# taz.de -- Dopingopfer gegen Leichtathletikverband: Schummel-Rekorde bleiben | |
> DDR-Dopingopfer Krieger kämpft vergeblich für die Streichung seiner | |
> Kugelstoßrekorde. Der Leichtathletik-Weltverband führt sie weiter in | |
> seiner Liste. | |
Bild: Verdächtiger Rekord: Heidi Krieger war ein DDR-Dopingopfer. | |
Der Leichtathletik-Weltverband (IAAF) bleibt in seiner Rekordsucht | |
offensichtlich unbelehrbar. Bei der WM 2011 im südkoreanischen Daegu fasste | |
der Verband unter der Präsidentschaft von Lamine Diack (Senegal) den | |
Beschluss, bei den Juniorinnen und Junioren ab Januar 2012 eine offizielle | |
Hallen-Weltrekordliste einzuführen, was auch geschah. | |
Andreas Krieger, ein vom Bundesverwaltungsamt staatlich anerkanntes | |
DDR-Dopingopfer, war schockiert. Der wache Generalsekretär des | |
österreichischen Leichtathletikverbandes, Helmut Baudis, hatte Krieger auf | |
dieser neuen Liste entdeckt und ihn darüber informiert, dass er unter | |
seinem früheren Namen Heidi Krieger als Inhaber des | |
Juniorinnen-Hallenweltrekordes im Kugelstoßen geführt wird. | |
Als einst hoch gedopte DDR-Leichtathletin vom Sportclub Dynamo Berlin hatte | |
die damalige 18-jährige Heidi Krieger am 8. Februar 1984 in Budapest die | |
vier Kilogramm schwere Kugel 20,51 Meter weit in der Halle gestoßen. Seit | |
über 28 Jahren nun schon bleibt diese Marke weltweit bei den | |
Kugelstoß-Juniorinnen unerreicht. | |
Bei der EM 1986 in Stuttgart gewann Heidi Krieger mit 21,10 Metern die | |
Goldmedaille für die DDR. Übrigens ist auch die laut Unterlagen in der DDR | |
mit Anabolika gedopte Weitspringerin Heike Drechsler in dieser | |
Hallen-Junioren-WR-Liste präsent. Sie sprang am 1. Februar 1983 in Berlin | |
als 18-Jährige 6,88 Meter weit. | |
In Kenntnis dieser neuen Rekordliste hatte Andreas Krieger bereits im | |
Dezember 2011 einen offenen Brief an den Präsidenten des Weltverbandes, | |
Lamine Diack, geschickt sowie zur Kenntnis per Mail an den Deutschen | |
Olympischen Sportbund und den nationalen Leichtathletikverband. Er wies | |
darauf hin, dass viele der damals erzielten und zum Teil bis heute | |
bestehenden nationalen Rekorde „unter dem menschenverachtenden Zwangsdoping | |
in der DDR entstanden sind“. | |
Krieger verlangte von der IAAF „die sofortige Streichung seines Namens aus | |
allen bestehenden Bestenlisten, vom Jugend- bis hin zum | |
Erwachsenenbereich“. Zudem kritisierte Krieger im Brief die IAAF, weil | |
diese weiterhin „fatalerweise dopingverseuchte Weiten und Zeiten als eine | |
erstrebenswerte Leistung“ darstellt. Diese Praxis jetzt mit der neuen | |
Hallen-Weltrekordliste auf den besonders zu schützenden Jugendbereich noch | |
auszuweiten, bezeichnete Krieger „als grundlegend falsche Botschaft“, da | |
mit der Anerkennung einer verseuchten Rekordliste die Dopingmentalität | |
gefördert werde. | |
## IAAF will Auskunft über „benutzte“ Substanzen | |
Daraufhin erbat die IAAF von Andreas Krieger, er solle doch die Namen der | |
verbotenen Substanzen, die er in seiner aktiven Laufbahn „benutzt“ habe, | |
wie auch den genauen Zeitraum der Anwendung angeben. Krieger verwahrte sich | |
in seinem Schreiben an die IAAF Ende Februar 2012 gegen „die zynischen | |
Formulierungen“ bezüglich der „benutzten“ Dopingsubstanzen und stellte n… | |
mal klar, dass er „innerhalb eines verbrecherischen staatlichen | |
Dopingsystems gedopt worden ist, ohne es zu wissen oder jemals zu | |
Athletenzeiten darüber informiert worden zu sein“. | |
Zudem verwies der 47-jährige Krieger auf die Gerichtsurteile zum | |
DDR-Doping, die ja dem Deutschen Leichtathletikverband auch seit langem | |
bekannt sind. Weil Krieger seither weder von der IAAF noch vom DLV wieder | |
etwas hörte, hatte er am 25. Juli 2012 in einem weiteren offenen Brief an | |
die IAAF, den DLV und DOSB gemeinsam mit anderen Antidopingaktivisten | |
erneut heftig protestiert. | |
Man halte es für unerträglich, so stand in dem Schreiben, dass „Andreas | |
Krieger heute nach mehr als einem Vierteljahrhundert nachweisen soll, dass | |
sich verbotene Substanzen im Körper von Heidi Krieger befanden, obgleich | |
die Systematik des DDR-Staatsdopings hinreichend dokumentiert ist. Dieser | |
Umgang mit einem staatlich anerkannten Dopingopfer verletzt die | |
Menschenwürde des heute aktiven Antidopingkämpfers.“ | |
Geschehen ist bisher nichts. Die Junioren-Hallen-Weltrekordmarke von Heidi | |
Krieger ist auf der IAAF-Webseite immer noch nicht gelöscht. Was die IAAF | |
anbetrifft, erklärt Dopingaufklärer Werner Franke, „so haben diesen | |
Weltverband solch kriminelle Rekorde bisher nie gestört“. Sein Fazit | |
lautet: „Kriminelle unterstützen Kriminelles.“ Auch der DLV führt Heidi | |
Krieger noch in seinen Bestenlisten. Mit Verweis auf das Zwangsdoping ? | |
Fehlanzeige. | |
13 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Thomas Purschke | |
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