# taz.de -- Lobbyismus beim Meldegesetz: „Druck von der Wirtschaft“ | |
> Erst versuchten Lobbyisten bei der Regierung ein wirtschaftsfreundliches | |
> Meldegesetz durchzusetzen. Als das scheiterte, verschärften sie den Druck | |
> aufs Parlament. | |
Bild: Hinter dem Meldegesetz steckt der Lobbyist. | |
BERLIN taz - Die Werbewirtschaft hat massiven Druck ausgeübt, um ein | |
Meldegesetz in ihrem Sinne zu erreichen. Das wurde am Donnerstag in | |
Regierungskreisen in Berlin unumwunden eingeräumt. Erst sei bei der | |
Bundesregierung lobbyiert worden, und nachdem diese ihren für die | |
Wirtschaft enttäuschenden Gesetzentwurf vorgelegt hatte, habe sich der | |
Druck auf die Koalitionsfraktionen von CDU und FDP „noch mal verschärft“, | |
hieß es. | |
Zwischenzeitlich hatten die Lobbybemühungen offenkundig Erfolg: Nachdem die | |
Regierung in ihrem Gesetzesentwurf im vergangenen Jahr noch festgelegt | |
hatte, dass nur bei ausdrücklicher Einwilligung der Betroffenen die | |
Meldeämter der Städte und Gemeinden die Adressdaten von Bürgern an die | |
Werbewirtschaft und Adresshändler herausgeben dürfen, weichten die | |
Fachpolitiker von Union und FDP im Bundestag das Gesetz auf. | |
Nur wenn explizit widersprochen werde, dürften die Daten nicht für | |
Werbezwecke weitergegeben werden, hieß es schließlich in der Fassung, die | |
vor zwei Wochen ohne weitere Debatte durch das dünn besetzte Parlament | |
gewunken wurde – an dem Tag spielte Deutschland im Fußball-EM-Halbfinale | |
gegen Italien. | |
## Mehr als 18 Millionen Adressauskünfte pro Jahr | |
Während des parlamentarischen Prozesses habe das Bundesjustizministerium | |
darauf aufmerksam gemacht, dass sie die Einwilligungslösung im | |
Regierungsentwurf für die bessere Idee halte, hieß es am Donnerstag in | |
Regierungskreisen. Die Abgeordneten von FDP und Union im Bundestag setzten | |
dennoch die datenschutzunfreundlichere Widerspruchslösung durch. | |
In der Öffentlichkeit hatte die Verwässerung des Gesetzes zuerst kaum | |
jemand bemerkt. Erst nach Protest von Datenschützern und Netzaktivisten | |
distanzierte sich die schwarz-gelbe Bundesregierung in dieser Woche vom | |
Vorgehen der eigenen Koalitionsfraktionen – ein ziemlich ungewöhnlicher | |
Vorgang. Nun wird damit gerechnet, dass der Bundesrat das Gesetz im | |
September noch mal aufdröselt und in den Vermittlungsausschuss von | |
Bundestag und Bundesrat verweist. | |
Nach Schätzungen des Statistischen Bundesamt stammen die allermeisten | |
Anfragen an die Meldeämter bisher von der Wirtschaft. Im Jahr 2008 seien | |
mehr als 18 Millionen Adressdaten an die Wirtschaft insgesamt herausgegeben | |
worden, an Privatpersonen dagegen nur 250.000 mal. Aktuellere Zahlen gibt | |
es nicht. | |
12 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Wolf Schmidt | |
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