# taz.de -- Milliardenlücke im Haushaltsplan: Frankreichs Präsident muss spar… | |
> Ob Hollande alle seine Wahlversprechen halten kann? Um die Ziele beim | |
> Abbau des Defizits zu erreichen, muss eine riesige Lücke geschlossen | |
> werden. Das heißt: Sparen für alle. | |
Bild: La Grande Nation zieht ihre Soldaten aus Afghanistan ab, das spart Millio… | |
PARIS taz | Die Wähler von Präsident François Hollande dürfen beruhigt | |
sein. So schlimm, wie dies die konservative Opposition prophezeit und wie | |
noch am Montag der Oberste Rechnungshof gewarnt hat, steht es nicht um | |
Frankreich. Das zumindest sagte Premierminister Jean-Marc Ayrault in seiner | |
Regierungserklärung am Mittwoch. Er stellte entschieden in Abrede, dass | |
eine „Wende“ in eine drastische Sparrunde mit einer überstrikten | |
Haushaltsdisziplin anstehe. | |
Dennoch musste der Ministerrat unter Leitung von Hollande am Mittwoch der | |
verschlechterten Finanzlage Rechnung tragen. Schuld sind natürlich – wie | |
immer in solchen Fällen – die Vorgänger. Da diese das Wirtschaftswachstum | |
für 2012 „in surrealistischer Weise überschätzt“ hätten und diverse ber… | |
beschlossene Maßnahmen überhaupt nicht finanziert seien, fehlen in der | |
Staatskasse für 2012 mehr als 7 Milliarden Euro. | |
Der haushaltspolitische Kurswechsel wird vor allem durch die schwache | |
Konjunktur dringend. Die Regierung Ayrault geht für 2012 von einem Wachstum | |
von nur mehr 0,3 statt 0,7 und von 1,2 statt zuvor 1,7 Prozent für 2013 | |
aus. Am noch unter Nicolas Sarkozy fixierten Ziel, bis Ende 2012 das | |
Defizit von 5,2 auf 4,5 Prozent zu reduzieren, wird aber festgehalten. Um | |
dem Minus der Einnahmen zu begegnen, greift die neue Führung zu einem in | |
Frankreich bewährten Mittel: Steuererhöhungen in der Höhe von 7,2 | |
Milliarden Euro. | |
## Mehrtwertsteuererhöhung wid annuliert | |
Dabei werde aber genau „das Gegenteil“ von dem gemacht, was die Vorgänger | |
vorhatten, präzisierte Regierungssprecherin Najat Vallaud-Belkacem. Die | |
Mehrwertsteuererhöhung, die im Oktober in Kraft treten sollte, wird | |
annulliert, weil sie die Kaufkraft der Konsumenten um rund 10 Milliarden | |
schwächen würde. Rückgängig gemacht werden auch andere fiskalpolitische | |
Hinterlassenschaften: Die Erbschaftsteuer, die bisher 95 Prozent der | |
Betroffenen verschont hat, wird auf eine breitere Grundlage gestellt. | |
Die Befreiung der Überstunden von Sozialabgaben, die nach Ansicht linker | |
Experten nichts bringt und viel kostet, wird abgeschafft. Dafür sollen die | |
reichsten Mitbürger und die größeren Unternehmen mehr abliefern. Das | |
entspricht der fiskalischen Gerechtigkeit, welche die Regierung anstrebt | |
und die das Leitmotiv einer umfassenden Steuerreform im Herbst sein soll. | |
Ayrault will den Franzosen die Wahrheit zum Zustand des Haushalts sagen. Er | |
verheimlicht nicht, dass die derzeitige Finanzlage größere Anstrengungen | |
erfordert, aber er verspricht, dieses Mal würden nicht die unteren und | |
mittleren Schichten die Hauptlast tragen. | |
Die Zeit der großen Opfer kommt ab 2013. Um das Defizit dann auf die von | |
der EU geforderten 3 Prozent zu senken, müssen laut dem Bericht des | |
Rechnungshofs Einsparungen von über 33 Milliarden Euro erfolgen. Dann | |
werden die noch zaghaften Kürzungen bei den Ausgaben und der angekündigte | |
Lohnstopp für die Beamten kaum genügen. | |
Schon prophezeit beispielsweise der bürgerliche Vorsitzende der | |
Finanzkommission im Senat, der Zentrumsdemokrat Jean Arthuis, die | |
Linksregierung werde zuletzt doch nicht an der Mehrwertsteuererhöhung | |
vorbeikommen. Danach aber sei das Potenzial der Abgabenerhöhungen | |
ausgeschöpft. Es bleibt die Möglichkeit, die Zahl der Staatsangestellten | |
und die staatlichen Sozialleistungen infrage zu stellen. Das aber war | |
bisher unter Rechts- wie Linksregierungen in Frankreich ein Tabu. | |
4 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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