# taz.de -- Debatte um deutsche Sportler nach Olympia: Erbsenzähler in Uniform | |
> Nach den Olympischen Spielen in London stellt sich eine letzte Frage. Wer | |
> war besser: Sportsoldaten oder Zivilisten? Ein bizarrer Streit ist | |
> entbrannt. | |
Bild: Turnen für die Bundeswehr: Stabsgefreiter Marcel Nguyen gewann zwei mal … | |
Die Debatte über die Effizienz des deutschen Sportfördersystems treibt | |
derzeit skurrile Blüten. In der ersten Bilanz der Olympischen Spiele von | |
London ging es noch um das große Ganze und das ominöse Wort | |
„Zielvereinbarung“. Thomas Bach, der Präsident des Deutschen Olympischen | |
Sportbunds (DOSB), musste erklären, weshalb er die deutschen | |
Medaillenausbeute (44) als Erfolg wertete, obwohl die Funktionäre in ihren | |
„Zielvereinbarungen“ fast doppelt so viele (86) anvisiert hatten. | |
Nun ist ein grotesker Streit über die sportliche Bilanz der Sportsoldaten | |
entbrannt. Verteidigungsminister Thomas de Maizière lobte: „Die | |
Medaillenausbeute der Bundeswehrsoldaten ist prozentual höher als der | |
Anteil der Bundeswehrsportler an der Gesamtteilnehmerzahl. Damit bin ich | |
natürlich sehr zufrieden.“ Die Bundeswehr hielt statistisch fest: 29 | |
Prozent der deutschen Olympioniken waren Soldaten, die mit 19 Medaillen 43 | |
Prozent aller deutschen Medaillen (44) geholt hätten. | |
„Falsch gerechnet“, entgegnet wiederum Wolfgang Maennig. Der Olympiasieger | |
von 1988 im Ruderachter und Professor für Wirtschaftspolitik in Hamburg | |
orientiert sich in seiner Bilanz an der absoluten Zahl der | |
Medaillengewinner und kommt zu einem völlig anderen Ergebnis: Die | |
Kaderathleten der Bundeswehr hätten schlechter abgeschnitten. Jeder vierte | |
deutsche „Zivilist“ sei mit einer Medaille zurückgekehrt, von den | |
Sportsoldaten nur jeder Siebte. Die Bundeswehr, kritisiert Maennig, könne | |
nicht die Goldplakette des Ruderachter sich zuschlagen, obwohl dem | |
DOSB-Infoheft zufolge nur ein Soldat darin gesessen hat. | |
An Maennigs Rechnung hat wiederum Josef Nehren, Leiter des | |
Bundeswehr-Dezernats für Sportförderung, etwas auszusetzen. Der verzerre | |
das Ergebnis, indem er die Teammedaillen vielfach zähle. Außerdem seien | |
einige der erfolgreichen Olympioniken früher bei der Bundeswehr gewesen. | |
„Es ist müßig, diese Aufrechnungen zu machen“, relativiert Nehren auch die | |
hausinternen Zahlenspiele. | |
## Der wichtige Ruf der Bundeswehr nach Innen und Außen | |
Sicher ist immerhin: Der Erfolg der Sportsoldaten ist nicht so eindeutig, | |
wie die Bundeswehr glauben machen möchte. Vermutlich war das auch ein | |
Grund, weshalb vor zwei Jahren bei der Neustrukturierung der Bundeswehr | |
auch die Sportförderung auf der Kippe stand, wie Nehren einräumt. Aber | |
zugleich betont er: „Im Mai 2011 hat Verteidigungsminister de Maizière | |
erklärt, dass die Sportförderung in der Bundeswehr als dauerhafte | |
gesamtstaatliche Aufgabe zu sehen ist.“ Dabei ginge es auch, wie de | |
Maizière erklärte, um „den Ruf der Bundeswehr nach innen und außen“. | |
Deshalb ist man in der Bundeswehr derzeit nur unzufrieden mit der | |
Identifikation der Athleten. „Neulich schaue ich mir meine Leute bei | |
Reinhold Beckmann in der ARD an“, erzählt Nehren, „Fabian Hambüchen, Robe… | |
Harting und Matthias Steiner waren eingeladen, und ich dachte die ganze | |
Zeit nur: Jetzt sag’s doch, dass du von der Bundeswehr finanziert wirst.“ | |
Womöglich hängt die fehlende Bindung mit dem „Scheinsoldatentum“ zusammen, | |
wie Maennig die Förderkonzeption der Bundeswehr nennt. Nach der verkürzten | |
Grundausbildung können sich die Sportsoldaten allein auf den Sport | |
konzentrieren. Diese Verengung des Alltags hält Maennig für wenig | |
leistungsförderlich. | |
Nehren kann diese Einschätzungen nicht nachvollziehen. „Die Bundestrainer“, | |
sagt er, „kümmern sich hundertprozentig um unsere Athleten. Und wir bemühen | |
uns darum, gute Rahmenbedingungen zu stellen. Auf DOSB-Initiativen hin | |
haben wir das Fort- und Weiterbildungsangebot verstärkt. Etwa 120 | |
Spitzensportler bei der Bundeswehr studieren derzeit.“ | |
Auch wenn der DOSB jüngst die Sportförderung der Bundeswehr für | |
unverzichtbar erklärt hat, glaubt Maennig, Präsident Bach könne die | |
Ineffizienz der Sportsoldaten bei Olympia nicht entgangen sein. Das Problem | |
sei aber, dass man den Sportförderetat der Bundeswehr nicht so einfach auf | |
das Bundesinnenministerium und von dort wiederum auf die Stiftung | |
Sporthilfe übertragen könne. So beließe man lieber alles beim Alten. | |
22 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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