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# taz.de -- Kostenpflichtige Facebook-Alternative: Ausweg aus dem Werbewahnsinn
> Das Projekt App.net will ein soziales Netzwerk aufziehen, das im
> Gegensatz zu Twitter oder Facebook finanziell von seinen Nutzern getragen
> wird. Reklame ist tabu.
Bild: Keine Werbung mehr? Es gibt Internetnutzer, die sich das sogar etwas kost…
Der Entwickler Dalton Caldwell hat Großes vor: Er will mit dem Projekt
[1][App.net] eine kostenpflichtige Alternative zu werbefinanzierten
sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter schaffen. Der 32jährige
Gründer des 2009 von MySpace übernommenen Musikdienstes iMeem hat dazu ein
Crowdsourcing-Projekt gestartet, mit dem 500.000 US-Dollar eingesammelt
werden sollen.
Zum Preis von 50 Dollar im Jahr soll es Zugriff auf das Netzwerk geben,
dass einen Echtzeit-Feed verspricht: Darüber können Nutzer dann Texte,
Bilder, Videos und andere Elemente verbreiten, wie man dies bei Facebook
oder Twitter kennt.
App.net wendet sich dabei vor allem gegen die „werbefinanzierte
Monokultur“, wie es Projektgründer Dalton Caldwell nennt. „Warum gibt es
keine Möglichkeit, Geld zu bezahlen, um einen werbefreien Nachrichtenstrom
von einer Firma zu erhalten? Deren Produkt dann etwas ist, wofür man
bezahlt, statt dass man selbst zum Produkt wird?“ Die ganze Entwicklung
neuer Dienste werde durch die Werbefixierung der Online-Szene gebremst.
„Die besten Köpfe meiner Generation denken darüber nach, wie sie die Leute
dazu kriegen, Werbung anzuklicken. Das ist Mist“, zitiert Caldwell seinen
Bekannten Jeff Hammerbacher, der früher Manager des „Facebook Data Team“
war.
## Zu 90 Prozent werbefinanziert
Und es ist tatsächlich so: Die drei aktuell beliebtesten Anbieter wichtiger
Internet-Dienste, Google, Facebook und Twitter, arbeiten zu 90 Prozent
werbefinanziert. Sie verdienen nur Geld, wenn sie ausreichend Reklame
verkaufen. Das Produkt von Google ist nicht die Suchmaschine, das von
Facebook nicht sein soziales Netz und das von Twitter nicht der
Kurznachrichtendienst. Ihr Produkt ist es, relevante Zielgruppen an
Reklametreibende zu liefern, die dann möglichst zielgenau ihre Anzeigen
schalten können. Entsprechend muss jede Neuerung, die dazu führt, dass
Nutzer einen Dienst stärker verwenden, auch aus dieser Perspektive
betrachtet werden – die möglichst gewinnträchtige Refinanzierung steht
immer im Hintergrund, auch wenn das die hippen Online-Firmen ungern sagen.
Twitter ist ein gutes Beispiel dafür. Der Kurznachrichtendienst lebt seit
seinem Start im Jahr 2006 vor allem von Investorengeldern – zuletzt steckte
ein saudischer Prinz im Dezember schlappe 300 Millionen Dollar in die
Firma. Zum Vergleich: 2011 soll der Umsatz – wohlgemerkt nicht der Gewinn –
verlässlichen Vorhersagen zufolge bei nur maximal 110 Millionen gelegen
haben.
Entsprechend wichtig ist es der Firma nun, endlich Geld zu generieren.
Twitter reagiert auf den Druck, in dem die Werbemöglichkeiten vergrößert
sowie der Dienst zentralisiert wird – möglichst viele User sollen über
offizielle Twitter-Kanäle an ihre Inhalte gelangen, um dort Reklame zu
sehen. Entwickler in Twitters „Ökosystem“ bekommen dies zu spüren, ihre
externen Apps werden womöglich mittelfristig wertlos.
## Die Werbeleute haben gewonnen
Auch das kritisiert App.net-Macher Caldwell: Twitter habe seine Chancen
nicht genutzt, [2][etwas ganz Großes] zu werden. „Ein Ökosystem mächtiger
als Facebook.“ Stattdessen hätten die Werbeleute gewonnen und nicht
diejenigen, die offene Programmierschnittstellen wollten. Caldwell selbst
gibt sich vom Web 2.0 enttäuscht. „Ich habe kein Interesse daran, mich
vollständig aus dem sozialen Web zu verabschieben. Aber bitte, ich will
eine echte Alternative zur Werbehölle. Ich würde äußerst gerne für einen
Dienst bezahlen, der mich besser behandelt.“
Aktuell ist noch unklar, ob das App.net-Projekt wirklich durchstartet. Die
halbe Million Dollar, die Caldwell einsammeln will, ist beileibe noch nicht
erreicht: Aktuell steht die Funding-Uhr bei etwa 285.000 Dollar. Das
Projekt hat allerdings noch bis zum kommenden Montag Zeit, weitere
Unterstützer zu finden.
In Web-Szenekreisen kommt die Idee jedenfalls an – so zahlte etwa der
Gründer der IT-Blogs Gizmodo und Engadget ebenso seinen Anteil wie der
Entwickler der populären iOS-App Instapaper. „Wie alle cleveren Leute
(hoffe ich) habe ich App.net unterstützt“, schreibt letzterer.
9 Aug 2012
## LINKS
[1] http://join.app.net/
[2] http://daltoncaldwell.com/what-twitter-could-have-been
## AUTOREN
Ben Schwan
## TAGS
Schwerpunkt Meta
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