# taz.de -- Kommentar Regierungserklärung Frankreich: Sparen ohne Tränen | |
> Die Regierung will Wachstum und Sparen verbinden. Sie will die Reichen | |
> stärker belasten und Arbeitsplätze für junge Menschen schaffen. Doch ihr | |
> Spielraum ist gering. | |
Die Vertrauensabstimmung war für den französischen Premierminister | |
Jean-Marc Ayrault nur eine Formalität. Seine Partei verfügt über die | |
absolute Mehrheit und auch die Grünen stimmten – trotz einiger energie- und | |
umweltpolitischer Einwände für ihn. Sie sind loyale Koalitionspartner. Die | |
Abgeordneten der Kommunisten und Linkspartei dagegen enthielten sich. Für | |
sie ist die Wahlparole „Wechsel jetzt“ („Changement maintenant“) doch n… | |
sehr ungenügend umgesetzt. Also demonstrierten sie ihren Unwillen. | |
Die ersten Tage der Macht waren von den Gesten und Symbolen der Sieger | |
bestimmt, aber jetzt beginnt die undankbare Zeit des Regierens. [1][Am | |
Vorabend der Regierungserklärung hatte der Rechnungshof eine | |
Bestandesaufnahme der öffentlichen Finanzen unternommen: 2013 sollen mehr | |
als 30 Milliarden in den staatlichen Kassen fehlen]. | |
Diese Bilanz dürfte auch dem Letzten klarmachen, wie gering die | |
Handlungsfreiheit der Regierung sein wird. Die Presse kündigte die | |
unvermeidliche Wende zur Austeritätspolitik an und erwartete von Ayrault, | |
dass er nun Opfer mit Blut und Tränen verheißen werde. Der aber versprach | |
seinen Landsleuten eher unverdrossen, Frankreich zu retten - und zwar just | |
mit dem von François Hollande und ihm angekündigten Spar- und | |
Wachstumsprogramm. | |
Er leugnet nicht, dass dabei auch schmerzhafte Anstrengungen nötig seien. | |
Nur eben müssten diese gerechter verteilt werden. Den Gürtel enger | |
schnallen und zugleich den sozialen Ausgleich fördern, das ist für Ayrault | |
kein Widerspruch, sondern die Losung der Stunde. Hilft das vielleicht, die | |
absehbaren Restriktionen weniger knurrend und murrend hinzunehmen? Eher | |
nicht. | |
Denn selbst wenn auch die Privilegierten künftig vom Fiskus mehr zur Kasse | |
gebeten werden, der Sparkurs wird auch für Mehrheit der Franzosen schnell | |
spürbar werden. Sogar am Tabu der Zahl der Beamten und deren Besoldung wird | |
gerüttelt. Alle Ausgaben, die nicht absolut prioritär sind (wie Erziehung, | |
Justiz und innere Sicherheit), stehen auf dem Prüfstand. Hollande hat sich | |
im Gegenzug zum Wachstumspakt auf eine Schuldenbremse verpflichtet. | |
Nur eben Tränen soll es dabei nicht geben, weil doch alle Einschnitte | |
erklärtermaßen dazu dienen, die angeschlagene Volkswirtschaft und die | |
soziale Gerechtigkeit zu stärken. Ayrault kündigte zur Beruhigung an, | |
150.000 „Zukunftsjobs“ zu schaffen, um die Jugendarbeitslosigkeit zu | |
senken. Skrupel oder Bedenken zeigte Ayrault nicht. | |
Stattdessen bediente er sich munter des weltberühmten Refrains von Edith | |
Piaf "Nein, ich bereue nichts" („Non, rien de rien, je ne regrette rien“) | |
und versicherte: "Nein, wir verzichten auf nichts" („Non, non et non, nous | |
ne renoncerons à rien“). Die Bilanz aber folgt erst nach der Gesetzgebung, | |
die jetzt anfängt. | |
4 Jul 2012 | |
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