# taz.de -- Entschädigungen für Atomausstieg: Geheimsache Vattenfall | |
> Der Atomkonzern Vattenfall will vom Bund Schadensersatz für den Ausstieg | |
> erstreiten. Das tut er nicht öffentlich vor einem Schiedsgericht in | |
> Washington. | |
Bild: Sauber aber intransparent: Die Entschädigungssache Vattenfall ist nicht … | |
BERLIN taz | Der Stromkonzern Vattenfall versucht derzeit, sich den | |
deutschen Atomausstieg durch möglichst hohen Schadenersatz vergolden zu | |
lassen. Dabei bestreitet das schwedische Staatsunternehmen nicht wie die | |
deutschen Energiekonzerne RWE, Eon und EnBW den Weg vor deutsche Gerichte, | |
vor denen Verfahren, Beweisführung und Urteil öffentlich sind. | |
Stattdessen zieht das Unternehmen vor ein Schiedsgericht in Washington. Mit | |
welchen Argumenten dort der Streit ausgefochten wird, ob es politische | |
Deals im Hintergrund gibt, selbst, um welche Summe es überhaupt geht – all | |
das bleibt im Verborgenen. Auch die Bundesregierung verweigert jegliche | |
Information. | |
Der Opposition ist deshalb jetzt der Kragen geplatzt. „Sollte die | |
Bundesregierung bei ihrer Auffassung bleiben, überlegen wir, uns die | |
Informationen vor dem Bundesverfassungsgericht einzuklagen“, sagte Matthias | |
Miersch, SPD-Obmann im Umweltausschuss des Bundestages, zur taz. | |
Alles, was die Parlamentarier bisher erhielten, war ein Link auf die | |
Webseite des Gerichts in Washington. Dort steht: Das Gericht hat das | |
Vattenfall-Ersuchen auf ein Verfahren am 31. Mai 2012 registriert – mehr | |
nicht. | |
## Geheimhaltung bei Prozessunterlagen | |
Eine Vattenfall-Sprecherin machte gegenüber der taz ebenfalls keinerlei | |
Angaben zu dem Verfahren. Bekannt ist lediglich, dass Vattenfall in seinem | |
Finanzbericht von 2011 den Verlust durch seine beiden vom Atomausstieg | |
betroffenen Atomkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel auf umgerechnet 1,188 | |
Milliarden Euro beziffert. | |
Am gestrigen Mittwoch erstattete die Bundesregierung dem Umweltausschuss | |
Bericht. Dabei soll sie zumindest in Aussicht gestellt haben, den | |
Parlamentariern Einblick in die Prozessunterlagen zu gewähren, wenn diese | |
sich zur Geheimhaltung verpflichten. | |
Für die Vorsitzende des Ausschusses, Eva Bulling-Schröter (Die Linke), wäre | |
das nur der erste Schritt. „Die Geheimhaltung ist prinzipiell nicht | |
akzeptabel“, sagt sie – und schließt eine Klage nicht aus. Die | |
Bundesregierung fürchtet, ihre Verhandlungsposition zu schwächen, sollten | |
die Vertraulichkeiten nicht gewährleistet sein. | |
## Schutz vor politischer Willkür | |
Der Verein Powershift, der sich für eine ökologisch-soziale | |
Energiewirtschaft einsetzt, sieht ein grundlegendes Problem. Das Verfahren | |
geht auf den Energiechartavertrag von 1998 zurück, der Investoren im | |
Energiesektor international vor politischer Willkür schützen soll. | |
Dass ein schwedisches Staatsunternehmen wie Vattenfall den Vertrag gegen | |
ein Partnerland innerhalb der EU einsetzen könnte, hatte niemand auf der | |
Rechnung. Eon und RWE müssen sich bei ihren Klagen auf Entschädigung vor | |
dem Bundesverfassungsgericht wegen des Atomausstieges mit allerlei | |
Grundrechten herumschlagen. | |
Deshalb beschweren sich über die Klage Vattenfalls auch Politiker der | |
Regierungsparteien. SPD-Mann Miersch wird noch deutlicher: „Vattenfall ist | |
kein fairer Partner. Künftige Regierungen sind gut beraten, keine Deals mit | |
derartigen Unternehmen einzugehen“, sagt er. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) | |
ficht das alles wenig an. Sie kündigte in ihrer wöchentlichen | |
Videobotschaft an, das Kanzleramt beziehe ab 1. Juli Ökostrom – von | |
Vattenfall. | |
27 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
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