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# taz.de -- Neuer Film von Woody Allen: Ein Amerikaner in Rom
> Woody Allens neuer Film „To Rome with Love“ erfreut sich an den
> touristischen Reizen der italienischen Hauptstadt, verliert sich dabei
> aber im Kleinteiligen.
Bild: Der scharfzüngige, unempfängliche Italienbesucher Jerry (Woody Allen) m…
Woody Allens Spätwerk kennzeichnet eine besondere Form von Entwurzelung. Es
gibt wohl kaum einen anderen Regisseur, der so stark mit einer Stadt, ja
einem Stadtteil (New York, Upper West Side) assoziiert wurde und dann mit
vergleichbarer Vehemenz seinen Wirkkreis gewechselt hat. Zwar haben sich
auch schon Filmemacher wie Wim Wenders oder Wong Kar Wai davor in einem
globalen Nebelland verlaufen, doch bei Allen liegt der Fall noch einmal
anders: Seine europäischen Filme verhalten sich ja zu einem konkreten Ort
und dessen Mythologie, beziehen daraus aber vor allem Klischeewerte.
Die besseren Arbeiten sind darunter jene, die aus diesen Bildern auf
offensive Weise Gewinn schlagen. Der in London gedrehte „Match Point“ baut
seine Thrillererzählung auf dem für Großbritannien charakteristischen
Klassengefälle auf; „Vicky, Cristina, Barcelona“ spielt verschmitzt mit den
Stereotypen des Latin Lovers und seiner heißblütigen Muse, und „Midnight in
Paris“, Allens bis dato kommerziell erfolgreichster Film, spielt
nostalgisch mit den weltberühmten Wiedergängern einer kunstgesättigten
Metropole.
Stets sind es Amerikaner, die dabei als Identifikationsfiguren dienen und
deren Blick und Handeln die Klischees erst weckt und bestätigt. Der Witz
liegt nicht zuletzt darin, dass niemand ernsthaft erwartet, so sehr in
seinen Vorstellungen – allzu oft sind es Wunschvorstellungen – bestätigt zu
werden. Der jüngste Fall, „To Rome with Love“, weicht davon nicht ab,
vielmehr arbeitet er als Ensemblefilm gleich mit mehreren solchen
Konstellationen.
Da ist die US-Studentin Phyllis (Alison Pill), die sich in einen jungen
römischen Rechtsanwalt verliebt und von ihren New Yorker Eltern (Judy David
und Allen selbst) Besuch bekommt; und da ist der namhafte US-Architekt
(Alec Baldwin), der sich in den Gassen von Trastevere verläuft und auf sein
jüngeres Alter Ego (Jesse Eisenberg) trifft, das sich nicht so recht
zwischen zwei Frauen (Greta Gerwig und Ellen Page) entscheiden kann.
Ergänzt werden sie von zwei italienischen Paaren, filmischen Archetypen aus
der Mottenkiste, die Allen gegen die italienische Celebrity-Kultur in
Stellung bringt: Roberto Benigni als biederer Jedermann, der plötzlich als
TV-Berühmtheit gilt und von allen auf der Straße erkannt wird, und ein
junges Ehepaar vom Land, das in der Hauptstadt liebestechnisch ein wenig
herumexperimentiert.
## Der Fremdenverkehrswerbefilm
Die Episoden erwecken allerdings den Eindruck von „bits and pieces“,
Kleinteiligem, das Allen wohl irgendwann auf seinen berühmten gelben
Post-its als Gagidee notiert, in die Schublade gesteckt hat und nun eher
grob zu einem Ganzen aneinanderreiht. Ärgerlich zudem die Art und Weise,
wie sich Darius Khondjis Kamera an der Ewigen Stadt und Touristenzielen wie
dem Trevi-Brunnen in satten Gelbtönen ergötzt. Die ständigen
Selbstversicherungen der Figuren, an einem außergewöhnlichen,
geschichtsträchtigen Ort zu sein, lassen „To Rome with Love“ dann
stellenweise wie einen Fremdenverkehrswerbefilm erscheinen. Akustisch wird
das alles von einem Medley italienischer Gassenhauer wie aus der
nächstbesten Pizzeria untermalt.
Die scharfzüngigeren Dialogzeilen hat sich Allen noch für seinen eigenen
Part als unempfänglichen Italienbesucher aufgehoben, dem die linke
Gesinnung der Gastfamilie zu schaffen macht. Beispielhaft für den Film ist
aber auch hier, wie eine Pointe über Gebühr strapaziert wird. Allen spielt
einen Musikregisseur im Ruhestand, der das Stimmtalent des Vaters seines
künftigen Schwiegersohns (verkörpert vom Tenor Fabio Armiliato) entdeckt
und daraus etwas machen will. Dummerweise entfaltet es sich nur unter der
Dusche.
Andere Gags, etwa Penélope Cruz’ Auftritt als Claudia-Cardinale-ähnliche
Prostituierte, die sich im roten Minikleid im Zimmer irrt, schwächeln schon
in der altbackenen Grundaufstellung. Auch Benigni entwickelt als felliniesk
Verfolgter nicht die gewohnte Dynamik. Am überzeugendsten ist noch der Part
von Alec Baldwin, der die Liebesflausen seines jüngeren Ichs mit gehörigem
Sarkasmus kommentiert. Was sagt er, als Ellen Page zu Hochstapeleien
ansetzt? „Oh, here comes the bullshit!“ – das denkt man sich auch selbst …
einige Male.
„To Rome with Love“. Regie: Woody Allen. Mit Woody Allen, Alec Baldwin,
Roberto Benigni, Penélope Cruz u. a. USA/Italien 2012, 110 Minuten.
30 Aug 2012
## AUTOREN
Dominik Kamalzadeh
## TAGS
Film
Greta Gerwig
Woody Allen
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