# taz.de -- Einigung bei Finanztransaktionssteuer naht: „Attac wird trotzdem … | |
> Attac-Gründer Peter Wahl über die Annäherung von Regierung und Opposition | |
> bei der Finanztransaktionssteuer, angedeutete Ausnahmen und taktische | |
> Schlaumschlägereien. | |
Bild: Protest gegen den Fiskalpakt vor dem Kanzleramt. | |
taz: Herr Wahl, ist die Einigung beim Spitzengespräch von Regierung und | |
Opposition der Durchbruch für die Finanztransaktionssteuer? | |
Peter Wahl: Es auf jeden Fall eine ganz wichtige Weichenstellung und | |
insofern sehr positiv. Aber in trockenen Tüchern ist die Sache noch nicht, | |
denn bei den weiteren Verhandlungen kann das Konzept noch stark verwässert | |
werden. Der Druck darf darum nicht nachlassen. | |
Was für Verwässerungen befürchten Sie denn? | |
In dem verabschiedeten Papier werden ja schon Ausnahmen angedeutet, etwa | |
für Pensionsfonds. Dazu darf es nicht kommen. | |
Ist es nicht nachvollziehbar, dass mühsam angesparte Privatrenten vor der | |
neuen Steuer geschützt werden? | |
Nein. Denn betroffen wären ja nur solche Fonds, die aktiv spekulieren, | |
indem sie ihr Portfolio häufig umschichten. Bei ordentlichen Pensionsfonds, | |
die längerfristig agieren, fiele die Steuer praktisch nicht ins Gewicht. | |
Wie unterscheidet sich das jetzt diskutierte Modell denn von dem, was Attac | |
und andere Gruppen ursprünglich gefordert haben? | |
Zum einen bei der Verwendung der Einnahmen: Da war für uns immer klar, dass | |
sie teilweise für Umwelt und Entwicklung genutzt werden, während es jetzt | |
nur um Eurokrise und Wachstum geht. Ansonsten kommt das Modell unseren | |
Vorstellungen schon recht nahe – abgesehen davon, dass gerade | |
Devisengeschäfte, die bei der ursprünglichen Tobinsteuer im Mittelpunkt | |
standen, zu niedrig besteuert und teilweise ausgenommen werden. Hier | |
fordern wir Nachbesserungen. Der Handel mit Anleihen und Derivaten ist | |
komplett erfasst, könnte aber auch noch höher besteuert werden. Aber es ist | |
ein guter Anfang. | |
Wie schnell kann die Steuer denn jetzt Realität werden? | |
Wenn tatsächlich der politische Wille da ist, kann schon nächste Woche bei | |
der EU-Finanzministertagung der Prozess für die verstärkte Zusammenarbeit, | |
also das gemeinsame Handeln von mindestens neun Staaten, begonnen werden. | |
Dann kann innerhalb von wenigen Monaten die Entscheidung fallen und die | |
technische Implementierung beginnen. Erhoben werden könnte die Steuer Mitte | |
2013, spätestens Anfang 2014. | |
Im Gegenzug stimmt die Opposition jetzt dem Fiskalpakt zu, den Attac scharf | |
kritisiert. Ist das die Sache wert? | |
Diese Alternative stellt sich in der Realität nicht, denn die SPD hat | |
leider nie ernsthaft erwogen, dem Fiskalpakt nicht zuzustimmen. Das war nur | |
taktische Schaumschlägerei. | |
Wenn jetzt sogar die FDP einer umfassende Finanzsteuer selbst im kleinen | |
Kreis zustimmt, wird Attac dann eigentlich noch gebraucht? | |
Selbst wenn die Steuer jetzt tatsächlich kommen sollte, sind die ganz | |
großen Probleme damit nicht vom Tisch. Die Regulierung der Finanzmärkte | |
bleibt auf der Tagesordnung. Wenn ich mir angucke, was da bisher passiert | |
ist, fürchte ich, dass Attac noch lange gebraucht wird. | |
13 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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