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# taz.de -- Missbrauch in der Kirche: Zu lange her
> Das Erzbistum Hamburg will mit Schulungen gegen sexuelle Übergriffe
> kämpfen. Doch die Aufarbeitung des Geschehenen gestaltet sich schwierig.
Bild: Hier wurden einst Schüler von einem Jesuitenpater misshandelt: das katho…
HAMBURG taz | Wenn es um sexuelle Übergriffe geht, tut sich die Kirche
immer noch schwer, eine Sprache zu finden. Von „Anerkennung von Leid“
spricht der Hamburger Domkapitular Ansgar Thim, Beauftragter für Fragen der
sexuellen Gewalt an Minderjährigen beim Erzbistum Hamburg. 50 Anträge auf
„Anerkennungsleistungen“ seien bei ihm eingegangen, 38 habe er an die
Deutsche Bischofskonferenz nach Bonn weitergeleitet, sagt Thim auf der
Pressekonferenz am Montag. „Heißt das, Sie gehen davon aus, dass die
Anschuldigungen in diesen Fällen der Wahrheit entsprechen?“ – „Ja.“
Thim ist ein gepflegter Herr mit randloser Brille, seine Aufgabe ist es,
Gespräche mit den potenziellen Opfern zu führen. Und mit den Tätern. „Kein
Fall ist wie der andere“, sagt er. Oft sei die Situation die, dass Vorwürfe
erhoben würden, und die Beschuldigten sagten: „Das war nicht so.“ Die
Staatsanwaltschaft sei in allen Fällen eingeschaltet worden, aber sie
ermittle in keinem – die Vorgänge seien verjährt.
Von den 38 Fällen, die das Erzbistum Hamburg nach Bonn weitergeleitet habe,
sind viele in anderen Bistümern, aus denen die Betroffenen weggezogen sind.
Viele der beschuldigten Priester seien im Ruhestand, viele seien bereits
gestorben, sagt Thim. Es gelte, die „Spannung auszuhalten“: „Wir können
auch nicht sagen, da wird schon was gewesen sein.“
Das Erzbistum hatte zur Pressekonferenz geladen, um seine neue „Ordnung zur
Prävention von sexuellem Missbrauch“ vorzustellen. Doch statt über die
geplanten Sensibilitäts-Schulungen für das kirchliche Personal zu reden,
mussten die Kirchenvertreter Fragen beantworten wie: „Gegen wie viele
Priester des Erzbistums ist ein Disziplinarverfahren eingleitet worden?“
Gegen zwei, erklärte Domkapitular Thim, auf die Rückantwort aus Rom warte
man noch. Einer der beiden habe zugegeben, dass er Kinder missbraucht hat,
er sei „aus dem aktiven Dienst genommen“ worden.
Ob es möglich wäre, dass beschuldigte Priester wieder in den Dienst
zurückkehrten? Kontakt mit Kindern gehe natürlich nicht mehr, beeilte sich
der Kirchenvertreter zu versichern. „Schwierig“ sei allerdings die Frage,
ob Brüder dauerhaft aus dem Dienst entfernt, oder, unter Aufsicht gestellt,
im nicht-pastoralen Bereich weiterbeschäftigt würden.
Auch bei kirchlichen Disziplinarverfahren gilt eine Verjährungsfrist, es
ist dieselbe wie die gesetzliche: 20 Jahre, gerechnet ab dem 18. Lebensjahr
des Opfers. Schon unter Papst Johannes Paul II. habe diese Frist aber „in
bestimmten Fällen aufgehoben“ werden können, erklärte Thim. Zuständig daf…
ist die Glaubenskongregation in Rom.
Definitiv nicht mehr im Dienst ist der Jesuitenpater, der am katholischen
St. Ansgar-Gymnasium Hamburg als Sportlehrer unterrichtete. In einem
Interview mit der Zeit erklärte der Mann, er habe Schüler „auf das
bekleidete oder nackte Hinterteil“ geschlagen, teils mit der Hand, teils
„mit Riemen und anderen Hilfsmitteln“. Er habe an einer „narzisstischen
Persönlichkeitsstörung“ gelitten, sagte er, sexuelle Erregung habe er nicht
empfunden.
Um diesen Fall hätte sich nach kirchlichem Recht der Jesuitenorden kümmern
müssen – doch der ist inzwischen außen vor: der Pater ist aus dem Orden
ausgetreten und lebt in Südamerika. Dem Spiegel gegenüber erklärte er, er
sei „mit sich im Reinen“.
26 Jun 2012
## AUTOREN
Daniel Wiese
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