| # taz.de -- Großkonzerne bei Olympia: „Gesund, nachhaltig, zertifiziert“ | |
| > Es sollen die grünsten Spiele der Geschichte sein: Unter den | |
| > Hauptsponsoren sind umstrittene Großkonzerne wie McDonald's, Coca-Cola, | |
| > BP und Dow Chemicals. | |
| Bild: And the winner is ... Adidas! Hier das neueste Modell für umfangreiche T… | |
| Die Olympischen Spiele 2012 sollten die ersten nachhaltigen werden – | |
| „Sustainable Olympic and Paralympic Games“ hieß es schon in Londons | |
| Olympiabewerbung. Die Naturschutzorganisation WWF erstellte dafür ein | |
| Konzept „Ein lebender Planet“. Dem Londoner Olympiakomitee gefiel die Idee, | |
| es unterschrieb eine Vereinbarung mit dem WWF über die Nutzungsrechte und | |
| machte sich „Sustainability“ zum Leitmotiv. | |
| „Wir waren daran interessiert, ob es jetzt möglich ist, die Olympischen | |
| Spiele nachhaltig zu gestalten“, sagt WWF-Olympiaprogrammleiter Simon | |
| Lewis. Bisher würden sich Olympische Spiele „nicht gerade durch Erfolge in | |
| Bezug auf ökologische Aspekte“ auszeichnen. Für Olympia in Athen wurden | |
| ganze Landstriche zubetoniert, die heute brachliegen. Flora und Fauna des | |
| Meeres wurde beeinträchtigt, nicht zu sprechen vom Fehlen jeglicher | |
| Solarenergiequellen. | |
| In London hat man nun alles ganz anders gemacht. Ein Ostlondoner | |
| Industriegebiet wurde in einen Park verwandelt, ausgestattet „mit sauberen | |
| erneuerbaren Energie- und Wasserquellen, die auch nach den Olympischen | |
| Spielen 2012 Bestand haben sollen“, erklärt David Stubbs, | |
| Nachhaltigkeitsbeauftragter des Londoner Olympia-Organisationskomitees | |
| (Locog). „Außerdem bauten wir vorübergehende Konstrukte wie Zelte, die | |
| später wieder abgebaut werden, weil man bestimmte Gebäude langfristig nicht | |
| braucht. | |
| Die meisten Besucher werden mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommen, | |
| übriggebliebenes Essen wird verwertet, bei Müllverarbeitung kommen null | |
| Prozent in Müllhalden, und die Anlieferungslogistik ist ökologisch.“ | |
| ## Kommission für Nachhaltigkeit | |
| Neu war auch die Idee einer unabhängigen „Kommission für Nachhaltigkeit“. | |
| Ihr Vorsitzender Shaun McCarthy verweist stolz auf die Wohnungen des | |
| Londoner Olympiadorfs, von denen später die Hälfte an sozial schwächere | |
| Gruppen vermietet und verkauft werden sollen. | |
| Für ihren Bau galten höchste Umweltstandards, führt er aus: „Wir erreichten | |
| eine 80-prozentige Senkung der CO2-Belastung. Das Stadion kommt mit 25 | |
| Prozent weniger Baumaterialien aus als jedes andere auf der Welt. Der | |
| Anteil der Recyclingprodukte liegt bei 25 Prozent. | |
| Bei der Londoner Olympiahalle wurden im Vergleich zu Pekinger Olympiade nur | |
| halb so viele Baustoffe verwendet. Die Einsparung übertrifft die eigenen | |
| Normen und Standards um 30 Prozent.“ Und insgesamt: „Wir haben eine | |
| Ernährungsvision gesunder, nachhaltiger, umweltschutzzertifizierter sowie | |
| fair gehandelter Nahrungsmittel, welche, wann immer möglich, aus nationaler | |
| Produktion stammen.“ | |
| Zugleich allerdings finden sich in der olympischen Sponsorenliste große | |
| multinationale Unternehmen, über deren Unternehmensmoral oder Produkte sich | |
| manch einer, zumindest in der Vergangenheit, beklagt hat. | |
| ## Coca-Cola, McDonald’s | |
| So erhielten Coca-Cola und McDonald’s beide Anteile der begehrten | |
| Monopollizenzen für das Catering im Olympiapark. | |
| „McDonald’s und Coca-Cola als Sponsoren der Londoner Olympiade zu benutzen, | |
| setzt vollkommen falsche Zeichen“, sagt Professor Terence Stephenson, | |
| Sprecher der britischen Vereinigung der Medizinlehranstalten. „Ich frage | |
| mich, wie viele der Athleten wohl Appetit auf Cheeseburger, Pommes und | |
| Chicken Nuggets haben werden, bevor sie um eine Olympiamedaille kämpfen.“ | |
| Es sei traurig, ein Fest der größten athletischen Erfolge von Unternehmen | |
| sponsern zu lassen, die „mitverantwortlich für die Übergewichtsprobleme | |
| unserer Gesellschaft“ seien. | |
| McDonald’s widerspricht. Das McDonald’s-Restaurant auf dem Olympiagelände, | |
| das größte der Welt, sei aus wiederverwertbaren Materialien gebaut, und | |
| alles was nachher auf dem Gelände nicht mehr benötigt wird, wird erneut | |
| wiederverwertet. Durch Veränderungen der Rezepte habe „McD“ Fett-, Salz- | |
| und Zuckergehalt seiner Produkte gesenkt, und es gäbe jetzt ein | |
| zusätzliches Angebot, das aus Fruchtpäckchen, Karotten und Biomilch | |
| besteht. | |
| Was Coca-Cola angeht, ist sogar WWF-Olympiaprogrammleiter Simon Lewis | |
| dafür: „Coca-Cola mag für manche wohl ein provokatives Unternehmen sein“, | |
| so Lewis, „aber Coca-Cola ist weltweit führend in Sachen Senkung des | |
| CO2-Fußabdrucks und bei der Wassereinsparung.“ Lewis gab jedoch zu, dass er | |
| Coca-Cola nicht über den Nährwert ihrer Produkte einschätzte, sondern | |
| allein aus der Sicht des Umweltschützers. | |
| ## Energie: BP und EDF | |
| Einige der großen Sponsoren, so gesteht auch Simon Lewis, hätten das | |
| Wahrzeichen der nachhaltigen Olympischen Spiele buchstäblich beschmutzt. Er | |
| zeigt auf die Ölfirma BP (British Petroleum) und den Energiekonzern EDF | |
| (Électricité de France). EDF und BP wurden nicht nur Sponsoren der | |
| Olympischen Spiele selber, sondern Sponsoren einer neugeschaffenen | |
| Kategorie „sustainability partners“ – Sponsorenpartner der Nachhaltigkeit. | |
| „Das ist einfach nur Greenwashing!“, urteilt Lewis. | |
| „BP ist in keiner Weise nachhaltig“, sagt Kevin Smith von der Lobbygruppe | |
| Platform, die sich mit schädlichen Auswirkungen der Ölförderung weltweit | |
| befasst. „Es hängt an einem Energiemodell, das uns fast in ein | |
| Klimadesaster gestürzt hat, sein Ölteerabbau in Kanada hat Auswirkungen auf | |
| die Indigenen und dazu kommen nach ’Deepwater Horizon‘ die Spätfolgen des | |
| Öldesasters im Golf von Mexiko.“ | |
| Sheila William, Sprecherin von BP, weist in Reaktion darauf hin, dass BP | |
| durch seine jahrzehntelange Präsenz und seinen Hauptsitz in London ein ganz | |
| selbstverständlicher Olympiapartner sei. Spezifischen Fragen auf BPs | |
| Nachhaltigkeit weicht sie aus und verweist auf den Nachhaltigkeitsbericht | |
| des Konzerns. Darin steht, dass BP nach ’Deepwater Horizon‘ Strukturen im | |
| Unternehmensmanagement radikal verändert und sich auf Entschädigungssummen | |
| vor Gericht geeinigt habe und eine Milliarde US-Dollar pro Jahr in die | |
| Entwicklung alternativer Energien stecke. | |
| EDF aus Frankreich gibt im Gegensatz zu BP ausführlich Antwort. Die | |
| Sponsorentätigkeit von EDF, sagt Pressesprecher Michael Stuart, sei eine | |
| einmalige Gelegenheit, „die emotionalen Qualitäten der Olympischen und | |
| Paralympischen Spiele dazu zu benutzen, Menschen über ihren Energiekonsum | |
| nachdenken zu lassen.“ | |
| Als konkrete Leistungen dazu nannte er eine, nach seiner Meinung, „saubere | |
| Olympiastromversorgung mit 80 Prozent Nuklearenergie und 20 Prozent Strom | |
| aus erneuerbaren Energiequellen“. EDF sei mitverantwortlich für den Bau von | |
| Stromaufladepunkten für elektrische Olympiafahrzeugen und würde in London | |
| die Tower Bridge und das Riesenrad London Eye mit langfristig | |
| energiesparenden LED-Lampen umgestalten sowie mit einer großflächigen | |
| Kampagne „zum Energiesparen und ökologisch nachhaltigeren Leben aufrufen“. | |
| Der Meinung, der AKW-Betreiber EDF sei ein ökologisch nachhaltiges | |
| Unternehmen, widerspricht ein unabhängiger Bericht der Bloomberg-Gruppe, | |
| der von Greenpeace angefordert wurde. Da heißt es, EDF sowie Centric hätten | |
| „die niedrigsten Investitionen (aller sechs großen Energiekonzerne in | |
| Großbritannien) in fossiler und erneuerbarer Kapazität gemacht … Wir können | |
| in den nächsten Jahren für Großbritannien keine größeren Investitionen in | |
| erneuerbarer Energie durch EDF voraussehen.“ | |
| ## Stadion: Dow Chemicals | |
| Damit nicht genug der umstrittener Olympiasponsoren. Der Chemiekonzern Dow | |
| Chemicals sorgte sogar für einen spekakulären Rücktritt und | |
| Boykottdrohungen. Zu Dows Spenden gehören die Materialien für die Laufbahn, | |
| Polymerfasern für das Hockeyspielgelände und andere Baumaterialien. Als im | |
| Herbst 2011 beschlossen wurde, eine Umhüllung des Olympiastadions mit Hilfe | |
| von Sponsoren zu bauen, wurde Dow Chemicals als der beste Sponsor | |
| ausgewählt. | |
| Dow wird von vielen mit dem Chemieunglück von Bhopal in Indien 1984 | |
| verbunden, als durch eine Gasexplosion über 3.000 Menschen ihr Leben | |
| verloren; Überlebende litten und leiden zum Teil bis heute unter | |
| Verletzungen und Behinderungen. Meredith Alexander, eines der zwölf | |
| ehrenamtlichen Mitglieder der Olympiakommission für Nachhaltigkeit, ging | |
| dem im Auftrag der Kommission nach, nachdem die Labour-Abgeordnete Tessa | |
| Jowells, unter der Labour-Regierung verantwortlich für Olympia, Kritik an | |
| der Auswahl Dows geübt hatte. Sogar Indiens Regierung hatte dazu | |
| aufgerufen, Dow als Olympiasponsor zu boykottieren. | |
| Alexander wandte sich an Amnesty International. „Die Beweise, die mir | |
| Amnesty zur Verfügung stellte, sagten ganz klar aus, dass Dow Chemicals für | |
| Bhopal verantwortlich ist“, erinnert sie sich. Dow Chemical sei | |
| Rechtsnachfolger des damals verantwortlichen Unternehmens Union Carbide. | |
| „Ich präsentierte diese Informationen der Kommission. Dann schrieb die | |
| Kommission eine Antwort an Jowells, in der stand, dass Dow ein nachhaltiger | |
| Konzern sei.“ Aus Protest trat sie zurück. | |
| Dow hält sich zum Thema kurz. Man sei stolz, ein Topsponsor der olympischen | |
| Bewegung zu sein, sagt Pressesprecher Fergus Campbell. „Das IOC wählt | |
| Partner aus, die die olympische Bewegung in Eintracht mit den Werten der | |
| olympischen Grundsätzen weiterführen und stärken können. Wir teilen diese | |
| Vision und verpflichten uns, ihr weiterhin zu helfen.“ | |
| Der Vorsitzende der Olympischen Kommission für Nachhaltigkeit, Shaun | |
| McCarthy, versteht zwar Meredith Alexanders Rücktritt, hält ihn aber für | |
| falsch. Der Kommissionsauftrag beschränke sich auf die Prüfung der | |
| Nachhaltigkeit vor Ort auf dem Olympiagelände, und dafür habe Dow das beste | |
| Angebot gemacht. Man habe weder die Macht noch das Personal, um „Polizei | |
| für das Verhalten der großen globalen Konzerne“ zu sein. | |
| Probleme hat Shaun McCarthy eher mit der Frage der Herstellung von | |
| Olympiaverkaufsartikeln. Locog habe sich sehr für bessere Arbeitsrechte | |
| eingesetzt. Aber „unsere Beziehung zum IOC war schwierig“, sagt er. Man | |
| habe gar keine Kontrollmöglichkeiten. „Wir müssen durch konstruktiven | |
| Dialog sehen, wie wir mit Hilfe der Olympiade ethisches Handeln der | |
| weltweiten Konzerne vorantreiben können. Es wäre deshalb gut, wenn das IOC | |
| bessere Richtlinien setzen würde und das IOC eine direkte Beziehung mit den | |
| Lizenzträgern und Fabriken hätte.“ | |
| ## Medaillen: Rio Tinto | |
| Die Metalle für die Olympiamedaillen sponsort der kontroverse Bergbauriese | |
| Rio Tinto. Kampagnenführer aus Utah und der Mongolei sind nach London | |
| gekommen und haben auf Probleme mit Rio Tintos Bergwerken hinwiesen. | |
| Locog-Nachhaltigkeitschef David Stubbs sieht kein Problem: Für das | |
| Kupferbergwerk Kennecott in Utah liege ein Umweltzertifikat vor, | |
| „zusätzlich werden alle Metalle vom neugegründeten Responsible Jewellery | |
| Council zertifiziert“, sagt er.„Wir waren immer davon überzeugt, dass Rio | |
| Tinto die London-2012-Nachhaltigkeitsverpflichtungen einhält.“ | |
| „Hätte Locog mit den Menschen in der Nähe des Bergwerks geredet, hätten sie | |
| ein anderes Bild erhalten“, sagt dazu Brian Moench, Präsident der US-Gruppe | |
| „Utah Ärzte für eine gesunde Umwelt“. Die vom Bergwerk ausgehende | |
| Luftverschmutzung sei für 2.000 Todesfälle pro Jahr in Utah verantwortlich. | |
| Moench hat mit anderen Organisation ein Beschwerdeverfahren angestrengt, da | |
| Rio Tinto die Produktion jetzt erhöhen will. Richard Mylott von der | |
| US-Umweltbehörde EPA (Environment Protection Agency) sagt, man warte noch | |
| auf eine Entscheidung über eine Heruntersetzung der Grenzwerte für die | |
| erlaubte Luftverschmutzung. | |
| Die Umweltschutzorganisation London Mining Network hat auf ihrer | |
| Internetseite ein Belastungsdossier veröffentlicht, in welchem Bergwerke | |
| Rio Tintos’ weltweit aufgezählt werden. Überall werden gravierende | |
| Umweltschäden und Verschmutzungen genannt, dazu Berichte von | |
| Menschenrechtsverletzungen. Rio Tinto war noch im Jahr 2008 so umstritten, | |
| dass Norwegens Regierung die Beteiligung des Konzerns am staatlichen | |
| norwegischen Rentenprogramm verkaufte, da die Mittel dafür ethisch sein | |
| müssen. | |
| ## Schuhe: Adidas | |
| Es gibt noch viele weitere Sponsoren, über die sich kaum eine der | |
| Lobbygruppen lauthals beschwert hat: BMW, Acer, Omega, Panasonic, P&G, | |
| Samsung, Visa, British Airways, Lloyds TSB. | |
| Manche werden sogar gelobt, wie Adidas. Der Sportartikelhersteller habe auf | |
| Berichte der Organisation „Fairplay 2012“ über Hungerlöhne sofort reagiert | |
| und zeige Transparenz, lobt Raz Godelnik von der Umweltorganisation Eco | |
| Libris. | |
| ## Protest mit „Our Olympics“ | |
| „Die Olympischen Spiele sind zum Zirkus der großen Konzerne geworden“, | |
| resümiert Kerry-Ann Mendoza, Sprecherin der Our-Olympics-Gruppe, die mit | |
| der Occupy-Bewegung zusammenhängt. Nichts davon sei illegal, aber es sei | |
| scheinheilig, unethisch und eine „Verkörperung von allem, was falsch und | |
| korrupt in unserer Gesellschaft ist“. Mendoza und ihre Gruppe haben deshalb | |
| zum zivilen Ungehorsam aufgerufen und sehen sich mit Olympia 1968 und der | |
| damaligen Black-Power-Bewegung verbunden. | |
| Für Samstag wollen sie und andere zu einem Massenprotest gegen Olympia | |
| aufrufen. Eine gewaltfreie Protestveranstaltung gab es schon. Im April | |
| besetzte Our Olympics ein Naherholungsgebiet, die Hackney Marshes, mit | |
| ihren Mitgliedern, aus Protest gegen die zeitweilige Errichtung einer | |
| Basketballtrainingshalle, die den Anwohnern den Zugang zu dem Gebiet für | |
| fast ein halbes Jahr verwehrt. Nach der Räumung der Demonstranten wurde die | |
| Halle gebaut. | |
| Kritik an Protestaktionen während der Spiele lässt Mendoza kalt. „Ist das | |
| Leiden eines Athleten, der während eines Wettbewerbs gestört wird, | |
| schlimmer als das der 1.000 Fischer, die BP um ihren Lebenserwerb gebracht | |
| hat?“ | |
| 29 Jul 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Daniel Zylbersztajn | |
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