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# taz.de -- Doping bei den Paralympics: Blase voll, Blutdruck hoch
> Um mehr Adrenalin auszuschütten, quälen gelähmte Sportler beim Boosting
> ihren Körper. Bis zu 15 Prozent mehr Leistung sollen so möglich sein.
Bild: Beim Boosting fügen sich die Athleten unterhalb der Lähmungsstelle Schm…
Als Brad Zdnadivsky nach einem Autounfall 1994 erfährt, dass er
querschnittsgelähmt ist, bricht für den passionierten Kletterer eine Welt
zusammen. Zwar gibt es Wege, mit diversen Hilfestellungen auch nach einer
Lähmung den Sport zu betreiben. Doch durch die Verletzung stellt das
Nervensystem seinen Körper auch bei Anstrengung nicht mehr auf
Leistungsbereitschaft ein.
Die Folge ist ein niedriger Blutdruck und damit verbunden eine geringe
Sauerstoffzufuhr. Brad Zdnadivsky sucht nach einem Ausweg und landet beim
Boosting, einer Dopingmethode speziell für gelähmte Sportler. Kurz vor den
Paralympics schilderte Zdnadivsky in einem Interview mit dem Sender BBC die
Methode – und sorgte für viel Aufregung. Denn um den Adrenalinausstoß zu
erhöhen und den Blutdruck zu steigern, fügen die Athleten sich beim
Boosting unterhalb der Lähmungsstelle Schmerzen zu.
Häufig lassen sie ihre Harnblase voll laufen und kappen den Katheter,
andere sollen sich gar Fußzehen gebrochen oder die Genitalien mit
Elektroschocks penetriert haben. Die Sportler selbst spüren den Schmerz
aufgrund der Lähmung nicht, doch der Körper springt darauf an. Bis zu 15
Prozent mehr Leistung sind angeblich möglich.
„Boosting ist allerdings lebensbedrohlich“, sagt Dr. Jürgen Kösel, Teamar…
des Deutschen Behindertensportverbandes. „Wird der Blutdruck zu hoch, droht
ein Schlaganfall.“ Die Boosting-Methode zeigt in erschreckender Klarheit,
welche perversen Blüten der Leistungsgedanke auch im Parasport treibt.
## Doping-Proben werden seit 1984 genommen
Seit 1994 ist Boosting offiziell verboten, doch in einer anonymen Umfrage
vor vier Jahren gab etwa jeder Sechste der querschnittsgelähmten Athleten
zu, die Methode schon angewendet zu haben.
Experten gehen sogar von bis zu 30 Prozent der Athleten aus. Zwar überprüft
die Wada auch den Blutdruck der Sportler. Doch der lässt sich schon binnen
15 Minuten wieder auf ein unverdächtiges Niveau bringen. In Peking wurde
wohl auch deshalb kein Sportler überführt. Boosting ist dabei nur ein
Extrembeispiel dafür, dass Doping längst auch im Behindertensport zum Thema
geworden ist.
Seit 1984 werden Proben genommen, acht Jahre später in Barcelona erwischte
die Welt-Dopingagentur Wada erstmals Athleten mit verbotenen Substanzen.
Seitdem hat die Wada ihre Anti-Doping-Politik auch im Behindertensport
verschärft, die Anzahl der Tests nimmt immer weiter zu.
In London sind 1.250 geplant. Das ist auch auf die geringere Anzahl der
Athleten nicht annähernd so viel wie bei den Olympischen Spielen, aber
schon 25 Prozent mehr als vor vier Jahren.
Die Richtlinien entsprechen denen der nichtbehinderten Sportler, doch
angesichts dessen, dass viele Parasportler auf Medikamente angewiesen sind,
die auf der Verbotsliste stehen, wird die Arbeit der Anti-Doping-Agenturen
komplizierter. Aus dem Jahresbericht der deutschen Agentur Nada geht
hervor, dass nur einer der elf positiven Befunde bei Sportlern mit
Behinderung im vergangenen Jahr mit einer Sperre geahndet wurde. Der Grat
zwischen Doping und notwendiger Medizin ist im Parasport nur schmal.
(Daily Dope 561)
30 Aug 2012
## AUTOREN
Jannis Carmesin
## TAGS
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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