# taz.de -- Hans-Peter Uhl und das Meldegesetz: Fachmann für Dementis | |
> Hans-Peter Uhl, CSU, zeichnet verantwortlich für die umstrittene Änderung | |
> des Meldegesetzes. Aber wenn es sein muss, nimmt der Hardliner auch mal | |
> was zurück. | |
Bild: Er steht zur Änderung des Meldegesetzes: Hans-Peter Uhl. | |
MÜNCHEN taz | Plötzlich will es keiner mehr gewesen sein. Bayerns | |
Ministerpräsident Horst Seehofer nennt das neue Meldegesetz einen „dicken | |
Fehler“. Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) hat sich längst | |
distanziert. Und Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) erklärte – ganz | |
auf Seehofers Linie: „Ich gehe davon aus, dass es noch Änderungen geben | |
wird im Bundesrat.“ | |
Nur einer steht nach wie vor zu der Reform, und [1][das ist Hans-Peter | |
Uhl], der innenpolitische Sprecher der Union im Bundestag, aus dessen Feder | |
die umstrittene Änderung stammt. Der bayerische Politiker profiliert sich | |
seit Jahren als innenpolitischer Hardliner klassischen Typs. Dass er seinen | |
CSU-Genossen die Kehrtwende übel nehmen wird, ist nicht zu erwarten. Denn | |
Uhl ist ein Fachmann für Dementis und nachträglich entschärfte Statements. | |
Am 28. Juni hatte der Bundestag [2][in 57 Sekunden das Gesetz zur | |
Fortentwicklung des Meldewesens verabschiedet] – unter denkbar obskuren | |
Bedingungen, die auch mit dem EM-Halbfinalspiel Deutschland gegen Italien | |
zu tun hatten. Nun erlaubt das Gesetz entgegen dem ursprünglichen Entwurf | |
den Behörden, Daten von Bürger an Dritte weiterzugeben – wenn nicht vorab | |
ausdrücklich Widerspruch eingelegt wurde. | |
Das Gesetz trägt die Handschrift Uhls, eines 67-jährigen Juristen aus | |
Bayern, der schon als Chef des Münchner Kreisverwaltungsreferats von sich | |
reden machte. Ende der neunziger Jahre sorgte er federführend dafür, dass | |
der straffällig gewordene, jedoch zum Tatzeitpunkt noch nicht strafmündige | |
Deutschtürke „Mehmet“ in die Türkei abgeschoben wurde – ohne seine Elte… | |
Als Bundestagsabgeordneter meldet Uhl sich vor allem dann zu Wort, wenn | |
Datenschutz und individuelle Persönlichkeitsrechte für ein | |
Sicherheitsbedürfnis des Staates aufzuweichen sind. | |
## „Linkes Gerülpse“ | |
2008 sprach er von „linkem Gerülpse“, als die sächsische SPD das | |
neugefasste BKA-Gesetz ablehnte, das die Befugnisse des Bundeskriminalamts | |
im Kampf gegen den Terror ausweiten sollte. Und in der Diskussion um die | |
Sperrung von kinderpornografischen Webseiten bezeichnete er die Kritik des | |
Chaos Computer Clubs als „pseudobürgerrechtsengagierte Hysterie von | |
Pseudocomputerexperten“. Jede Rede von Zensur oder Freiheitsbeschränkung | |
sei pervers. | |
Uhl befürwortet die Vorratsdatenspeicherung und fordert immer wieder das | |
Verbot von Killerspielen. Den Massenmord von Anders Breivik in Norwegen | |
nahm er zum Anlass, um die Pflicht zur Nennung von Klarnahmen im Internet | |
zu fordern. Und Onlinedurchsuchungen und Einsätze des Staatstrojaners sind | |
für ihn eine „legitime Maßnahme“ und „unverzichtbare Ermittlungsinstrum… | |
der Sicherheitsbehörden“. | |
Vergreift er sich nach eigenem Geschmack im Ton, lässt er das Gesagte im | |
Nachhinein korrigieren. So zum Beispiel im offiziellen Plenarprotokoll über | |
eine Aktuelle Stunde des Bundestages zur Onlinedurchsuchung. Hatte Uhl da | |
noch davon gesprochen, dass das „Land von Sicherheitsbehörden geleitet“ und | |
„regiert“ werde, war davon in der schriftlichen Version nichts mehr zu | |
finden. Manipulationsvorwürfe wies Uhl dennoch zurück. | |
## Zitate schnell wieder entfernt | |
Auch Uhls Stab scheint sich diesen Stil nun zu eigen gemacht zu haben. Ein | |
Mitarbeiter Uhls hatte gegenüber Focus Online bezüglich der Abstimmung zum | |
Meldegesetz im Schnelldurchlauf zugegeben: „Wir hätten nicht gedacht, dass | |
das jemanden interessiert.“ Und weiter: „Hätten wir die Einwilligungslösu… | |
gemacht, hätten ja alle Versandhändler aufgeschrien.“ | |
Mittlerweile wurden die beiden Zitate aus dem Artikel entfernt. Es habe | |
sich um ein Missverständnis gehandelt, steht darunter, und Chefredakteur | |
Daniel Steil erklärt: „Der Mitarbeiter hat sich wohl zu weit aus dem | |
Fenster gelehnt.“ Er selbst habe in der Redaktion angerufen und um die | |
Entfernung der Zitate gebeten, weil er zu einer solchen Aussage nicht | |
befugt gewesen sei. | |
Eines macht der Vorgang trotzdem deutlich: Datenschutz liegt dem | |
Innenexperten Uhl nicht am Herzen. Und wenn man dabei der Inkasso-Lobby | |
entgegenkommen kann, scheint für ihn daran ebenfalls nichts falsch zu sein | |
– auch wenn seine Parteikollegen das Gesetz nun im Bundesrat | |
verbraucherfreundlich abwenden wollen. | |
12 Jul 2012 | |
## LINKS | |
[1] /Neues-Meldegesetz-im-Hauruckverfahren-/!97078/ | |
[2] /Umstrittene-Abstimmung-um-Meldegesetz/!97003/ | |
## AUTOREN | |
Marlene Halser | |
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