Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Todesschwadrone in Syrien: Assads Miliz
> Die Shabiha ziehen mordend, folternd und plündernd durchs Land. Die Miliz
> soll Gräueltaten, auch an Kindern, begehen. Einst Mafiosi, sind sie heute
> des Diktators treueste Schläger.
Bild: Die „Shabiha“ soll mitgetötet haben: Protest nach dem Massaker von H…
BEIRUT taz | Unbedingte Loyalität, gepaart mit maßloser Brutalität – seit
den ersten Tagen des Aufstandes verbreitet eine Miliz im Auftrag des
Assad-Regimes Angst und Schrecken in den syrischen Städten und Dörfern.
Ihre Mitglieder werden „Shabiha“ genannt. Der Name rührt daher, dass der
Mercedes 600 in Syrien früher „shabah“ genannt wurde und die gefürchteten
Gangster, die diesen Wagen fuhren „shabiha“.
Als Ende Mai bei einem Massaker in dem Dorf Hula 109 Menschen starben, fiel
ein Schlaglicht darauf, welche Schlüsselrolle diese undurchsichtige
paramilitärische Einheit inzwischen im Kampf gegen die Aufständischen
spielt.
Berichten von Anwohnern zufolge sollen Shabiha von Haus zu Haus gezogen
sein und die meisten der Todesopfer regelrecht hingerichtet haben.
Eindeutig belegen lassen sich diese Angaben bisher nicht. Doch ein Team von
UN-Beobachtern hat vor Ort „starke Hinweise“ festgestellt, die auf die
Schuld der regimetreuen Schlägertrupps an der Bluttat deuten.
„Shabiha stehen über dem Gesetz. Sie haben freie Hand, zu töten, zu stehlen
und zu foltern, ohne dass sie irgendwer zur Rechenschaft zieht“, sagt der
Menschenrechtler Wissam Tarif vom Kampagnen-Netzwerk Avaaz.„Wirklich
beängstigend ist, dass ihre Gewalttätigkeit derzeit immer neue Ausmaße
annimmt.“
## Die Männer fürs Schmutzige
Die Milizionäre gelten als Todesschwadronen, als Männer fürs Schmutzige.
Rekrutiert werden sie überwiegend aus der alawitischen Minderheit, der auch
der Assad-Clan selbst angehört. Ebenso wie die Herrscherfamilie stammen die
meisten von ihnen aus der ärmlichen Bergregion nahe der Hafenstadt
Lattakia.
Die Miliz ist aus einem mafiösen Netzwerk hervorgegangen, das seit den
späten 70er Jahren an der Küste mit Schmuggel, Schutzgelderpressung und
Drogenhandel von sich reden machte. Das Regime protegierte die Banden und
nahm sie zugleich als eine Art persönlichen Stoßtrupp in Dienst, auf dessen
unbedingte Treue Verlass ist.
„Wir kennen diese Leute seit Langem. In den 80er Jahren rasten sie häufig
in Konvois aus schwarzen Mercedes-Limousinen ohne Nummernschilder durch die
Stadt“, sagt Ahmed, ein Aktivist aus Lattakia.
„Niemand hätte es gewagt, sich ihnen entgegenzustellen.“ Nach dem
Amtsantritt von Präsident Baschar al-Assad im Jahr 2000 verschwanden sie
weitgehend von der Bildfläche. Erst als vor rund 15 Monaten die Proteste
ausbrachen, tauchten sie plötzlich wieder auf.
## Geschorene Köpfe, gewaltige Muskeln
Shabiha sind leicht zu erkennen, sagt Ahmed: „Ihre Köpfe sind geschoren,
ihre Bärte lang und buschig. Oft haben sie gewaltige Muskeln und lassen
sich das Gesicht von Baschar al-Assad auf die Oberarme tätowieren.“
Ahmed kennt einige der Männer, die sich dem Trupp angeschlossen haben. „Das
sind Typen, die nicht genug im Kopf haben, um einen klaren Gedanken zu
fassen“, sagt er.
„Sie sind nur dazu gut, Weisungen zu folgen. Das ist ein Kriterium, nach
dem sie ausgewählt werden.“ Beobachtern zufolge nehmen sie Befehle direkt
von Mitgliedern des Assad-Clans entgegen. Zu ihren Führern sollen Präsident
Assads Cousins Fawas und Munsir zählen.
Die EU hat beide wegen ihrer Verstrickung in die Miliz mit Sanktionen
belegt. In den vergangenen Monaten sollen große Mengen zusätzlicher Shabiha
angeheuert worden sein. Doch es ist unklar, wie viele Männer die Einheit
umfasst. Die Schätzungen bewegen sich zwischen 6.000 und 30.000.
## Internet-Videos
Im Internet kursieren [1][Amateurvideos], die die Brutalität der Einheit zu
dokumentieren scheinen. Offenbar haben die Shabiha selbst viele der Filme
mit ihren Handykameras aufgenommen. Einer zeigt eine Gruppe von Männern,
die zwischen einem Dutzend blutiger Leichen steht.
Sie treten mit den Füßen gegen die leblosen Körper. Ob die Aufnahme, die
aus der nördlichen Provinz Idlib stammen soll, authentisch ist, kann
derzeit nicht geprüft werden.
„Die Funktion der Shabiha besteht darin, das Militär zu komplementieren“,
erklärt Mousab al-Hamadee, ein Aktivist aus der Provinz Hama. „Zuerst
bombardiert die Armee die Ortschaften und ebnet damit den Weg, dann stürmen
Shabiha die Siedlungen.“
Zwar erhalten die Milizionäre einen täglichen Lohn in unbekannter Höhe.
Darüber hinaus haben sie einen Freibrief, die Häuser in den aufständischen
Vierteln zu plündern und mitzunehmen, was auch immer sie finden, sagt der
Aktivist: „Der wirtschaftliche Aspekt ist sicher eine starke Motivation.“
## Rache der Sunniten
Hinzu kommt, dass die Shabiha auch für ihr eigenes Überleben kämpfen: Die
Alawiten machen zwar nur 12 Prozent der Bevölkerung aus, doch sie
dominieren die Führungsebenen des Sicherheitsapparats. Daher muss die
Minderheit die Rache der Sunniten fürchten. Bereits jetzt mehren sich
Berichte von Vergeltungsmorden, die Rebellen an alawitischen Zivilisten
verüben.
„Das Regime hat sein Bestes getan, um den Alawiten zu verstehen zu geben,
dass sie alle umgebracht werden, wenn Baschar al-Assad stürzt“, sagt
al-Hamadee. „Deswegen haben sie sich in diesen konfessionellen Konflikt
treiben lassen.“
Das Regime weiß, die privaten Killerkommandos für seine Zwecke zu nutzen:
Da die Shabiha keine staatlichen Sicherheitskräfte sind, fällt es schwerer,
Damaskus die Verantwortung für die Gräueltaten der Einheit nachzuweisen.
## Blutige Loyalität
Noch wichtiger aber dürfte sein, dass das Regime voll und ganz auf den
Gehorsam der Milizionäre zählen kann. Das ist bei der Armee nicht unbedingt
der Fall: Tausende von Soldaten sollen inzwischen zur Opposition
übergelaufen sein. Auch vor diesem Hintergrund gewinnt die Miliz an
Bedeutung: Inzwischen, sagen Aktivisten in verschiedenen Städten, geben die
Shabiha den Streitkräften Befehle und wachen darüber, dass sie ausgeführt
werden.
„Es ist, als hätte man sie einer Gehirnwäsche unterzogen. Sie halten
Baschar al-Assad für eine Art Gott auf Erden“, sagt ein Deserteur, der sich
Mohammed al-Sakareb nennt. Der frühere Rekrut aus Idlib kämpft seit einigen
Monaten auf Seiten der Rebellen und hält sich derzeit in der Südtürkei auf.
„Das Regime hat sie mit allen möglichen Waffen ausgerüstet und lässt sie
zusammen mit der Armee aufmarschieren, um die Truppen zu kontrollieren“,
sagt er. „Ihre Aufgabe ist nicht nur, die Protestierenden zu töten, sondern
auch alle Soldaten, die den Schießbefehl verweigern.“
12 Jun 2012
## LINKS
[1] http://www.youtube.com/watch?v=bOot1ffRuuU
## AUTOREN
Gabriela M. Keller
## TAGS
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Syrien-Konflikt: Russland bewegt sich ein wenig
Über 1.000 Familien sind in der syrischen Stadt Homs eingeschlossen. Das
Assad-Regime will nun angeblich evakuieren, Aktivisten berichten von neuen
Massakern.
Debatte Syrien: Hinsehen statt zusehen
Ignoranz oder militärische Intervention? In Deutschland verkennt man die
Situation im Land. Denn es gibt längst einen richtigen „dritten Weg“ in
Syrien.
Bürgerkrieg in Syrien: UN-Beobachter müssen pausieren
Aus Sicherheitsgründen werden die 300 UN-Beobachter in Syrien bis auf
Weiteres nicht mehr auf Patrouille gehen. Die syrischen Streitkräfte
setzten am Samstag ihre Offensive weiter fort.
UN-Friedensplan für Syrien angemahnt: Risse in Russlands Bündnis mit Assad?
Rätselraten über Bewegung in der russischen Position: Russland sei zu
Gesprächen über einen Machtwechsel in Syrien bereit, sagt der Westen. Doch
der Aussenminister dementiert.
Systematische Gewalt in Syrien: Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Amnesty International wirft der syrischen Regierung Verbrechen gegen die
Menschlichkeit vor. Die Menschenrechtsorganisation fordert ein
internationales Eingreifen.
Bürgerkrieg in Syrien: Innere Angelegenheit der Syrer
Die UNO spricht jetzt von Bürgerkrieg in Syrien. Doch Augenzeugen berichten
von einseitiger Gewalt und „ethnischen Säuberungen“ des Regimes.
Konflikt oder Bürgerkrieg?: Keine Nato-Intervention in Syrien
Die syrischen Regierungstruppen drängen die Aufständischen zurück. Trotz
der anhaltenden heftigen Gefechte lehnt die Nato eine ausländische
Militärintervention ab.
CDU-Politiker über Syrien: "Wir können nicht mehr wegschauen"
Die Berichte über die Gräueltaten in Syrien häufen sich, es wird Zeit, dass
die UNO eingreift. Das fordert der außenpolitische Sprecher der
CDU-Fraktion, Philipp Mißfelder.
UN-Bericht zu Syrien: Kinder als „Menschliche Schutzschilde“
Mehr als 1.200 Kinder sind unter den Todesopfern des Konflikts in Syrien.
Die Vereinten Nationen setzen das Land auf die „Liste der Schande“.
Syrische Opposition mit neuem Chef: Mann für die Minderheiten
Der Syrische Nationalrat hat einen neuen Vorsitzenden gewählt. Die
Opposition setzt damit ein Signal für eine möglichst große Einheit im Kampf
gegen Assad.
Bürgerkrieg in Syrien: Kurde führt die syrische Opposition
Der Syrische Nationalkongress wählt einen Kurden zum neuen Vorsitzenden.
Die Gewalt erreicht die Hauptstadt Damaskus. Und Russland mauert weiter.
Bürgerkrieg in Syrien: Kämpfe in Damaskus und Daraa
15 Menschen sollen beim Beschuss der Stadt Daraa durch syrische
Regierungstruppen gestorben sein. In Damaskus wurde die ganze Nacht zum
Samstag über gekämpft.
Bürgerkrieg in Syrien: Die UNO irrt
Die Demonstranten rufen die Händler auf, sich dem Aufstand anzuschließen.
Die UN erreicht den Schauplatz des Massakers. BBC twittert, es rieche nach
verbranntem Fleisch.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.