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# taz.de -- Verfassungsklagen gegen Euro-Veträge: „Grenze des Möglichen nic…
> Der Verfassungsrechtler Franz Mayer über Verfassungsklagen gegen
> ESM-Vertrag und Fiskalpakt: Er rechnet mit einem Einspruch beim
> Begleitgesetz zum ESM-Vertrag.
Bild: Die Karlsruher Verfassungsrichter verhandeln am 10. Juli über Fiskalpakt…
taz: Herr Mayer, kommenden Dienstag wird das Bundesverfassungsgericht über
die Eilanträge zu ESM und Fiskalpakt verhandeln. Rechnen Sie damit, dass
Karlsruhe den ESM stoppt?
Franz Mayer: Nein. Denn das Gericht hat 2011 den temporären Rettungsschirm
EFSF akzeptiert. Und der ESM ist im Wesentlichen gleich konstruiert: Unter
Druck stehende Eurostaaten bekommen zeitweise Stabilitätshilfen in Form von
günstigen Krediten, wenn sie zugleich Sparpolitik und Wirtschaftsreformen
versprechen. Entscheidend ist, dass der Bundestag für alle wesentlichen
Schritte die Haushaltsverantwortung übernehmen muss. Und das ist im
Wesentlichen gewährleistet.
Wie sieht es mit den Klagen gegen den Fiskalpakt aus?
Hier wird ja vor allem kritisiert, dass jeder Eurostaat eine Schuldenbremse
in seine Verfassung schreiben muss. Diese dauerhafte Verpflichtung zu einer
ausbalancierten Haushaltspolitik macht aber nur Sinn, wenn sie von einem
Staat, der nicht mehr sparen will, nicht einfach wieder gekündigt werden
kann. Der Fiskalpakt ist damit die logische Folge einer Währungspolitik,
die auf Stabilität zielt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die
Verfassungsrichter dies als unzulässig ansehen werden. Die Verpflichtung
des Euro auf Stabilität steht ja sogar in Artikel 88 des Grundgesetzes.
Sie rechnen also mit keinem Einspruch des Bundesverfassungsgerichts?
Doch, aber nicht bei der Zustimmung zu den Verträgen selbst, sondern beim
Begleitgesetz zum ESM-Vertrag. Für die Übernahme der Haushaltsverantwortung
sollen hier einfache Gesetze, Bundestagsbeschlüsse oder Beschlüsse des
Haushaltsausschusses genügen. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht
gerade erst festgestellt, dass der eigentlich neben der EU stehende
ESM-Vertrag wie eine EU-Angelegenheit zu behandeln ist. Seitdem bin ich mir
zunehmend sicher, dass Karlsruhe in bestimmten Fällen der Weiterentwicklung
des ESM ein Gesetz nach Artikel 23 des Grundgesetzes fordern wird.
Was ist der Unterschied?
Bei Gesetzen nach Artikel 23, dem Europa-Artikel des Grundgesetzes, muss
auch der Bundesrat zustimmen. Und wenn es um grundlegende Fragen geht, ist
sogar eine Zweidrittelmehrheit von Bundestag und Bundesrat erforderlich.
Um welche Art von Fragen geht es in den Begleitgesetzen?
Der Bundestag muss zum Beispiel zustimmen, wenn das Kapital des ESM erhöht
wird und dadurch auch das Risiko steigt, das Deutschland übernimmt.
Könnte Karlsruhe auch sagen, ab wann die weitere EU-Integration durch eine
Volksabstimmung legitimiert werden muss?
Darauf hoffen ja viele, ich sehe das aber nicht. Die Annahme, das
Grundgesetz sei europapolitisch am Ende seiner Möglichkeiten und müsse bald
per Volksabstimmung durch eine neue Verfassung ersetzt werden, halte ich
für einen Holzweg – vor allem wenn dabei nur wenige Sätze geändert werden
sollen. Falls das Grundgesetz nach Artikel 146 durch eine neue Verfassung
ersetzt werden soll, muss dies eine wirklich neue Verfassung sein, bei der
dann auch alles auf den Prüfstand gestellt werden könnte. Das will im
Moment aber niemand.
Wenn es aber verfassungsrechtlich erforderlich ist?
Das ist es nicht. Denn das Grundgesetz ist europafreundlich und lässt
Hoheitsübertragungen auf eine demokratische und soziale EU durchaus zu.
Hier ist die Grenze des Möglichen noch nicht erreicht. Wenn die Politik nun
die Bürger in die Mitverantwortung nehmen will, dann kann sie dies tun und
Volksentscheide einführen. Das ist dann aber eine politische und keine
rechtliche Frage. Das Verfassungsgericht sollte hier seine Grenzen
erkennen.
Sollte das Verfassungsgericht nicht aber wenigstens die Leitplanken der
künftigen EU-Integration definieren?
Nein, nicht einfach so, quasi auf Vorrat. Gerichte sollten ja grundsätzlich
nicht mehr entscheiden, als sie gefragt werden. Und auch hier wären die
Richter gut beraten, wenn sie jeweils nur die konkret vorgelegte Frage
entscheiden. Die politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen ändern sich
derzeit so schnell, dass nicht ständig Zäune errichtet werden sollten, die
sich eh nicht halten lassen. Und der Weg Deutschlands in der europäischen
Integration sollte nicht vom Bundesverfassungsgericht vorgegeben werden.
Das überfordert das Gericht. Diese Fragen müssen im politischen Raum
entschieden werden. Auch wenn es bequemer ist, die Verantwortung mit dem
Ruf nach dem Verfassungsgericht oder nach dem Volksentscheid abzugeben.
3 Jul 2012
## AUTOREN
Christian Rath
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