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# taz.de -- Debatte US-Stimmrechtsvorschriften: Alternative zum Wahlbetrug
> Mit neuen, restriktiven Wahlgesetzen versuchen die Republikaner in den
> USA die Geringverdiener vom Wählen abzuhalten. Angeblich, um Wahlbetrug
> zu verhindern.
Bild: Wenn Sie für Obama sind, sollen sie lieber nicht wählen: US-Bürger in …
Hunderte Millionen Dollar fließen in den US-Präsidentschaftswahlkampf. Den
Spendern sind kaum Grenzen gesetzt. Dem Wähler und der Wählerin schon.
Republikanische Politiker wollen jetzt potenziell „falsch“ Abstimmenden die
Türe vor der Nase zuknallen. Vor allem möglichst vielen Afroamerikanern und
Latinos, die Barack Obama 2008 zum Sieg verholfen haben. Nur 43 Prozent der
Weißen stimmten damals für den Schwarzen. Sollte die Wahl am 6. November
knapp ausgehen, könnten verschärfte Stimmrechtsvorschriften Obama das Amt
kosten.
In den USA entscheidet jeder der 50 Bundesstaaten größtenteils selbst über
„sein“ Prozedere. Allgemein aber gilt: Wer wählen will, muss sich zuvor
registrieren lassen bei der örtlichen Wahlbehörde. Danach bekommt er eine
Wählerkarte. Erstwähler, die sich per Post registriert haben, müssen zudem
einen Ausweis oder eine Rechnung mit Namen und Adresse mitbringen.
Mit viel Energie arbeiten republikanisch regierte Bundesstaaten gegenwärtig
an Maßnahmen, die Stimmabgabe zu erschweren. Vor allem mit zusätzlicher
Ausweispflicht, aber auch durch umstrittene „Säuberungen“ von Wählerlisten
und durch Begrenzen des „early voting“, bei dem man die Stimme bereits Tage
oder Wochen vor dem Wahltag abgeben kann.
Nach Angaben des Wahlforschungsinstituts „Brennan Center for Justice“ an
der New Yorker Universität haben seit vorigem Jahr 19 Staaten 24
restriktive Stimmrechtsgesetze beschlossen. Angeblich, um Wahlbetrug zu
verhindern. In 16 der 19 Staaten regieren republikanische Gouverneure. Er
wisse von zahlreichen Betrugsfällen in Texas, begründete der dortige
Justizminister Greg Abbott. Beispielsweise habe eine Tochter im Namen ihrer
verstorbenen Mutter mit abgestimmt.
Manchmal verplappert sich ein Befürworter, besonders auffällig kürzlich der
inzwischen viel zitierte Chef der republikanischen Landtagsabgeordneten im
Bundesstaat Pennsylvania, Mike Turzai. Ein neues Gesetz in Pennsylvania
werde „es Gouverneur Romney erlauben, den Staat Pennsylvania zu gewinnen“,
sagte der Politiker. Denn de facto richtet sich die Ausweispflicht gegen
Afroamerikaner, Latinos und Menschen am unteren Rand des wirtschaftlichen
Spektrums. Also Leute, die eher demokratisch wählen.
Die neuen Gesetze wie das in Pennsylvania schreiben vor, dass die
Wählerinnen und Wähler bei der Stimmabgabe einen amtlichen Lichtbildausweis
vorlegen. Ausweis zeigen beim Urnengang klingt eigentlich gar nicht so
abwegig. Doch im amerikanischen Kontext ist das problematisch: In den USA
gibt es keinen nationalen Personalausweis. Am weitesten verbreitet als
Ausweis ist der Führerschein.
## Millionen ohne Ausweis
Viele Millionen US-Amerikaner wandeln ohne Ausweis durchs Leben. Das mag
überraschen, kann man doch ohne Ausweis kaum ein Bankkonto aufmachen und
kein Flugzeug besteigen. Aber Millionen Amerikaner haben kein Bankkonto.
Genauer: 7,7 Prozent der US-Haushalte mit insgesamt 17 Millionen
Erwachsenen in diesen Haushalten lebten ohne eines (Federal Deposit
Insurance Company 2009). Vor allem die Geringverdiener. Die haben auch kein
Geld zum Fliegen.
Geschätzt werde, dass etwa ein Viertel der Afroamerikaner, 16 Prozent der
Latinos und 11 Prozent der Gesamtbevölkerung keinen von der Regierung
ausgestellten Lichtbildausweis besitzen, berichtete das Politmagazin The
New Republic. In Pennsylvania haben 9,2 Prozent der „registrierten Wähler“
keinen Führerschein. In Pennsylvanias größter Stadt Philadelphia, einer
demokratischen Hochburg mit 44 Prozent Afroamerikanern, besaßen 18 Prozent
keinen gültigen Ausweis.
Auch in Texas wird vor Gericht gestritten über die Verfassungsmäßigkeit der
dortigen Ausweispflicht, beschlossen 2011 vom republikanischen Gouverneur
Rick Perry. US-Justizminister Eric Holder erklärte zur demonstrativen
Entrüstung der texanischen Politiker, Texas erhebe mit dem Gesetz eine
„Kopfsteuer“, denn ein Ausweis koste Geld. Die berüchtigte Kopfsteuer gab
es Anfang des 20. Jahrhunderts in Texas und andere Bundesstaaten vor allem
im Süden der USA. Die unteren Einkommensgruppen, und somit auch viele
Afroamerikaner, sollten ferngehalten werden. 1966 setzte das Oberste
US-Gericht die Kopfsteuer außer Kraft.
## Betrug ohne Beweise
Die Befürworter der Wahlbehinderungsgesetze haben ein großes Problem: Sie
tun sich schwer mit Beweisen für „massiven Wahlbetrug“. Der texanische
Fernsehsender KHOU hat sich bei der Staatsanwaltschaft des Bundesstaates
erkundigt: Seit 2002 habe man sich dort mit 62 Fällen des Wahlbetrugs
befasst, antwortete das Büro. Nicht sonderlich beeindruckend: Von 2002 bis
2012 seien bei Wahlen in Texas 40 Millionen Stimmen abgegeben worden. In
Pennsylvania sieht es ähnlich aus: Dort musste die Regierung einräumen,
dass ihr kein einziger Fall bekannt sei, bei dem jemand unter einem anderen
Namen sein Kreuzchen gemacht habe.
In den USA stellt die wirtschaftliche und politische Elite schon lange eine
bemerkenswerte Flexibilität unter Beweis, bei Wahlen immer wieder neue
gesellschaftliche Strömungen zu integrieren und irgendwie „neu“ anzufangen.
Nach dem korrupten Richard Nixon kam der bibelfeste Jimmy Carter. Der etwas
glücklose Carter wurde abgelöst von Ronald „Es ist wieder Morgen in
Amerika“ Reagan.
Der Mann aus Hollywood brachte eine härtere kapitalistische Gangart;
Amerika sollte sich im Kalten Krieg durchsetzen. Nach Reagan kam dessen
Vize George Bush als Statthalter. Danach Bill Clinton, der „Mitgefühl“
verstrahlte, während er den brüchigen Sozialstaat abbaute. Dann George W.
Bush, der den Karren so weit in den Dreck fuhr, dass Platz wurde für Barack
Obama. Eigentlich hat der seinen Job gut gemacht, den Kapitalismus gerettet
usw.
Doch die wirtschaftliche Elite setzt die Ellenbogen ein. Man will jetzt
mehr. Und den Sozialkonservativen gehen die Veränderungen zu weit mit
Homoehe, multireligiösem Amerika und dem schwarzen Präsidenten. Die neuen
Wahlgesetze sollen bremsen.
12 Aug 2012
## AUTOREN
Konrad Ege
## TAGS
Schwerpunkt USA unter Donald Trump
Schwerpunkt USA unter Donald Trump
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