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# taz.de -- Selbstvermarktung online: Kreativ im Netz
> Eigene Kunst, Videos oder Musik online vermarkten? Vier Beispiele zeigen,
> wie es funktionieren kann: mit ausgefallenen Ideen und einer treuen
> Fangemeinde.
Bild: Wer am lautesten schreit, hat die besten Chancen im Netz? Es geht auch kr…
## 1. Das Modell Kleingeldsammeln
Er mag die epische Breite: Wenn der 45-jährige [1][Tim Pritlove], der
früher die Jahrestreffen des Chaos Computer Clubs organisierte, Podcasts
produziert, können die bis zu vier Stunden lang sein. Heraus kommen
Gespräche mit Spezialisten über Internetthemen, Raumfahrt oder das
Podcasting selbst. Sendungen, die selbst in Zeiten schnellen Informierens
über Wikipedia und Twitter viele Hörer finden.
Pritloves Podcasts können im Netz kostenlos heruntergeladen werden – und
trotzdem kann er damit einen Teil seines Lebensunterhalts bestreiten. Denn
Pritlove ist einer der Wenigen, für die der Micropayment-Dienst Flattr
ausreichende Erträge abwirft.
Während etwa der Journalist und Blogger [2][Thomas Wiegold beklagte],
Flattr sei für ihn eher zusätzlicher Aufwand, macht Pritlove auf seinem
Blog transparent, dass er monatlich im Durchschnitt 1.700 Euro verdient –
Tendenz steigend. Hinzu kommen Spenden per Überweisung, sodass Pritlove auf
ein Gehalt von 2.500 Euro kommt. Flattr kann also mehr sein als ein paar
Groschen Almosen für digitale Kreative, wie Kritiker der Plattform
bemäkeln.
Podcasts schneiden bei Flattr besser ab als andere Angebote, sagt Pritlove.
Grund sei die emotionale Bindung zwischen Sender und Empfänger. Sie wird
dadurch verstärkt, dass sich Pritlove mit seinen Hörern in ganz Deutschland
zu Stammtischen trifft. Helfen dürfte auch, dass Pritlove in der deutschen
Hacker- und Geekszene exzellent vernetzt ist – und dass der Brite 2005
einen der ersten Podcasts in Deutschland startete.
## 2. Das Prämien-Modell
Die Illustratorin [3][Molly Crabapple] wurde nicht nur von der US-Zeitung
New York Times als „phänomenale Künstlerin“ gefeiert, sondern beweist auch
immer wieder unternehmerisches Geschick. So beherrscht die Gründerin von
„Dr. Sketchy’s Anti-Art School“ auch die Kunst des Crowdfunding nahezu
perfekt.
Als sie im Juni 2011 über die amerikanische Plattform [4][Kickstarter]
4.500 Dollar für ihr Projekt „Molly Crabapples Woche in der Hölle“
akquirieren wollte, wurde sie von dem Ergebnis selbst überrascht: In nur
zwei Wochen spendeten 745 Leute mehr als 25.000 Dollar.
Erfolgreich war das Projekt, weil ihm eine ungewöhnliche und doch plausible
Idee zugrunde lag: Um aus der Komfortzone ihres Künstlerstudios
auszubrechen, wollte sich Molly Crabapple im September 2011 für fünf Tage
in ein Hotelzimmer einschließen, die Wände restlos mit Kunstdruckpapier
tapezieren und jede noch so kleine Ecke mit ihren Zeichnungen bedecken.
Bei Kickstarter listete sie alle dafür nötigen Ausgaben präzise auf, das
schaffte Transparenz und Vertrauen bei ihren Spendern. Die wurden außerdem
mit Prämien gelockt: Per Livestream konnten sie sich täglich für drei
Stunden in Crabapples Hotelzimmer schalten. Ab 20 Dollar gab es einen
Ausschnitt aus ihrem Kunstwerk. Ab 1.000 Dollar gab es ein
Absinth-Frühstück mit Crabapple.
Ohne entsprechenden Bekanntheitsgrad ist das Finanzieren von Projekten via
Crowdfunding derzeit aber noch sehr schwierig. Das bestätigt auch die
US-Sängerin [5][Amanda Palmer]: Nur wer zuvor hart am Aufbau einer Fanbase
gearbeitet habe, könne sie dann erfolgreich um Geld bitten, bloggte die
ehemalige Sängerin des Duos Dresden Dolls, die im Mai via Kickstarter mehr
als 1 Million Dollar für ihr neues selbst verlegtes Album sammelte. Ihre
heutige Popularität erreichte sie unter anderem mithilfe ihres einstigen
Plattenlabels, von dem sie sich erst 2010 unabhängig machte.
## 3. Das Kollektiv-Modell
Weil Journalist David Cohn weiß, dass gute Geschichten bereits an der
teuren und aufwendigen Recherche scheitern können, rief er 2008 das Portal
[6][Spot.us] ins Leben und wurde damit zum Pionier des spendenfinanzierten
Journalismus. Die damals noch verrückt klingende Idee des 25-jährigen Cohn,
eine Plattform für investigativen Journalismus zu gründen, die komplett von
Nutzern finanziert wird, unterstützen heute mehr als 14.000 registrierte
Spender.
Spot.us kombiniert Crowdfunding mit dem Crowdsourcing. Denn es können nicht
nur Journalisten ihre Projektideen mitsamt einer Schätzung der
Recherchekosten auf der Seite präsentieren. Auch die User machen
Themenvorschläge und recherchieren mit. Sind die Reportagen einmal
fertiggestellt, werden sie unter einer Creative-Commons-Lizenz kostenlos
auf der Website zur Verfügung gestellt.
Mit Spot.us wollte David Cohn eine anarchische Alternative zu dem
autoritären Verlagswesen schaffen und Werbung und Verleger überflüssig
machen oder zumindest schwächen. Damit Spender Inhalte bei Spot.us nicht
kaufen können, macht die Seite sehr transparent, wer wie viel Geld wofür
gespendet hat – Obergrenze für die Förderung einzelner Projekte inklusive.
Allerdings ist auch Spot.us nicht vollständig autark. Denn ohne einen
Zuschuss von 340.000 Dollar der Knight Foundation, einer US-Stiftung für
Qualitätsjournalismus, hätte die Plattform nicht aufgebaut werden können.
Derlei private Förderungen sind in den USA sehr viel gängiger ist als in
Deutschland.
Als silberner Löffel zur Rettung des investigativen Journalismus hat sich
Spot.us in den vier Jahren seines Bestehens nicht entwickelt, räumte Cohn
im April auf seinem Blog ein, zieht aber insgesamt eine positive Bilanz.
Und verkündete, er werde bei spot.us aufhören – vier Monate nachdem das
Portal Teil des größten Eigentümers und Betreibers öffentlich-rechtlicher
Radiosender in den USA, America Public Media, geworden war.
## 4. Das Modell Eigenverlag
Eigentlich war es nur als Experiment gedacht, aber am Ende trug es mehr
Früchte als erwartet: Im Dezember 2011 bot der mexikanisch-amerikanische
Stand-up-Comedian [7][//buy.louisck.net/news:Louis C. K.] eine Aufzeichnung
seiner Show „Live at the Beacon Theater“ auf seiner Homepage zum Download
an – ohne Kopierschutz und für gerade einmal 5 Dollar. Damit wollte er
testen, ob seine Fans das Video trotzdem kaufen würden oder ob sie dazu
übergehen, die kopierschutzfreie Datei kostenfrei immer weiterzuverteilen,
sodass niemand mehr für seine Gags bezahlt.
Das Ergebnis war eindeutig: Schon nach zwölf Tagen hatte Louis C. K. mit
dem Video über 1 Million Dollar eingenommen. Für ein Video, dessen
Produktion ihn gerade einmal 170.000 Dollar gekostet hatte – und für dessen
Vertrieb oder Werbung er ansonsten keinen Cent bezahlt hatte.
Einen derart hohen Gewinn hätte C. K. mit konventionellen Verkaufsmethoden
wohl nicht erzielt – und zeigte sich auch selbst überrascht. Prompt
bedachte er seine MitarbeiterInnen mit einem saftigen Bonus und spendete an
mehrere Wohltätigkeitsorganisationen.
220.000 Dollar behielt er – für seine Miete, seine Kinder und „für
fürchterliche, schreckliche Dinge, die niemanden etwas angehen“, wie er
sagt. Inzwischen verkauft er alle seine Shows auf diesem Wege für 5 Dollar.
Kein Einzelfall. Auch der deutsche Blogger und Musiker [8][Johnny Haeusler]
bot sein Buch „I live by the river“ als E-Book für 99 Cent bei Amazon und
im Apple-iBook-Store an – produziert im Selbstverlag. Binnen wenigen
Stunden kletterte das Buch des spreeblick.com-Gründers an die Spitze von
Amazons E-Book-Charts. Über 4.000-mal wurde es inzwischen verkauft – nun
haben zwei Verlage Interesse an einer Printversion bekundet. „Und wenn das
nicht klappt, machen wir das auch noch selbst“, sagt Haeusler.
7 Jul 2012
## LINKS
[1] http://tim.geekheim.de/
[2] http://wiegold.wordpress.com/2011/12/27/ausgeflattrt-nur-was-fur-amateure-o…
[3] http://mollycrabapple.com/
[4] http://www.kickstarter.com/
[5] http://www.amandapalmer.net/
[6] http://spot.us/
[7] http://https
[8] http://www.spreeblick.com/
## AUTOREN
Kerstin Dembsky
## TAGS
Schwerpunkt Urheberrecht
Schwerpunkt Urheberrecht
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