# taz.de -- Schlechte Absicherung der Energiekonzerne: Milliardenrisiko AKW-Rü… | |
> Für den Rückbau der deutschen Atomkraftwerke haben die Energieversorger | |
> Geld angespart. Wenn aber einer pleitegeht, ist das Geld weg, warnt | |
> Greenpeace. | |
Bild: Brokdorf: Ohne Meiler is' geiler! | |
BERLIN taz | Thomas Breuer sieht die vier großen Energieversorger in | |
Deutschland schlecht gerüstet für die Zukunft. „Die Risikostruktur in ihrem | |
Kraftwerkspark ist enorm“, sagt der Energieexperte von Greenpeace. | |
Daraus resultiert ein Problem: Wer zahlt für den Rückbau ihrer 19 | |
Atomreaktoren in Deutschland, wenn einer der vier pleitegeht, bevor | |
irgendwann nach 2040 die letzten Kernkraftwerke demontiert sind? Greenpeace | |
und das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft sind dieser Frage | |
nachgegangen, die Antwort ist simpel: Die Allgemeinheit kommt für die | |
Kosten auf. | |
Die Betreiber der deutschen AKW sind zwar gesetzlich verpflichtet, ihre | |
Kraftwerke auf eigene Kosten abzureißen und entsprechende Rücklagen zu | |
bilden. Mittlerweile beträgt dieser Puffer rund 33 Milliarden Euro. | |
Allerdings gibt es keinerlei gesetzliche Regelung, wie die Gelder angelegt | |
sein müssen. Die Unternehmen können ihre Gewinne vielmehr in Rücklagen | |
umwandeln und so Steuern sparen – eine oft kritisierte, versteckte | |
Subvention der Atomkraft, die von 1950 bis 2008 laut einer FÖS-Studie auf | |
24 Milliarden Euro angewachsen war. | |
Wie und wo die Konzerne das Geld investieren, bleibt ihnen überlassen. „Sie | |
können sich davon theoretisch ein Kohlekraftwerk in Portugal kaufen“, sagt | |
Breuer. „Wenn sich die Konzerne verspekulieren, dann sind die Rücklagen | |
weg.“ Eon verweist auf unabhängige Wirtschaftsprüfer, die jährlich die | |
Sicherheit der Anlagen testieren. | |
„Die Finanzmittel werden ausschließlich in werthaltige Güter investiert, | |
ein Rückfluss und die Sicherheit sind damit gewährleistet“, so das | |
Unternehmen auf Anfrage. Der Bundesrechnungshof mahnt mehr Transparenz an. | |
Er forderte bereits 2010 umfassende Überprüfungen der Rückstellungen. | |
Bisher müssten die Finanzämter die Angaben der Konzerne „weitgehend | |
ungeprüft“ übernehmen. | |
## Risikopuffer gegen unerwartete Kosten | |
Greenpeace und FÖS fordern deshalb, die Mittel zumindest teilweise in einen | |
öffentlich-rechtlichen Fonds zu übertragen. Der unterstünde der Kontrolle | |
der Allgemeinheit. In den Fonds müssten die Konzerne weitere Rücklagen | |
einzahlen: eine Art Risikopuffer gegen unerwartete Kostensteigerungen beim | |
Rückbau von weiteren zehn Milliarden Euro sowie eine Versicherung für die | |
Allgemeinheit von noch mal zehn Milliarden Euro, falls die Endlager für | |
radioaktive Abfälle irgendwann leckschlagen, wie bei dem De-facto-Endlager | |
im Salzstock Asse momentan befürchtet. Momentan trägt die Allgemeinheit | |
auch diese Kosten. | |
Zudem machen FÖS und Greenpeace auf ein weiteres Problem aufmerksam: Die | |
Atomkraftwerke in Deutschland werden von Tochtergesellschaften von RWE, | |
Eon, Vattenfall und EnBW betrieben. Bis 2022 sind alle vier verpflichtet, | |
bei einer Insolvenz einer dieser Töchter die Kosten etwa für Atomunfälle zu | |
übernehmen. Danach fällt diese Verpflichtung weg. Theoretisch könnten die | |
Konzerntöchter pleitegehen, ohne dass der Mutterkonzern weitere Kosten der | |
Atomentsorgung übernimmt. | |
RWE hält von den Greenpeace-Vorschlägen wenig. Bisher habe es noch keinen | |
Fall gegeben, in dem nicht ausreichend Mittel für den Rückbau zur Verfügung | |
gestanden hätten, so ein Sprecher. Die Bundesregierung werde die Studie | |
prüfen, sagte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums. Allerdings geht er | |
nicht davon aus, dass daraus Konsequenzen entstehen: „Die Bundesregierung | |
hat bisher über Legislaturperioden hinweg keinen Anlass zu grundlegenden | |
Veränderungen gesehen, und dabei bleibt es.“ | |
Mitarbeit: Karen Grass, Malte Kreutzfeldt | |
11 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
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