| # taz.de -- Neuer Woody-Allen-Film: Zynischer Stinkstiefel in Love | |
| > Männergespräche, eine Beziehung zwischen Stinkstiefel und jungem Hüpfer | |
| > und das Coming-Out eines konservativen Südstaatlers: Woody Allens Komödie | |
| > "Whatever Works". | |
| Bild: Trautes Glück: der Unsympath und die Blonde. | |
| Kann man jemanden mögen, der als Erstes von sich behauptet: "Ich bin kein | |
| sympathischer Typ"? Gefolgt von charmanten Bemerkungen wie "Und damit Sie's | |
| gleich wissen: Dies ist nicht das Feelgoodmovie des Jahres. Wenn Sie zu den | |
| Idioten gehören, die sich gut fühlen wollen, besorgen Sie sich eine | |
| Fußmassage." | |
| Davon, wie viel man mit dieser Art von aggressivem, verächtlichem Humor | |
| anfangen kann, hängt wesentlich ab, ob man Woody Allens neuen Film mag oder | |
| nicht. Hat es mit der Sympathie für Komiker doch eine besondere Bewandtnis: | |
| Im Unterschied zur Begeisterung für die Ausstrahlung gewisser Stars, die | |
| sich auf sehr imaginären Ebenen abspielt, hat die Bevorzugung eines | |
| bestimmten Comedy-Stils oder Comedians eher mit unseren Realitäten zu tun, | |
| tatsächlich damit, wie wir die Welt und uns selbst darin sehen. Oder sehen | |
| wollen. Für all jene, die das soziale Diktat der guten Laune als | |
| Anstrengung und oft genug als Überforderung empfinden, stellt ein | |
| Stinkstiefelkomiker wie Larry David, der hier die Hauprolle spielt, deshalb | |
| eine Erlösung dar. Einer, der die Vergeblichkeit unseres alltäglichen | |
| Strebens immer wieder auf den Punkt bringt: "Wenn ich, um länger zu leben, | |
| neun Portionen Obst und Gemüse täglich essen muss - dann will ich nicht | |
| länger leben." | |
| In der Gemeinde der Woody-Allen-Film-Gucker löst dieser Larry David | |
| zunächst Irritation aus. In der Rolle des Boris Yellnikoff, eines in die | |
| Jahre gekommenen Physikprofessors, der mal für den Nobelpreis in Betracht | |
| gezogen wurde, aber nie einen erhalten hat, und den die Frustrationen in | |
| Beruf und Ehe zu einem asozialen Kinderschreck haben werden lassen, der | |
| eine absichtlich freudlose Existenz in einer heruntergekommenen Wohnung in | |
| Manhattan führt - in dieser endlose Tiraden über die Sinnlosigkeit der Welt | |
| absondernden Figur also erkennt der Eingeweihte die Rolle, die Woody Allen | |
| früher selbst so bravourös ausfüllte. | |
| Das Problem mit Larry David ist nun, dass er einerseits dem von Allen | |
| geprägten Komikermodell des Verschrecktseins von der Welt - "Das Universum | |
| dehnt sich aus! Da bring ich mich lieber gleich selbst um!" - durchaus | |
| ähnelt, andererseits aber eine zynische Taktlosigkeit und Aggressivität | |
| mitbringt, wo Allen einst zartfühlende Minderwertigkeitskomplexe | |
| offenbarte. Nein, Larry David ist keiner, in dessen Gesellschaft man sich | |
| besonders wohlfühlt - es sei denn, man schaut ihm aus der sicheren Distanz | |
| des Zuschauerraums zu. Nicht umsonst heißt die Show, die ihn im | |
| US-Fernsehen Ruhm einbrachte: "Curb Your Enthusiasm" - "Dämpfen Sie Ihre | |
| Begeisterung". Na denn. | |
| Hoffnungslos blöde | |
| Vielleicht ist gedämpfte Begeisterung auch die beste Haltung, um "Whatever | |
| Works" genießen zu können - trotz der professionellen Nonchalance, mit der | |
| er gedreht ist und mit der erst gar nicht versucht wird zu verbergen, dass | |
| das Drehbuch jahrzehntealt ist. Geschrieben wurde es einst für Zero Mostel, | |
| der heute vor allem als Musicalproduzent Max Bialystock aus Mel Brooks | |
| "Frühling für Hitler" im Gedächtnis geblieben ist und der leider 1977, im | |
| selben Jahr, in dem "Der Stadtneurotiker" ins Kino kam, verstarb. | |
| Überhaupt stellt "Whatever Works" als Ganzes eher eine Art | |
| Verlegenheitslösung dar, geboren aus der Notwendigkeit, wegen des drohenden | |
| Schauspielerstreiks die Dreharbeiten vorzuverlegen, und den Konsequenzen | |
| daraus - etwa dass Allen bei seinen Kindern, die noch keine Schulferien | |
| hatten, in New York bleiben wollte. | |
| Aber wie das so ist, im Leben wie im Kino, manchmal kann man gerade das | |
| Suboptimale, das am Meisterwerk Vorbeischrappende, das Glück im Unglück | |
| viel besser goutieren als den großen Wurf. Entspannt von hohen Erwartungen | |
| lassen sich die kleinen Perlen dieses Films entdecken. Da gibt es diese | |
| wunderlich zarte Liebesgeschichte zwischen dem alten Knacker Boris und dem | |
| dummen Blondchen Melody (Evan Rachel Wood), das sich eines Tages bei ihm | |
| einnistet. Er lässt keine Gelegenheit aus, sie als hoffnungslos blöde zu | |
| beschimpfen, und sie nutzt eifrig ihre Chancen, ihm vermeintlich das | |
| Gegenteil zu beweisen. Eines Tages kommt sie nach einem Abend mit | |
| "Gleichaltrigen" nach Hause und beklagt sich bei ihrem Boris: "Diese | |
| Protonen, nein, ich meine Cretins, sie haben keinen Geschmack - und keine | |
| Ahnung von Stringtheorie!" Da muss er sich einfach verlieben. Was natürlich | |
| sein Unglück ist. Oder vielleicht doch nicht? | |
| Um die beiden herum entwickelt sich ebenfalls einiges Wunderliches. Da wird | |
| aus einer frustrierten Hausfrau (eine wunderbare Patricia Clarkson) eine | |
| laszive Avantgardekünstlerin. Und ein waffenbegeisterter, erzkonservativer | |
| Südstaatler (Ed Begley jr.) hat sein Coming-out. Letzteres vollzieht sich | |
| während eines Männergesprächs in einer Bar und gehört unbedingt zu den | |
| Kleinodien, die dieser Film zu bieten hat. Die Lebensweisheit des Titels | |
| "Whatever Works" bringt Larry David am Ende so überzeugend rüber, dass man | |
| ihn allein dafür doch noch mögen muss. | |
| 2 Dec 2009 | |
| ## AUTOREN | |
| Barbara Schweizerhof | |
| ## TAGS | |
| Kino | |
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