# taz.de -- Krieg im Osten des Kongo: Sturm auf Goma | |
> Noch vier rostige Panzer und ein paar hundert betrunkene Soldaten trennen | |
> die M23-Rebellen von der Metropole Goma im Ostkongo. Die Rebellen | |
> trainieren den Häuserkampf. | |
Bild: Die Kämpfer der M23-Rebellen geben sich siegessicher. | |
KONGO taz | „Integrations- und Trainingszentrum Rumangabo“ steht in großen | |
Lettern über dem Eingangsportal. Dahinter erstrecken sich Häuser im | |
belgischen Kolonialstil. Bis vor zwei Wochen war Rumangabo noch Ostkongos | |
größte Militärakademie. Jetzt ist das Gelände auf einem Hügel rund 50 | |
Kilometer von der Provinzhauptstadt Goma eine zentrale Basis der | |
M23-Rebellen. | |
Die Einschusslöcher im Wachturm zeugen noch von dem Gefecht, das hier | |
stattfand. Man wolle nun den Schriftzug in „M23-Trainingszentrum“ umändern, | |
erklärt Oberst Douglas Mpamya: „Wir trainieren unsere Kämpfer in | |
Häuserkampf, um sie auf den Sturm auf Goma vorzubereiten“, sagt er. | |
Rumangabo liegt mitten im M23-Rebellenterritorium im Ostkongo, das immer | |
größer wird. Die im April entstandene Rebellenbewegung hatte Anfang Juli | |
begonnen, aus ihren Basen an der Grenze zu Ruanda vorzustoßen. Nach | |
mehreren erfolglosen Gegenoffensiven der Regierungsarmee kontrolliert die | |
M23 jetzt wieder die Bezirkshauptstadt Rutshuru und das umliegende Gebiet. | |
M23-Oberstleutnant Vianney Kazarama stapft vom Kommandeurshaus in der | |
Militärakademie Rumangabo den Hügel hinunter, Leibwächter im Schlepptau. Er | |
schwingt sich in einen Geländewagen, um „das befreite Territorium zu | |
zeigen“, wie er sagt. Auf der staubigen Piste von Rumangabo nach Rutshuru | |
stehen seine Kämpfer am Straßenrand und salutieren. „Sie sind viel | |
disziplinierter als die Soldaten der Armee“, prahlt Kazarama. | |
## Freiwillige Rekruten | |
In Kiwanja, einem Vorort von Rutshuru, begrüßt Kazarama den | |
Vize-Koordinator des politischen Flügels der M23, Ali Musagara. Dieser | |
trommelt Hunderte Jugendliche auf der Straße zusammen, und hält eine Rede: | |
„Wir rekrutieren niemanden mit Gewalt, sondern wir warten auf euch, dass | |
ihr euch uns freiwillig anschließt.“ Er will damit Berichten unter anderem | |
in der taz entgegentreten, die M23 würde systematisch Jugendliche | |
zwangsrekrutieren. | |
Inzwischen baut die M23 ein eigenes Verwaltungssystem auf. Ministerien | |
entstehen, Vertreter im Ausland ernannt. In Rutshuru werden zentrale Posten | |
wie die Krankenhausleitung und die lokale Verwaltung an loyale Bewerber | |
vergeben. „Jeder ist eingeladen, einer unserer Funktionäre zu werden“, | |
verspricht Musagara. | |
Ein junger Mann meldet sich zu Wort. Er sei Lastwagenfahrer, sagt er, und | |
beschwert sich zaghaft über den 500-Dollar-Wegezoll, den er an der | |
M23-Straßensperre in Rutshuru zahlen muss. Musagara rechtfertigt: Die M23 | |
habe keine Einnahmen, müsse aber ihre Kämpfer versorgen. „Wir sind nicht | |
wie die Soldaten der Armee, die euch ausrauben, wir verlangen eben | |
Steuern“, sagt der M23-Vize. | |
Die Folgen dieses Wegezolls sind in der Provinzhauptstadt Goma zu spüren. | |
Da die meisten Lebensmittel der Stadt aus der fruchtbaren Gegend um | |
Rutshuru kommen, steigen die Preise. Ein Sack Maniok kostete bislang | |
maximal 30 Dollar, jetzt kostet er das Doppelte – auch, weil Zehntausende | |
aus den Dörfern entlang der Frontlinie nach Goma geflüchtet sind. | |
Langsam aber stetig rücken auch die Kämpfer der M23 auf Goma zu. In | |
Kleingruppen hocken sie entlang der Straße aus Rutshuru. In einem Waldstück | |
kurz vor der Siedlung Kibumba, 28 Kilometer vor Goma, rüsten sie sich auf | |
die Attacke. | |
## Betrunkene Soldaten | |
Schwer dürfte es ihnen nicht fallen. Die Einwohner von Kibumba haben | |
bereits ihre Habseligkeiten gepackt und sind nach Goma geflohen. An der | |
Südseite des Dorfes schreitet gerade die Regierungsarmee zum Gegenangriff. | |
Vier alte rostige Panzer rollen auf Kibumba zu, schießen in die Landschaft. | |
Zu Fuß und schwer betrunken marschieren die Soldaten von der „schnellen | |
Eingreiftruppe“ der Regierungsarmee hinterher. Sie grölen und lachen. | |
Einige feuern ziellos. Angeblich haben sie am Morgen ihren Sold ausbezahlt | |
bekommen und das Geld offenbar in Alkohol investiert. | |
Indische Kommandeure der UN-Mission (Monusco), die hier eigentlich | |
gemeinsam mit der Regierungsarmee Goma verteidigen soll, beobachten das | |
kopfschüttelnd. „Die Kongolesen haben ein enormes Problem mit der | |
militärischen Führung, das passiert hier alles unkoordiniert“, sagt einer | |
und befiehlt den kongolesischen Kommandeuren, die Offensive abzubrechen. | |
30 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess | |
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