# taz.de -- Alternatives Fußballmagazin „Transparent“: Stimme für politis… | |
> In diesen Tagen erscheint die zweite Ausgabe des „Transparent“-Magazins. | |
> Es soll Themen kritischer Fan-Gruppen aufgreifen. | |
Bild: Fußball und Politik lassen sich schwer trennen: Darüber schreibt „Tra… | |
BERLIN taz | Ob Gleichstellung, ob Überwachungsthematik, ob schnöder | |
Alltagsrassismus: Früher oder später geistert jedes gesellschaftlich | |
relevante Thema durch die Fankurven deutscher Stadien. | |
Nicht erst durch die Politisierung der Fanszenen in den vergangenen Jahren | |
sind der Rasensport und sein Drumherum zur gesellschaftlichen | |
Verhandlungsfläche geworden. In der Öffentlichkeit aber soll der Sport | |
allzu oft nur Sport bleiben - als Diskursmotor wird er kaum wahrgenommen. | |
„Uns ist es wichtig, das abzubilden, was in der Fußballkultur an | |
gesellschaftlichen Themen diskutiert wird“, sagt Kea Müttel. „Die | |
Bereitschaft zur politischen Auseinandersetzung in den Fanszenen ist ja da | |
– nur wird undifferenziert oder gar nicht darüber berichtet.“ | |
Müttel ist der eine Teil der Chefredaktion eines neuen Magazins für | |
Fußballkultur. Transparent heißt es. In diesen Tagen kommt die zweite | |
Ausgabe auf den Markt. Müttel, 25, und ihr Co Pavel Brunßen, ebenfalls 25, | |
wollen sich mit der Publikation insbesondere den Themen widmen, die in | |
Ultra- und Fankreisen heiß diskutiert werden. Seit April dieses Jahres gibt | |
es die Website und das vorerst vierteljährlich erscheinende Magazin. Die | |
Auflage liegt derzeit bei 3.000 Exemplaren. | |
„Die Printausgabe hat bei uns Priorität“, sagt Müttel, „für mich ist d… | |
immer noch das Format, um Themen nachhaltig zu behandeln.“ Ein | |
Redaktionsbüro gibt es noch nicht, das Heft wird in Heimarbeit in Köln und | |
Münster produziert. Das Magazin könnte eine wichtige Leerstelle ausfüllen: | |
Ultra- und Fangruppen im deutschen Fußball fühlen sich oft nicht | |
ausreichend oder falsch repräsentiert. Nicht nur in den Massenmedien, | |
sondern in der Öffentlichkeit generell. Es gibt zunehmend kritische, | |
basisdemokratisch arbeitende Fangruppierungen, nur gibt es noch kein | |
Print-Forum für sie. | |
## 11 Freunde zu unkritisch | |
Einst wurde das 11 Freunde gegründet, um Fußballkultur alternativ, kritisch | |
und mainstreamfern zu behandeln. Und unbequeme Themen finden auch weiter | |
statt im Berliner Heft. Politisch provokant getitelt hat man dort | |
allerdings zuletzt Anfang 2010 („Fußballfans sind Verbrecher“), danach | |
waren es häufig die Großen des Business, die vom Cover grüßten (Klopp, | |
Ferguson, Magath). Ein direktes Konkurrenzmedium konnte sich neben dem 11 | |
Freunde nie etablieren (der Olympia Verlag, in dem auch der kicker | |
erscheint, scheiterte mit Rund zwischen 2005 und 2007 kläglich). Ein | |
solches wird das Transparent nie sein. | |
Aber die Leserschaft, für die Fußball mehr mit Subkultur und Haltung als | |
mit Unterhaltung zu tun hat, dürfte es vollständig abgreifen – allzu klein | |
ist diese Personenkreis auch nicht. Die Stärken, diese zu erreichen, spielt | |
das Heft bereits aus. In der ersten Ausgabe widmete man sich im | |
Schwerpunktthema der Gewaltdiskussion in den Kurven. | |
Im aktuellen Heft greift man mit der Auseinandersetzung um „Stehplätze in | |
Gefahr“ die derzeit größten Bedenken alternativer Fangruppierungen auf. | |
Eine Reportage beschäftigt sich mit den Opfern unter den ägyptischen | |
„Ultras Ahlawy“, die am Rande des Fußballspiels zwischen Al-Masri und | |
Al-Ahly Kairo am 1. Februar dieses Jahres aus politischen Gründen getötet | |
wurden. Kritisch widmet man sich auch dem deutschen Frauenfußballalltag ein | |
Jahr nach der Heim-WM. | |
Angesichts der Fülle an Themen, die im Fußball zurzeit diskutiert werden | |
(Pyrotechnik, Homophobie, englische Verhältnisse et cetera), dürfte der | |
Stoff zunächst nicht ausgehen – ob über Jahre, ist fraglich. Ob das | |
Transparent sich als linkes Heft verstehe? „Wir würden uns gegen eine | |
solche Zuschreibung nicht wehren“, sagt Müttel, „aber in erster Linie haben | |
wir den journalistischen Anspruch, Themen differenziert und möglichst | |
ausgewogen darzustellen.“ | |
## Unsauberes Handwerk | |
Neben der Themenauswahl gehört das angenehme, sehr gute Layout (seriös, | |
übersichtlich, schlicht), die Gewichtung der Themen (wenige Themen, die | |
aber richtig) und die gute Fotoauswahl zu den Stärken des Heftes. | |
Verbesserungsbedarf gibt es bei einigen Texten vor allem im | |
journalistischen Handwerk. | |
Bisweilen ufern Kommentare (die manchmal auch in Artikel einfließen) in | |
Essays aus oder die Texte sind extrem schwammig formuliert. Oder es | |
misslingt, auf den Punkt zu kommen - im aktuellen Heft etwa in einer | |
Journalismuskritik mit eigentlich gutem Ansatz. Man wünscht sich an mancher | |
Stelle mehr klare Kante, auch sorgfältigeres Redigieren. Das lesenswerte | |
Interview mit Jürgen Sparwasser hat es darüber hinaus gar nicht nötig, in | |
eine Rubrik namens „Was macht eigentlich“ gesteckt zu werden, die man zu | |
Recht in der Mottenkiste wähnte. Bei der Leseprobe aus Sparwassers Buch ist | |
zudem keine Trennung zwischen Redaktion und Werbung erkennbar. Das aber | |
sind vielleicht nur Kinderkrankheiten. | |
Dank einiger gelungener Texte (sämtliche zur Stehplatzthematik) und eines | |
guten Gespürs für Themen lässt dieses Heft darauf hoffen, dass sich in | |
Deutschland ein weiteres Fußballmagazin etablieren kann. „Das Potenzial auf | |
dem Markt sehen wir schon“, sagt Müttel, „es gibt so viele Fans, die diese | |
Themen beschäftigen. Und natürlich ist es auch unser Ziel, die Auflage zu | |
steigern.“ | |
Es täte der Pressevielfalt gut, stellte man dem einen großen Magazin für | |
Fußballkultur, das mittlerweile etwas zu stark zu Nostalgie, bunter | |
Mischung und immergleichen Formaten tendiert, einen kleinen Bruder an die | |
Seite. Der, so Müttel, politischer tickt: „Wichtig ist uns: Fußball ist und | |
bleibt politisch, und wir wollen uns dagegen wehren, dass Medien, | |
Fangruppierungen oder die Öffentlichkeit versuchen den politischen Aspekt | |
herunterzuspielen.“ Und wie sähe der gute Fußball für die Chefredakteurin | |
aus? „Puh… das kann ich so platt nicht sagen. In jedem Fall aber wäre er | |
frei von Diskriminierung.“ | |
27 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
Jens Uthoff | |
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