# taz.de -- Friedenskonferenz in Kampala: Stillhalten am Vulkan | |
> Im Kongo eskaliert die Situation. Trotzdem tut die Regierung, als hätten | |
> sie die Lage unter Kontrolle. Auf die Eskalation folgt eine regionale | |
> Friedenskonferenz. | |
Bild: Sie leiden unter dem Konflikt im Kongo: Flüchtlinge auf dem Weg nach Gom… | |
GOMA/BERLIN taz | Musik dröhnt aus dem Taschenradio, neben einer | |
Cola-Flasche auf dem Tisch liegt ein Taschenbuch über die Geschichte des | |
israelischen Geheimdienstes. Der Frontkommandeur hat es sich gemütlich | |
gemacht. Er sitzt vor einer Holzhütte in der Siedlung Kibumba, deren | |
Einwohner geflohen sind. Es ist die letzte Position von Kongos Armee vor | |
der Provinzhauptstadt Goma. | |
Nur drei Kilometer trennen sie von den ersten Stellungen der | |
ostkongolesischen M23-Rebellen weiter nördlich. Die haben mehrfach mit dem | |
Sturm auf Goma gedroht. Derzeit sagen beide Seiten, sie würden nicht | |
angreifen, solange sich die andere Seite nicht rührt. Es scheint, als seien | |
alle Kriegsparteien in Wartestellung. | |
Die Lage im Herzen Afrikas scheint festgefahren. Das mühsam aufgebaute | |
Vertrauen zwischen Kongo und den östlichen Nachbarn ist dahin. Von Kibumba | |
aus ist die ruandische Grenze nur fünf Kilometer entfernt. Die M23-Rebellen | |
haben ihr Hauptquartier in den Vulkanbergen zwischen Kongo, Ruanda und | |
Uganda. | |
Sowohl Uganda als auch Ruanda haben auf ihrer Seite der Grenze vermehrt | |
Truppen aufgefahren. Kongos Regierung bezichtigt beide Nachbarländer, die | |
M23-Rebellen mit Soldaten, Waffen und Munition zu unterstützen. Uganda und | |
Ruanda sowie die M23 bestreiten dies. | |
## Uganda spielt die Militärmacht | |
Immerhin, die internationale Gemeinschaft übt jetzt gewaltig Druck aus. Am | |
Sonntag beginnt in Ugandas Hauptstadt Kampala ein Staatengipfel der | |
Internationalen Konferenz der Großen Seen (ICGLR) – eine Institution, in | |
welcher elf Länder rund um den Kongo kooperieren. Ugandas Präsident Yoweri | |
Museveni hat eingeladen. Der 68-jährige gilt als Großvater in der Region, | |
Ruandas und Kongos Präsidenten Paul Kagame (54) und Joseph Kabila (41) als | |
seine Ziehsöhne. Zudem spielt sich Uganda gerne als regionale Militärmacht | |
auf. | |
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon wird zum Gipfel erwartet, und im Vorfeld ist | |
US-Außenministerin Hillary Clinton in der Region. Am Freitag reiste sie aus | |
Kampala nach Juba weiter, wo eine weitere Krise schwelt: Südsudan, seit | |
2011 unabhängig, befindet sich im Grenzkonflikt mit dem nördlichen Nachbarn | |
Sudan. Eine Frist des UN-Sicherheitsrats an beide Länder, sich bis zum 2. | |
August zu einigen, ist ergebnislos verstrichen. Von Sanktionen ist aber | |
jetzt keine Rede. Sudan und Südsudan würden jetzt „Kompromisse schließen | |
müssen“, sagte Clinton. | |
Am Donnerstag forderte der UN-Sicherheitsrat, alle Hilfe von außen für die | |
M23 im Kongo einzustellen. Auch das dürfte folgenlos bleiben, denn die | |
Erklärung nennt keine Staaten. | |
## UN kritisiert Ruanda | |
Ein UN-Expertenbericht hatte erst Ende Juni Ruanda entsprechende Vorwürfe | |
gemacht. Ruandas Regierung hat dies zurückgewiesen und ist verärgert, dass | |
unter anderem Deutschland deswegen Budgethilfe ausgesetzt hat. Bei Clintons | |
Gesprächen in Uganda gehe es um „den Schutz von Ruandas Interessen“, | |
zitierte die ruandische Tageszeitung New Times gestern Ugandas | |
Außenminister Okello Oryem. | |
Bereits auf dem Staatengipfel der Afrikanischen Union (AU) vor zwei Wochen | |
hatten Kongo und Ruanda vereinbart, gemeinsame Grenzpatrouillen | |
aufzustellen und eine neutrale internationale Eingreiftruppe in den | |
Ostkongo zu schicken. Auch Ugandas Armeechef Aronda Nyakairima hat | |
gemeinsame Grenzkontrollen vorgeschlagen. | |
In Goma hat die ICGLR eine Geheimdienstzentrale eingerichtet. Alle elf | |
Staaten schicken je zwei Agenten. Ruanda und Kongo etablieren eine | |
gemeinsame Task-Force. Ruandas Geheimdienstchef Emmanuel Karenzi besprach | |
am Sonntag in Goma die Details. | |
Den Präsidenten Kabila und Kagame ist daran gelegen, durch solche Schritte | |
den Eindruck zu erwecken, sie hätten die Lage unter Kontrolle. Doch ein | |
Grundkonflikt bleibt: Kongos Regierung sieht den Krieg im Osten als | |
zwischenstaatlichen Konflikt an – Ruanda und die M23 sagen, das Problem sei | |
innerkongolesisch. | |
Der Name M23 bezieht sich auf das Friedensabkommen vom 23. März 2009 mit | |
Ostkongos letzter Tutsi-Rebellenbewegung CNDP (Nationalkongress zur | |
Verteidigung des Volkes). Die CNDP, heute politische Partei, hat | |
Funktionäre nach Kinshasa geschickt, um die Regierung um eine „Evaluierung“ | |
des Abkommens zu bitten, das schließlich die CNDP unterschrieben habe und | |
nicht die M23. „Wir sind gegen eine militärische Lösung des Konflikts“, | |
sagt zur taz CNDP-Führungsmitglied Emmanuel Kamanzi. Die M23 fordert | |
ihrerseits Verhandlungen. Kongos Regierungssprecher Lambert Mende sagt dazu | |
zur taz: „Wenn wir verhandeln, dann mit Kigali, denn die M23 ist eine | |
Spielfigur Ruandas.“ | |
5 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
S. Schlindwein | |
D. Johnson | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess | |
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