Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Rumänien und die Demokratie: Brüssel schimpft
> Rumäniens Premier Victor Ponta kommt nach Brüssel und muss seinen Umgang
> mit dem Präsidenten und dem Verfassungsgericht erklären. Sanft waren die
> EU-Politker nicht.
Bild: Victor Pontas Politik wird von Brüssel überprüft.
BRÜSSEL taz | Es ist fast ein Déjà-vu: Wie noch der ungarische
Premierminister Victor Orbán vor einigen Monaten kam nun der rumänische
Regierungschef Victor Ponta nach Brüssel, um den Europäern die Innenpolitik
seines Landes zu erklären. Wieder werden Hände vor EU-Fahnen geschüttelt
und Nettigkeiten ausgetauscht. Wie einst Orbán versicherte nun auch Ponta,
dass seine Regierung europäische Standards und Rechtsstaatlichkeit
vollkommen respektiere.
Daran waren Zweifel aufgekommen, nachdem seine Mitte-links-Regierung ein
Amtsenthebungsverfahren gegen den konservativen Staatspräsidenten Traian
Basescu eingeleitet hatte. Kritiker werfen Ponta überdies vor, die
Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts einzuschränken.
Einen Unterschied gibt es allerdings zwischen dem Umgang mit den beiden
Premierministern in Brüssel: Gegenüber dem konservativen Ungarn hatte vor
allem der sozialdemokratische Präsident des Europäischen Parlaments, Martin
Schulz, Sanktionen gefordert. Die von konservativen Politikern dominierte
EU-Kommission hingegen hielt sich lange zurück – genauso wie die meisten
EU-Mitgliedsstaaten.
Diesmal sind es die konservativen Vertreter aus EU-Rat und -Kommission, die
härter mit dem rumänischen sozialdemokratischen Regierungschef zu Gericht
gehen. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy forderte am Donnerstag vehement
„Erklärungen“ von Ponta für sein Vorgehen zu Hause. EU-Justizkommissarin
Viviane Reding drohte sogar damit, dass ein seit dem EU-Betritt Rumäniens
im Jahr 2007 laufendes Überwachungsverfahren um „mehrere Jahre“ verlängert
werden könnte.
## EU prüft Rechtsstaatlichkeit
In dem Verfahren prüft die EU-Kommission die Fortschritte bei der
Rechtsstaatlichkeit sowie beim Kampf gegen Korruption und organisierte
Kriminalität. Von dem Ergebnis hängt es ab, ob und wann Rumänien dem
Schengen-Raum beitreten kann: „Ich bin ernsthaft besorgt über die sich sehr
rasch entwickelnde Lage“, sagte Reding in Brüssel.
Der Vorsitzende der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament, Hannes
Swoboda, hatte mit einem Treffen kein Problem genauso wenig wie der
Präsident des Hauses, Martin Schulz. Seine Kritik fiel wesentlich weicher
aus, obwohl der Deutsche sonst eher dafür bekannt ist, dass er kein Blatt
vor den Mund nimmt. Er bezeichnete das Vorgehen der rumänischen Regierung
zwar als „politisch dubios“ und kritisierte seinen Parteifreund. „Ich habe
meine Sorge nicht verhehlt. Wichtige Gesetze dürfen nur durch einen
demokratischen Prozess geändert werden.“
Aber Schulz nahm Ponta gleichzeitig vor möglichen
Vertragsverletzungsverfahren in Schutz. Nach seiner Auffassung verstoße die
rumänische Regierung nicht gegen europäische Normen. Er sei zuversichtlich,
dass die Beurteilung der Europäischen Kommission letztendlich genauso
ausfallen werde.
Viviane Reding hat unterdessen angekündigt, dass die Kommissare am
kommenden Mittwoch darüber entscheiden wollen, ob sie die Überwachung
Rumäniens verlängern. Das Gremium will zunächst auf den neuesten
Prüfbericht warten. Davon wird dann letztendlich auch abhängen, ob Rumänien
demnächst dem Schengen-Raum beitreten darf oder nicht. In Rumänien soll die
Bevölkerung Ende des Monats darüber abstimmen, ob Präsident Basescu
tatsächlich von seinem Amt zurücktreten muss. Bis dahin bleibt er von
seinen Aufgaben suspendiert.
12 Jul 2012
## AUTOREN
Ruth Reichstein
## ARTIKEL ZUM THEMA
Referendum in Rumänien: Basescus Zuversicht schwindet
Am Sonntag sollen die Rumänen darüber abstimmen, ob Präsident Traian
Basescu im Amt bleibt oder nicht. Dessen Partei ruft zum Boykott der
Abstimmung auf.
EU-Kommission rügt Rumänien: „Vertrauen erschüttert“
Brüssel nimmt Rumänien wegen des internen politischen Machtkampfs unter
verschärfte Kontrolle. Ein Bericht kritisiert die Gefährdung von
Rechtsstaatsprinzipien.
Debatte Rumänien und die EU: Schlagen und vertragen
Auf das politische Schmierentheater in Bukarest reagiert die EU mit
parteipolitisch motivierten Solidaritätsgesten. Dabei geht es um
Grundwerte.
Machtkampf in Rumänien: Gegen Brüssel geht immer
Der Machtkampf in Rumänien spitzt sich zu. Ministerpräsident Ponta betont
dabei die Eigenständigkeit des Landes und riskiert die Aufnahme in den
Schengen-Raum.
Europa und die Demokratie: „Eine Frage der Glaubwürdigkeit“
Der Fall Rumänien zeigt, dass Europa neue Regeln braucht, sagt EU-Expertin
Corina Stratulat. Alle EU-Mitglieder sollten kontinuierlich überprüft
werden – nicht nur die Beitrittskandidaten.
Kommentar Rumäniens Präsident: Europas einäugige Reaktionen
Die Sozialdemokraten in Europa unterstüzen Rumäniens Ministerpräsidenten,
die Konservativen den Präsidenten. Und beide Seiten schätzen die Lage
falsch ein.
Absetzung des Präsidenten in Rumänien: Furcht vor Palastrevolte
Die Absetzung von Präsident Basescu löst in der EU heftige Debatten aus. Ob
der Konservative endgültig gehen muss, entscheidet sich in einer
Volksabstimmung.
Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung: 511 Jahre Knast und jede Menge Euro
Die EU-Betrugsbehörde hat 691 Millionen Euro zurückgeholt und langjährige
Haftstrafen ausgesprochen. Ein Teilerfolg, denn der Behörde fehlt es oft an
Durchschlagskraft.
Vorwürfe gegen Victor Ponta: Rumänischer Premier ein Plagiator?
Sein Bildungsminister musste wegen eines Plagiats zurücktreten. Jetzt ist
Rumäniens Regierungschef der nächste in einer langen Reihe europäischer
Politiker mit Plagiatsvorwurf.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.