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# taz.de -- Staatskrise in Rumänien: Machtkampf wird schmutziger
> Ob das Referendum über die Amtsenthebung des rumänischen Präsidenten
> gültig ist, muss das Verfassungsgericht entscheiden. Warnungen vor einem
> Bürgerkrieg werden laut.
Bild: Kämpft mit harten Bandagen: der abgesetzte Präsident Traian Basescu.
BERLIN taz | Die Schlammschlacht um den Ausgang des Referendums über die
Amtsenthebung des rumänischen Staatspräsidenten Traian Basescu geht weiter:
Einen zweiten Volksentscheid werde es nicht geben, erläuterte der Minister
für die Beziehungen der Regierung zum Parlament, Dan Sova. Die einzige
theoretische Möglichkeit, wieder eine Volksbefragung durchzuführen, käme
nur nach einer erneuten Suspendierung von Basescu zustande, sagte er in
einem am Mittwoch von Radio France Internationale ausgestrahlten Interview.
Das Referendum am 29. Juli war an dem festgelegten Teilnahmequorum von 50
Prozent plus einer Wählerstimme gescheitert. An der Abstimmung hatten sich
von 18.308.612 Wählern 46,13 Prozent beteiligt. Davon hatten 87,55 Prozent
gegen den Verbleib Basescus im Amt gestimmt.
Bei dem Streit geht es darum, ob die Zahl der in die Wählerlisten
eingetragenen Personen tatsächlich mit der ursprünglich angegebenen Zahl
der Wahlberechtigten von 18.308.612 übereinstimmt oder ob hier nicht jemand
zugunsten von Basescu geschummelt hat. Das Verfassungsgericht soll nun das
Zahlenrätsel durch ein Urteil am 21. August lösen und das Referendum für
gültig oder ungültig erklären. Bis dahin soll die Regierung der
Aufforderung des Gerichts nachkommen und die überprüften Wählerlisten
vorlegen. Die Regierung erwartet, dass die Richter eine niedrigere
Wählerzahl als richtig anerkennen, um so das festgelegte Quorum zu
erreichen.
Der Konflikt zwischen den Anhängern des suspendierten Präsidenten und dem
Regierungslager sowie Interimspräsident Crin Antonescu hat inzwischen auch
die Oberjuristen des Verfassungsgerichts entzweit. Dies ist in erster Linie
eine Folge der fragwürdigen Prozeduren zur Ernennung dieser Richter. Die
Berufungen erfolgen nämlich aufgrund von Vorschlägen des Präsidenten und
der einzelnen politischen Parlamentsparteien. Im Falle eines Rechtsstreits
setzen alle auf die Unterstützung ihrer Günstlinge im Gericht.
## Abgörte Telefongespräche
Wie rechtsstaatlich problematisch das Vorgehen rumänischer Justizbehörden
ist, zeigte sich auch vor wenigen Tagen. Da tauchten plötzlich
Abhörprotokolle von Telefongesprächen auf, die der zurückgetretene
Innenminister Ioan Rus und sein für Verwaltungsfragen zuständiger
Stellvertreter Victor Paul Dobre geführt haben sollen. Die beiden Minister
sollen sich geweigert haben, die für das Verfassungsgericht bestimmte
Wählerstatistik zu manipulieren.
In einem Telefonat mit Dobre wird diesem von einem Gesprächspartner
empfohlen, sich schleunigst von der „kriminellen Vereinigung“ zu
verabschieden, die derzeit an der Regierung ist. Innenminister Rus soll
laut den von der Staatsanwaltschaft der Basescu-freundlichen Presse
zugespielten illegalen Abhörprotokollen gesagt haben, er werde an den
Wahllisten keine Veränderungen vornehmen, denn er wolle nicht ins Gefängnis
gesteckt werden.
Über das zweifelhafte Vorgehen der Staatsanwaltschaft, die sich vermutlich
auf die von Geheimdiensten angefertigten Abhörprotokolle stützt, um der
Regierung versuchte Wahlmanipulation nachzuweisen, scheint sich in Rumänien
keiner aufzuregen. Das rechtsstaatlichen Normen zuwiderlaufende
staatsanwaltliche Handeln munitioniert allerdings die auf Hochtouren
laufenden Propagandamaschinen der verfeindeten Lager.
Interimspräsident Crin Antonescu bezeichnete die Protokolle als Versuch der
Basescu-hörigen Staatsanwälte, die Regierung anzuschwärzen und ihr
strafbare Handlungen zu unterstellen. Die Anhänger des suspendierten
Präsidenten sprechen von einer nachhaltigen Schädigung des Ansehens
Rumäniens und beschwören in apokalyptischen Bildern, dass ein von der
Regierung zu verantwortender Bürgerkrieg bevorstehe.
15 Aug 2012
## AUTOREN
William Totok
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
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