem den
Haushaltswarenproduzenten [3][WMF] übernommen und in der Folge auf Rendite
getrimmt.
Das wollten die Mitarbeiter und Kunden von Hess-Natur keinesfalls – und
gründeten deshalb mit Unterstützung von Verbänden wie der Kampagne für
saubere Kleidung eine Genossenschaft. Das Ziel: das Unternehmen selbst zu
übernehmen.
In dem Kontext starten Mosmann und Schurack die Website. „Eigentlich sollte
das ein positives Statement sein, auf dem Kunden kommunizieren können, was
sie kaufen wollen, wenn Hess-Natur an die Genossenschaft geht“, sagt
Mosmann heute. Doch das Unternehmen ging an Capvis, und in der Folge
häuften sich die Äußerungen von Nutzern, die zum Boykott des
Versandhändlers aufriefen.
## Sofortiger Boykott
„Warum wird es einem so schwergemacht, fair und ökologisch einzukaufen.
Guter Wille ist hier offensichtlich nicht genug. Ab sofort boykottiere ich
Hess-Natur bis auf weiteres“, heißt es beispielsweise in einem [4][Posting]
vom 14. Januar. Ob es sich tatsächlich um eine ehemalige Kundin handelt,
lässt sich allerdings nicht nachprüfen.
Parallel dazu recherchieren Mosmann und Schurack im Umfeld des neuen
Eigentümers und erheben bald schwere Vorwürfe. Die Anwalte von Hess-Natur
reagieren schnell: Die Aussage, Zahlungen der Kunden flössen in die
Rüstungsindustrie, lässt das Unternehmen per einstweilige Verfügung ebenso
[5][untersagen] wie Boykottaufrufe und den Vorwurf, Capvis sei in die
Rüstungsindustrie verstrickt. Ob es dabei bleibt oder nicht, das muss nun
das Gericht entscheiden.
„Unsere Kunden sollen nicht durch Falschbehauptungen in die Irre geführt
werden“, begründete eine Hess-Natur-Sprecherin das juristische Vorgehen.
Zur Frage eventueller Verbindungen zur Rüstungsindustrie hatten Mosmann und
Schurack Recherchen veröffentlicht, wonach Capvis über den Investor
HarbourVest an Rüstungsprojekten beteiligt sei.
Dem widerspricht Hess-Natur in seinem Schreiben an das Gericht: Zu den
Investoren von HarbourVest zähle auch der australische Staat und habe dort
lediglich Pensionsgelder angelegt – auch solche von ehemaligen Militärs.
Über eine andere Beteiligungsgesellschaft gebe es zwar Verbindungen zu
einem Unternehmen, das auch Antriebe für die militärische Nutzung
herstelle. Die habe aber weder mit Capvis noch mit Hess-Natur etwas zu tun.
## Nächste Instanz
Für den Fall, dass das Gericht Hess-Natur recht geben sollte, kündigt
Mosmann an, in die nächste Instanz zu gehen. Er berichtet von Gesprächen
mit Mitarbeitern des Unternehmens, die froh seien über die Aufmerksamkeit.
„Solange die Öffentlichkeit ein Auge darauf hat, kann Capvis keinen harten
Rationalisierungskurs fahren“, sagt er.
Auch Christiane Schnura, Koordinatorin der Kampagne für saubere Kleidung,
gibt an, ein Auge auf das Unternehmen zu haben. „Bislang hat sich, was die
Arbeitsbedingungen angeht, noch nichts geändert.“ Man beobachte aber, ob
das so bleibe. „Denn der Investor ist natürlich äußerst problematisch.“
Schnura weist jedoch darauf hin, dass Hess-Natur schon vor dem Einstieg von
Capvis in den Händen von Karstadt-Quelle war und nicht mehr das kleine,
gründergeführte Unternehmen wie zu Zeiten von [6][Heinz Hess].
16 Jan 2013
## LINKS
[1] http://wir-sind-die-konsumenten.de/
[2] http://www.capvis.de/index.php?id=185
[3] http://www.wmf.de/shop/?adword=Brand/Brand%20Exact
[4] http://wir-sind-die-konsumenten.de/standpunkte-der-hessnatur-kunden.html
[5] /!102856/
[6] http://www.hessnatur.info/de/leitbild/heinz-hess.html
## AUTOREN
Svenja Bergt
## TAGS
Verfahren
Landgericht Frankfurt
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