# taz.de -- Energiewende in der IT-Branche: Wie grün ist Facebook? | |
> Das Online-Netzwerk geriert sich als Vorkämpfer für den Klimaschutz. Die | |
> von Facebook ergriffenen Maßnahmen reichen aber noch lange nicht aus. | |
Bild: Was ist hinter dem schönen Schein? Facebooks Energiemix unter der Lupe. | |
BERLIN taz | 269 Gramm Kohlendioxid. Das ist der jährliche CO2-Fußabdruck | |
von Facebook – umgerechnet auf den einzelnen Nutzer. Der Wert entspricht | |
etwa dem eines Latte Macchiato, teilt das Unternehmen in der vergangenen | |
Woche mit. Wem dieses kaffeehaltige Heißgetränk nichts sagt: ein anderes | |
Äquivalent sind drei große Bananen. | |
In einer [1][gemeinschaftlichen Absichtserklärung] haben Facebook und | |
Greenpeace im Dezember 2011 verkündet, die „Entwicklung sauberer und | |
erneuerbarer Energiequellen“ zu fördern. Damit nicht genug, Facebook legt | |
nach: „Unser Ziel ist es, für alle Prozesse in unserem Betrieb saubere und | |
erneuerbare Energie zu verwenden.“ | |
Zurück zu den Bananen. Multipliziert mit den aktuell rund 955 Millionen | |
monatlich aktiven Facebook-Nutzern, ergibt das 2.865.000.000 Bananen. Das | |
entspricht einem Energieverbrauch von 532 Millionen Kilowattstunden bzw. | |
dem Ausstoß von 285.000 Tonnen klimarelevanter Gase (angegeben in | |
CO2-Äquivalenten, die auch andere Treibhausgase wie Methan, Stickoxide und | |
Fluorkohlenwasserstoffe einschließen). | |
Anfang August [2][machte Facebook] den Energieverbrauch und Energiemix von | |
2011 öffentlich: Demnach verwendete das Unternehmen 23 Prozent Erneuerbare. | |
Das Zwischenziel für 2015 lautet „25 Prozent sauberer Strom“. Eine | |
Steigerung von zwei Prozentpunkten in vier Jahren – das klingt nicht nach | |
einer totalen Energiewende. In diesem und im nächsten Jahr wird sich | |
Facebook von seinem 2015-Ziel sogar erstmal weiter entfernen, denn der | |
Kohleanteil wird deutlich ansteigen. | |
## Schmutzfink Amazon | |
Das liegt an zwei riesigen mit Kohlekraft betriebenen Rechenzentren in den | |
USA. Die beiden sind zurzeit nur zu einem Bruchteil ausgelastet, werden | |
aber durch das stark steigende Nutzer- und Datenaufkommen ihren | |
Energieverbrauch bald vervielfachen. David Pomerantz, Sprecher von | |
Greenpeace International für Technologie und „Cool IT“ betont in diesem | |
Zusammenhang die Wichtigkeit des Energieverbrauchs der Rechenzentren, denn | |
dort fallen bei Facebook fast drei Viertel des gesamten Strombedarfs an. | |
Bereits jetzt verschlingen Serverparks weltweit rund zwei Prozent der | |
Energie. Der Bedarf könnte sich bis 2020 vervierfachen, prognostiziert | |
Pomerantz. Gegenüber der taz weist er auf das Problem der geringen | |
Verfügbarkeit sauberer Energie in den USA hin. Facebook weicht unter | |
anderem deshalb ins Ausland aus. In Schweden wird ein mit Wasserkraft | |
betriebenes Rechenzentrum geplant. | |
Als positives Beispiel nennt er Google, das schon im Dezember 2011 genaue | |
Daten zum Energieverbrauch veröffentlichte. Das Unternehmen hat bereits | |
über eine Milliarde Dollar in ressourcenschonende Technologien investiert | |
und kommt den Vorstellungen eines "Green-IT"-Unternehmens ziemlich nahe, | |
sagt der Greenpeace-Sprecher. Der Schmutzfink der Branche sei der | |
Internetversandhändler Amazon. Das Unternehmen, das auch im großen Stil | |
Serverkapazitäten vermietet, deckt seinen Strombedarf zu geschätzten 64 | |
Prozent aus Kohle und Kernenergie. | |
## „Nur ein Teil des ökologischen Fußabdrucks“ | |
Pomerantz beurteilt die Facebook-Maßnahmen so: „Es ist ein guter erster | |
Schritt auf einem langen Weg.“ Genau die gleichen Worte benutzt auch | |
Siegfried Behrendt vom Institut für Zukunftsstudien und | |
Technologiebewertung (IZT) in Berlin. Um eine sinnvolle Bewertung von | |
Unternehmen zu erreichen, fordert er zudem ein staatlich-gefördertes | |
Langzeitmonitoring von Konzernen. Nur so könne man „die Reaktionen auf die | |
Entwicklungsdynamik des stetig wachsenden Sektors dokumentieren und | |
Greenwashing von ernstgemeinten Maßnahmen dauerhaft unterschieden“. | |
Behrendt hält die Branche der Informations- und Kommunikationstechnologie | |
aus drei Gründen für besonders relevant: „Sie wächst schnell, ist | |
klimarelevant und besitzt erhebliche Einsparkapazitäten.“ | |
Der Projektleiter der Arbeitsgruppe „Ökologisches Wirtschaften“ kann aber | |
in den Bemühungen von Facebook „noch keine anspruchsvolle grüne Strategie“ | |
erkennen. Auch dem Unternehmen ist klar, dass „die veröffentlichen Daten | |
nur ein Teil des ökologischen Fußabdrucks“ beschreiben. Deshalb will man | |
auch „in anderen Feldern Daten erheben und neue Sparpotenziale nutzen“. | |
## Ein guter Ansatz | |
Karsten Greye, Analyst für IT und Software Services bei Oekom, bemängelt | |
ebenfalls das Fehlen eines klaren Plans. Und nicht nur das: Facebook gibt | |
zwar den Stromverbrauch seiner Rechenzentren an, sagt aber nicht, mit | |
welchen Datenmengen dieser verursacht wird. So fehlt mit der Relation von | |
Verbrauch und Leistung ein wichtiges Bewertungskriterium für Ressourcen | |
schonendes Handeln, sagt Greye. Neben dem Strom seien auch andere Aspekte | |
wie Wasserverbrauch und Abfallwirtschaft wichtig − Angaben dazu fehlen | |
völlig. | |
Erst mit diesen Zahlen ist ein Rating der Energieeffizienz möglich, betont | |
Greye. Er beurteilt Facebooks Bemühungen gegenüber der taz so: „Das ist ein | |
guter Ansatz, aber es fehlen noch 80 Prozent der notwendigen Daten. Es | |
handelt sich also um eine vollkommen unterentwickelte Gesamtschau.“ | |
Oekom bewertet nicht nur die Energieeffizienz eines Unternehmens, sondern | |
die gesamte „Nachhaltigskeits-Performance“. In diese fließen auch soziale | |
Kriterien, wie Arbeitszufriedenheit und Gleichberechtigung sowie der Umgang | |
mit gesellschaftlich relevanten Themen wie Menschenrechte, Meinungsfreiheit | |
und Datenschutz ein. | |
## Bananen einsparen | |
Mit Blick auf die Konkurrenz fügt Greye hinzu: „Andere Firmen aus dem | |
IT-Bereich in Silicon-Valley sind da schon wesentlich weiter.“ Welche, will | |
er nicht sagen, die kostenpflichtige Bewertung von Unternehmen nach | |
Umweltkennzahlen und ökologischen Trends ist schließlich das Kerngeschäft | |
seines Unternehmens. | |
[3][Die Selbstdarstellung von Facebook] suggeriert hingegen, dass das | |
Unternehmen bei Innovationen im Nachhaltigkeitsbereich mitführend ist. Dazu | |
passt eine weitere Aussage aus der Absichtserklärung: Die Firma will „neue | |
Entwicklungen und Erfahrungen darstellen und so Menschen und Organisationen | |
helfen, Energie zu sparen“ – das ganze selbstverständlich auf Facebook. | |
Wie schnell und konsequent die Betreiber des Sozialen Netzwerks den Umbau | |
zu einem „Green-IT“-Konzern umsetzen, wird auch von Unternehmen, die | |
Anlageberatungen im Bereich Nachhaltigkeit durchführen, genau beobachtet | |
werden. Nach dem ersten Börsenjahr wird dann eine kritische Beurteilung | |
stattfinden. Bis Facebook komplett auf alternative Energien umgestellt hat, | |
wird noch viel Zeit vergehen − es gibt noch viele Bananen einzusparen. | |
13 Aug 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://www.greenpeace.org/international/Global/international/publications/c… | |
[2] http://newsroom.fb.com/News/Sharing-Our-Footprint-19c.aspx | |
[3] http://newsroom.fb.com/sustainability.aspx | |
## AUTOREN | |
Patrick Loewenstein | |
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