| # taz.de -- Kolumne Trends und Demut: Zion im explodierenden Damenrock | |
| > Vom Maskottchen bis zum weltgrößten McDonald’s auf dem Areal ist alles | |
| > böse! Böse! Böse! Warum sich einige Briten vor Olympia fürchten. | |
| An meinem Spinning-Kurs bemerke ich die näherrückenden Spiele. Er ist | |
| voller neuer motivierter Menschen. Denn ziemlich viele Londoner freuen sich | |
| tatsächlich auf Olympia. Der Rest ignoriert oder verachtet es. Und seit | |
| diesem Wochenende weiß ich, dass ein ganz kleiner Teil sogar Angst vor den | |
| Spielen hat. | |
| Ich kam in der U-Bahn ins Gespräch mit einem jungen Mann über die Kunst auf | |
| dem Areal, zum Beispiel über Anish Kapoors feuerroten DNA-Turm des Grauens, | |
| „Orbit“. Als ich erwähnte, dass ich schon jetzt ein Fan von Monica | |
| Bonvicinis nachts leuchtender Riesenskulptur „Run“ sei, wurde er still. | |
| Auch er habe ein Foto der Skulptur gesehen. Doch für ihn stecke in dem Wort | |
| eindeutig die imperative Aufforderung, sich schleunigst aus dem Staub zu | |
| machen. | |
| Anscheinend hatte ich damit einen Auslöser gedrückt, denn er gab mir in | |
| einer Kurzfassung zu verstehen, dass Olympia 2012 nichts anderes sei als | |
| eine einzige, große Verschwörungsparade zur feindlichen Übernahme der Welt. | |
| Beim Blick ins Netz tut sich eine ganze Hobbyarmee angstvoller Briten auf, | |
| die in den vergangenen Monaten hauptberuflich mit nichts anderem | |
| beschäftigt waren, als die „wahren“ Zeichen der drohenden Spiele zu | |
| entschlüsseln. | |
| Fazit: Vom Maskottchen bis zum weltgrößten McDonald’s auf dem Areal ist | |
| alles böse! Böse! Böse! Maskottchen Wenlock und Mandeville, zwei einäugige | |
| Klumpen und Symbole für die Stahlindustrie in Bolton, sähen aus wie Aliens. | |
| Weiter geht’s beim Logo: voller bedrohlicher Zeichen! So verberge sich in | |
| der Jahreszahl, 2012, die aussieht wie ein explodierter, pinkfarbener | |
| Damenrock, das Wörtchen „Zion“ und damit der Plan für ein neues Jerusalem. | |
| Dass die Straßen im Radius der Spiele verdächtig nach Bibel klingen (Temple | |
| Mills Lane, Church Road), lässt Verschwörungs-Paranoiker fast in Ohnmacht | |
| fallen. | |
| Auftraggeber der Übernahme seien die Illuminaten oder Megakonzerne, die das | |
| Ganze aussehen lassen wollen wie eine Alieninvasion, um die Welt in | |
| verschreckte Sklaven zu verwandeln. Die Landung des Hollywood-UFOs 1984 zur | |
| Olympiazeremonie in L.A. war nur die Generalprobe! Und natürlich ist auch | |
| der verregnete Sommer Teil des Plans, denn man will uns mithilfe neuster | |
| Wettertechnologie den klaren Blick erschweren. | |
| Doch was soll das ewige Stochern in Verschwörungen, die es nicht gibt? Dass | |
| man auf dem Areal nur mit Visakarte zahlen und sich nur an Pommes von | |
| McDonald’s fett essen darf, ist real! Tausende von Touristen werden Fish | |
| and Chips vertilgen, nur eben ohne die Chips, was in etwa so fatal ist wie | |
| Currywurst ohne Curry. Dem Paranoiker aus der U-Bahn nehme ich übrigens | |
| übel, dass ich bei Bonvicinis Run-Skulptur nun nicht mehr an Katharsis | |
| durch Sport denke, sondern an Katastrophenfilme. | |
| 17 Jul 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Julia Grosse | |
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