# taz.de -- Berliner Großflughafen: Nur der Knast ist fertig | |
> Auf den Großflughafen muss Berlin noch warten. Das Internierungslager für | |
> Asylbewerber in Schönefeld soll aber schon im Juli eingeweiht werden. | |
Bild: Die Terminal bleibt zu, der Asyl-Knast ist fast fertig. | |
BERLIN taz | Das Terminal ist noch nicht fertig – die | |
Internierungseinrichtung für Flüchtlinge am künftigen Großflughafen | |
hingegen schon. Voraussichtlich im Juli soll die Einrichtung in Betrieb | |
gehen, teilte das Brandenburger Innenministerium der taz am Dienstag mit. | |
Dort sollen Flüchtlinge untergebracht werden, über deren Asylantrag im | |
sogenannten Flughafenschnellverfahren binnen weniger Tage entschieden wird. | |
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bezieht nach eigenen Angaben | |
bereits die neuen Diensträume. „Das Flughafenverfahren wurde bereits im | |
bisherigen Flughafen Schönefeld durchgeführt, nun soll es auch in den neuen | |
Räumen weitergeführt werden“, verkündete das Ministerium. | |
Das Bundesamt ist für die Durchführung der Asylverfahren zuständig, das | |
Land Brandenburg für die Unterkunft und Versorgung der Flüchtlinge. „Die | |
Aufnahmeeinrichtung ist baulich fertig“, sagte Ingo Decker, Sprecher der | |
Brandenburger Innenministeriums. Allerdings werde noch mit der | |
Flughafengesellschaft über Mietminderungen wegen der Verschiebung der | |
Flughafeneröffnung verhandelt. | |
Weil der Flughafen erst im März eröffnen soll, rechnet das Ministerium bis | |
dahin mit „deutlich weniger Fällen“ als erwartet. In Schönefeld gab es | |
bisher nur zwei bis drei Flughafenverfahren im Jahr. In Tegel gibt es kein | |
Flughafenverfahren. | |
Der Flughafenknast soll dennoch schon bald genutzt werden: Voraussichtlich | |
ab Juli, sagte Andreas Keinath, Referent Ausländerpolitik im Potsdamer | |
Ministerium. Bis dahin werden ankommenden Flüchtlinge in die zentrale | |
Aufnahmeeinrichtung nach Eisenhüttenstadt gebracht und erhalten ein | |
normales Asylverfahren. Der Vertrag mit der Sicherheitsfirma B.O.S.S., die | |
für Bewachung und soziale Betreuung der Flüchtlinge in der Einrichtung | |
zuständig ist, gilt Keinath zufolge bereits. | |
## Nicht vereinbar mit dem deutschen Asylrecht und EU-Recht | |
Der Flüchtlingsrat Brandenburg hatte erst vergangene Woche in einem offenen | |
Brief die Landesregierung aufgefordert, die Verschiebung zu nutzen und den | |
umstrittenen Abschiebegewahrsam nicht in Betrieb zu nehmen. Martina Mauer | |
vom Flüchtlingsrat Berlin sagte: „Die Inbetriebnahme ist in der aktuellen | |
Situation absolut sinnlos. Sie dient nur dazu, Tatsachen zu schaffen.“ | |
Im Brandenburger Ministerium verteidigt man sich, man sei nach Bundesrecht | |
zur Bereitstellung verpflichtet. „Wir streben die Abschaffung des | |
Flughafenverfahrens an“, sagt Sprecher Decker. „Aber das lässt sich nur | |
politisch ändern. Wir können uns nicht einfach über geltendes Recht | |
hinwegsetzen.“ | |
Menschenrechtsorganisationen und Anwaltsverbände lehnen das | |
Flughafenverfahren als nicht vereinbar mit dem deutschen Asylrecht und | |
EU-Recht ab. Der Brandenburger Landtag hat sich im Februar gegen das | |
Flughafenverfahren ausgesprochen und eine Bundesratsinitiative beschlossen, | |
um dieses abzuschaffen. Brandenburg will den Antrag im Sommer im Bundesrat | |
einbringen. | |
Die Berliner SPD diskutiert am Samstag auf ihrem Parteitag über das Thema | |
Flughafenverfahren – die AG Migration fordert, Berlin solle sich ebenfalls | |
im Bundesrat für eine Abschaffung einsetzen. Das könnte Streit in der | |
Koalition hervorrufen: Innensenator Frank Henkel (CDU) hat sich gegen die | |
Unterstützung der Bundesratsinitiative ausgesprochen. | |
Die Grünen-Politikerin Canan Bayram kündigte an, ihre Fraktion werde in der | |
kommenden Woche einen Antrag im Parlament einbringen, der die Eröffnung der | |
Einrichtung verhindern soll. Am 15. Juni rufen die Grünen zusammen mit | |
Menschenrechtsorganisationen, Anwälten und den Flüchtlingsräten zu einer | |
Demo auf. | |
6 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Juliane Schumacher | |
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