# taz.de -- Norbert Denef über seinen Hungerstreik: "Ich werde ausgegrenzt" | |
> Norbert Denef aus Scharbeutz ist seit über 40 Tagen im Hungerstreik gegen | |
> die Verjährung von Sexualstraftaten. Er kämpft für die Anerkennung der | |
> Opfer. | |
Bild: Protest vor dem Reichstag: Norbert Denef am 36. Tag seines Hungerstreiks. | |
taz: Herr Denef, Sie haben seit dem 8. Juni nur Wasser, Tee und | |
Gemüsewasser zu sich genommen – wie geht es Ihnen? | |
Norbert Denef: Man müsste eigentlich die Politiker fragen, wie es denen | |
geht, wenn sie in 20, 30 Jahren den Kindern erklären müssen: Wir hätten | |
damals die Chance gehabt, die Verjährungsfristen aufzuheben, wir haben es | |
nicht getan, ihr müsst weiter schweigen. | |
Sie wurden selbst jahrelang sexuell missbraucht – wie fühlt es sich an, | |
wenn diese Taten strafrechtlich verjähren? | |
Das Schwierigste ist die Ausgrenzung durch die Gesellschaft, wenn man | |
darüber spricht. Ich habe 1993 im Familienkreis mein Schweigen gebrochen | |
und werde bis zum heutigen Tag ausgegrenzt. Und diese Ausgrenzung spüre ich | |
in der ganzen Gesellschaft – es will einfach niemand wissen. | |
Und warum haben Sie sich gerade jetzt dafür entschieden, nichts mehr zu | |
essen? | |
Irgendwann ist das Maß voll und der Auslöser war meine Rede am 6. Dezember | |
beim Bundesparteitag der SPD in Berlin. Ich habe über unseren | |
Gesetzesentwurf zur Aufhebung der Verjährungsfristen bei sexualisierter | |
Gewalt gesprochen – das Votum der Delegierten war eindeutig für unseren | |
Entwurf. Hinterher kamen die Frau Schwesig und die Frau Kraft und alle | |
haben mich umarmt und Tränen sind geflossen – aber passiert ist nichts. | |
Man beruft sich auf die Ergebnisse eines von der Merkel-Regierung | |
eingesetzten Runden Tischs zum Thema, der es ablehnte, die Verjährungsfrist | |
aufzuheben. | |
Die SPD könnte sich für die Abschaffung der Verjährungsfristen aussprechen, | |
auch wenn sie nicht an der Macht sind. Aber die SPD schickt uns zur CDU, | |
und die CDU sagt, wir würden gern, aber der Runde Tisch hat es abgelehnt | |
und schickt uns zur FDP, weil die eigentlich blockiere – niemand fühlt sich | |
verantwortlich. | |
Nun setzen Sie auf Erpressung? | |
Nein, es ist eine Aktion ohne Wut, ohne Hass, ohne Erpressung. Aber ohne | |
Druck wird sich nie was bewegen. | |
Was ist das größte Problem an der Verjährung? | |
Andersrum: Der größte Erfolg, wenn es die Verjährungsfristen nicht mehr | |
geben würde, wäre die gerechte Anerkennung der Schäden, die durch | |
sexualisierte Gewalt entstehen. Den Betroffenen würde damit Gerechtigkeit | |
widerfahren. | |
Das Erzbistum Hamburg will Priester und kirchliche Mitarbeiter nun in | |
Schulungen für das Thema sexueller Missbrauch sensibilisieren – was halten | |
Sie davon? | |
So lange die alten Verbrechen nicht aufgearbeitet werden können, eben wegen | |
der bestehenden Verjährungsfristen, ist alles andere Makulatur. | |
Sie sind vor gut drei Jahren nach Scharbeutz gezogen, wie reagiert man hier | |
auf Sie? | |
Die Gesellschaft ist ja überall wie sie ist – man guckt weg, weil man | |
Berührungsängste mit dem Thema sexualisierte Gewalt hat. Es wird | |
geschwiegen. | |
Wie halten Sie das Schweigen aus? | |
Die Ostsee ist meine Kraftquelle, wenn ich das Meer sehe, ist es immer | |
wieder ein Geschenk. | |
18 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Ilka Kreutzträger | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Beratung für Missbrauchsopfer: Ombudsfrau von Ministers Gnaden | |
Niedersachsens Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) richtet eine | |
Ombudsstelle gegen sexuelle Gewalt ein. Die unabhängige Beauftragte ist | |
seine Büroleiterin. | |
Missbrauch in der Kirche: Zu lange her | |
Das Erzbistum Hamburg will mit Schulungen gegen sexuelle Übergriffe | |
kämpfen. Doch die Aufarbeitung des Geschehenen gestaltet sich schwierig. | |
Pädophilie in der katholischen Kirche: Ende der Parallelgesellschaft | |
Der Mann, der in der Öffentlichkeit das Gesicht der Kirche für Aufklärung | |
und Prävention sexualisierter Gewalt ist, soll selbst Pädosexuelle | |
beschäftigt haben. |