Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Debatte Syrien und Hisbollah: Es hat sich ausgesiegt
> Die Hisbollah zahlt einen hohen Preis für ihr Bündnis mit Assad. Schon
> jetzt gehört sie zu den Verlierern des Arabischen Frühlings.
Bild: Hisbollah-Anführer Hassan Nasrallah per Videobotschaft in Beirut.
„Die Hisbollah ist die Siegerin.“ Dieser koranische Vers steht ganz oben
auf der Fahne der schiitischen Partei geschrieben. Diese Siegesgewissheit
gehört zu den festen Überzeugungen sowohl der Führung als auch der Basis
der Gottespartei. Sie nährte sich seit Anfang der 1980er Jahre aus den
Erfolgen der Partei in ihrer Auseinandersetzung mit Israel, das bisher
damit scheiterte, die schiitische Miliz zu zerschlagen.
Bis zum Anbruch des Arabischen Frühlings genoss die Hisbollah eine hohe
Popularität in der ganzen arabischen Welt. Sie wurde besonders nach dem
syrischen Abzug aus Libanon im April 2005 und der letzten israelischen
Intervention 2006 zu einem der wichtigsten Akteure der regionalen Politik
und zum Eckpfeiler der Achse Damaskus–Teheran–Hamas. Dies hat zur Legende
von der Unbesiegbarkeit der Partei beigetragen und zugleich eine arrogante
Haltung ihrer Führung befördert.
Diese goldene Zeit endete jedoch mit dem Ausbruch des syrischen Aufstands,
der das reaktionäre Wesen der Hisbollah entlarvt hat. Die schiitische
Partei, die die Revolutionen in Ägypten, Tunesien und Bahrain frenetisch
bejubelte, ergriff für die syrische Diktatur Partei. Sie missachtet die
Bestrebungen der Mehrheit der Syrer nach Demokratie und Menschenwürde und
bezichtigt alle Gegner des Assad-Regimes pauschal, Handlanger einer
sogenannten zionistisch-amerikanischen und islamistischen Verschwörung
gegen Syrien zu sein.
## Auf dem syrischen Auge blind
Dass die Hisbollah auf dem syrischen Auge total blind ist, erklärt sich
nicht nur aus ihrer langfristigen Kollaboration mit der Assad-Dynastie und
aus der Bedeutung Syriens als unverzichtbare Brücke für den Transport der
iranischen Waffen nach Libanon. Die Positionierung der Hisbollah für die
syrische Diktatur resultiert vielmehr aus einem Komplex von Faktoren, die
mit der Ideologie der Partei, mit ihrer innenpolitischen und regionalen
Rolle zusammenhängen.
Dazu gehört an erster Stelle die Unfähigkeit, die gegenwärtigen politischen
Umwälzungen in der arabischen Welt adäquat wahrzunehmen. Die Hisbollah
sieht alle politischen Probleme durch das Prisma einer ewigen Konfrontation
mit den USA und Israel.
Obwohl sich die Hisbollah als „islamischer Widerstand“ definiert und als
Partei der entrechteten Schiiten in Libanon versteht, war sie seit ihrer
Gründung 1982 durch das iranische Regime eine konservative Partei, die
geistig, politisch und finanziell von Teheran abhängig ist.
Während ihres erfolgreichen Kampfs gegen die israelische Besetzung
Südlibanons (1982 bis 2000) errang die Gottespartei eine gewisse politische
Legitimation und Akzeptanz unter der Mehrheit der Libanesen. Dieser Zustand
änderte sich jedoch als Israel abzog, nachdem die schiitische Partei ihre
Waffen behielt und so ihre politische Hegemonie in Libanon als
konfessionelle Partei durchsetzte. Die Partei wurde im letzten Jahrzehnt
primär zur Vorhut der iranischen Expansion in der arabischen Welt.
## Gleichgewicht gestört
Die Abhängigkeit der Hisbollah von ihren iranisch-syrischen Mentoren ging
zulasten des inneren politischen und konfessionellen Gleichgewichts in
Libanon. Das Land wurde wieder zum Schauplatz der Machtkämpfe zwischen Iran
und Saudi-Arabien, das das aus Sunniten und einem Teil der Christen
bestehende prowestliche Lager unterstützt.
Weil es ihr bisher nicht gelang, die Opposition niederzuwerfen, ist die
syrische Diktatur in vollständige Abhängigkeit von der Hisbollah und von
Iran geraten. Die Hamas-Organisation, die der Achse Teheran–Damaskus eine
sunnitische und nationalarabische Rückendeckung gab, ging aufgrund der
Erfolge der sunnitischen muslimischen Bruderschaft vor allem in Ägypten und
Tunesien auf Distanz zum syrischen Regime und darüber hinaus zur Hisbollah.
Der syrische Präsident verfolgt deshalb eine neue, offen konfessionelle
Politik. Er will das von ihm erzwungene Bündnis der Minoritäten aus
Alawiten, Christen und Drusen gegen die syrische sunnitische Mehrheit auf
die ganze Region und vor allem auf Libanon ausdehnen.
Das Land scheint jetzt dazu verdammt zu sein, für die schweren Folgen des
fortschreitenden Bürgerkrieges in Syrien zu zahlen. Dafür trägt die
Hisbollah die Hauptverantwortung. Die politische Spannung zwischen
Anhängern und Gegnern des syrischen Regimes hat wieder die Frage der
Bewaffnung der Hisbollah in den Vordergrund der politischen
Auseinandersetzungen gestellt.
Durch die zunehmende Polarisierung zwischen Schiiten, die unter der
Kontrolle der Hisbollah stehen, und Sunniten, die sich mit der syrischen
Opposition solidarisieren, hat sich zuletzt die Gefahr eines Bürgerkriegs
in Libanon wieder einmal dramatisch erhöht. Davon zeugt die Zunahme des
Einflusses der sunnitischen extremistischen und salafistischen
Randgruppierungen, die von der prosyrischen Haltung der Hisbollah
profitieren und den syrischen Aufstand als Konfrontation zwischen Alawiten
und Sunniten darstellen.
## Bürgerkrieg in Libanon
Die Hisbollah, die immer noch im Konflikt mit Israel in Südlibanon allein
über Krieg und Frieden entscheiden kann, macht darüber hinaus die
Stabilität des Zedernlandes von der Lösung des iranischen Atomkonflikts und
des Machterhalts des Assad-Regimes abhängig. Die Gefahr, dass die Hisbollah
die israelisch-libanesische Front anheizt, um die Weltöffentlichkeit von
den Massakern des syrischen Regimes abzulenken, ist sehr ernst zu nehmen.
Damit setzt sie nicht nur das Schicksal der Schiiten in Libanon aufs Spiel,
sondern ihre eigene Existenz.
Die Entführung von 11 schiitisch-libanesischen Pilgern am 22. Mai in Syrien
und die Ausweisung von Libanesen schiitischer Abstammung aus den
Golfmonarchien zeigen, dass der Kurs der Hisbollah für ihre Basis
allmählich zur Last geworden ist.
Durch ihre Solidarisierung mit der untergehenden syrischen Diktatur
schaufelt die Gottespartei langsam ihr eigenes Grab. Bislang hat sie
mehrere Kriege mit Israel überlebt. Ob sie jedoch ihre eigene
Fehlinterpretation des arabischen demokratischen Umbruchs überstehen wird,
ist fraglich.
13 Aug 2012
## AUTOREN
Abdel Mottaleb El Husseini
## TAGS
Schwerpunkt Syrien
Maghreb
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Aus Le Monde diplomatique: Helden oder Terroristen
Der Syrienkonflikt polarisiert. Im sunnitischen Maghreb haben Assad und die
Hisbollah viele Unterstützer. Wie erklärt sich das?
Debatte Fanatismus: Fanatiker haben Geschichte
Ja, die Proteste wegen des Mohammed-Videos waren blutig. Doch haben sie
weder die Meinungsfreiheit im Westen bedroht noch die Arabellion.
Syrische Minderheit in Israel: Mein Land ist Syrien
1981 hat Israel die Golanhöhen annektiert. Die dort lebenden Drusen
verstehen sich als Syrer. Der Rückhalt für Assad ist bröckelig geworden.
Entführte Libanesen in Syrien: Als Geiseln bei den Rebellen
Elf schiitische Libanesen sind in den Händen der Freien Syrischen Armee.
Die Entführer fordern, dass die Hisbollah ihre Unterstützung für Präsident
Assad aufgibt.
Die Lage in Syrien: Keine Flugverbotszone – noch nicht
Der frühere syrische Ministerpräsident spricht vom Zusammenbruch seines
Landes. Die USA sind vorerst gegen eine Flugverbotszone. Die Gefechte gehen
derweil weiter, wieder starben Dutzende.
An der Grenze zwischen Syrien und Türkei: Jede Minute zählt
Der Krieg in Syrien hat längst die türkische Grenze erreicht. Krankenwagen
dürfen nicht rüber, bei einem türkischen Arzt klingelt das Telefon im
Minutentakt.
Bürgerkrieg in Syrien: Islamische Regierungen tagen in Mekka
Die Mitgliedsländer der Organisation der Islamischen Konferenz wollen
Syrien aus der Gruppe ausschließen. Nur die iranische Regierung will das
nicht. Valerie Amos reist nach Syrien.
Bürgerkrieg in Syrien: Rebellen schießen Kampfjet ab
Im Osten Syriens haben die Rebellen angeblich einen Kampfjet der Luftwaffe
abgeschossen. Entwicklungsminister Niebel sagt Jordanien Unterstützung bei
der Versorgung der Flüchtlinge zu.
Bürgerkrieg in Syrien: Diplomat für Menschenrechte gibt auf
Der syrische UN-Diplomat für Menschenrechte ist zur Opposition
übergelaufen. Aus Aleppo sind Videos aufgetaucht, die angeblich von
Rebellen begangene Gräueltaten zeigen.
Debatte Zukunft Syriens: Assad muss bleiben
Die Mullahs sind dem syrischen Regime ohne Wenn und Aber verbunden. Wenn es
fällt, verlieren sie ihre Machtstellung in der Region. Ein Bürgerkrieg
nützt ihnen.
Syrische Flüchtlinge im Libanon: Gestrandet ohne alles, aber sicher
Im kleinen Nachbarland Libanon finden die Syrer Zuflucht. Sie werden von
Hilfsorganisationen mit dem Nötigsten versorgt. Ihre Zukunft ist ungewiss.
Kommentar Hisbollah und EU: Schlimmer als ein Verbrechen
Die EU weigert sich, die Hisbollah als das zu bezeichen was sie ist: Eine
Terrororganistion. Das ist doppelt verhängnisvoll.
Die verborgene Zivilgesellschaft in Syrien: „Im Krieg ist Kunst kein Luxus“
Es gibt im Untergrund Führungsfiguren und Basisgruppen, die im neuen Syrien
eine Rolle spielen werden, meint Mohammad al-Attar. Ein Gespräch mit dem
Schriftsteller.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.