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# taz.de -- Referendum in Rumänien: Basescus Zuversicht schwindet
> Am Sonntag sollen die Rumänen darüber abstimmen, ob Präsident Traian
> Basescu im Amt bleibt oder nicht. Dessen Partei ruft zum Boykott der
> Abstimmung auf.
Bild: Hier geht es nicht um die Iszenierung von Sport, sondern von Politik: Bas…
BERLIN taz | Die dem suspendierten rumänischen Präsidenten Traian Basescu
nahestehende Liberal-Demokratische Partei (PDL) hat zu einem Boykott der
Volksbefragung am Sonntag aufgerufen. Die Rumänen sollen darüber abstimmen,
ob Basescu Staatschef bleibt oder gehen muss. Falls er verliert, werden
voraussichtich im September Neuwahlen stattfinden.
Noch vor wenigen Tagen erklärte Basescu persönlich, er werde sich am
Plebiszit beteiligen und riet den Stimmberechtigten seinem Beispiel zu
folgen. Inzwischen scheint die Zuversicht auf einen Wahlerfolg im
präsidialen Lager verschwunden zu sein. Dies belegen auch die jüngsten
Umfragen. 72,08 Prozent der Stimmberechtigten erklärten, sie würden für
eine Amtsenthebung stimmen. Nur 27,92 Prozent sprachen sich für einen
Verbleib Basescus an der Spitze des Staates aus.
Der Strategiewechsel der Basescu-Partei PDL, die nun auf Boykott setzt, ist
auf eine arithmetische Berechnung zurückzuführen, deren Tücken im
Wahlgesetz liegen. Die Volksbefragung ist nur dann gültig, wenn sich 50
Prozent plus einer der Stimmberechtigten am Urnengang beteiligen. Liegt die
Beteiligung darunter, kann Basescu wieder seinen Platz im Präsidialpalast
einnehmen.
Dieses Szenario rief bei dem bekannten Historiker Marius Oprea beklemmende
Visionen hervor. Diese beschreibt er in einem Zeitungsinterview als
hartnäckige Fortsetzung des „Krieges“, den Basescu schon vor Jahren dem
Parlament erklärt hatte. Oprea, der 2006 das Institut für die Erforschung
der Verbrechen des Kommunismus (IICCR) gründete, wurde auf Betreiben der
regierenden PDL 2009 als Leiter entlassen und durch einen Vertrauten
Basescus ersetzt. Gegen diese Amtsenthebung protestierte seinerzeit auch
die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller.
Nachdem im Frühjahr die PDL-Regierung durch ein Misstrauensvotum der
Sozial-liberalen Union (USL) gestürzt wurde, erhielt Oprea wieder einen
Posten in dem Institut.
## Umbesetzungen überall
Umbesetzungen dieser Art wurden in zahlreichen staatlichen
Verwaltungsgremien im ganzen Land vorgenommen. Die PDL-Leute wurden im
Eilverfahren durch Leute ersetzt, die dem aus den Sozialdemokraten des
Premiers Victor Ponta und den Liberalen des interimistischen Präsidenten
Crin Antonescu bestehenden USL-Bündnis nahestehen.
Diese in Rumänien bereits in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen
eingebürgerten, unlauteren Praktiken wurden immer wieder kritisiert -
diesmal auch auf europäischer Ebene. An einer Änderung scheint vor Ort aber
niemand interessiert zu sein, denn es geht immer nur um Pfründe, eigene
Vorteile und Machtansprüche der Parteien, die die Schalthebel in ihren
Händen halten.
Oprea veröffentlichte Anfang dieser Woche ein Buch mit dem bezeichnenden
Titel, „Das wahre Gesicht des Traian Basescu“. Die 2. Auflage des sofort
zum Bestseller aufgerückten Buches wurde am Donnerstag ausgeliefert. Es ist
eine Abrechnung mit den dunklen Seiten der Vergangenheit Basescus während
der kommunistischen Diktatur. Aber auch seine Tätigkeit als
Verkehrsminister in der Nachwenderegierung der postkommunistischen "Front
zur Nationalen Rettung" wird gestreift.
Die politischen Ableger der später in zwei Gruppierungen zersplitterten
Front, sind die beiden Parteien, die sich heute unversöhnlich
gegenüberstehen und im Wahlkampf mit unhaltbaren und politisch unwürdigen
Argumenten, Vorwürfen und Unterstellungen gegenseitig zerfleischen: die
Liberaldemokratische Partei (PDL) von Präsident Basescu und die
Sozialdemokratische Partei (PSD) von Premier Ponta. An diesen politischen
Gepflogenheiten wird auch der Ausgang des Referendums kaum etwas ändern.
28 Jul 2012
## AUTOREN
William Totok
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