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# taz.de -- Ghanaer bei den Paralympics: „Ich leuchte auf meine Art“
> Alem Mumuni glänzte als Fußballer auf Krücken, heute zählt der Ghanaer
> zur Radsportelite. Er will eine Schule gründen, die auf Kinder mit
> Behinderungen spezialisiert ist.
Bild: Startet in London am Mittwoch im Zeitfahren und am Donnerstag im Straßen…
Ein junger Westafrikaner sitzt in der internationalen Zone des
Paralympischen Dorfs. Erst auf den zweiten Blick sieht man die Krücken, die
am Boden neben ihm liegen. Alem Mumuni ist einer der zwei Straßenradfahrer
bei den Paralympics, die aus Afrika kommen. Mehr konnten sich nicht
qualifizieren. Mumuni, 28, stammt aus Ghana. Er hatte Polio und verlor
dadurch die Fähigkeit, sein rechtes Bein zu benutzen. Wenn Mumuni seine
Geschichte erzählt, entsteht ein Bild von Afrika, das es so eigentlich
nicht mehr gibt.
Er stammt aus einem Dorf im hintersten Teil Ghanas. Nachdem er im Alter von
zwei Jahren an Polio erkrankte, musste er acht Jahre lang auf dem Boden
kriechen, erst dann sah er seine ersten Krücken. Wie sein älterer Bruder
sollte er Kuhhirte werden – bei all dem Dreck und Staub nicht gerade der
beste Beruf für einen Menschen, der so nah am Boden leben muss, wie Alem
bemerkt. Dann entschieden sich seine Eltern, ihn doch in eine Schule zu
schicken.
Der junge Alem war so lernbegeistert, dass er bald eine Klasse überspringen
konnte. Er schaffte es, in die weiterführende Schule zu kommen, musste aber
nebenbei auf dem Feld arbeiten, um sich das leisten zu können. Trotz seiner
physischen Einschränkungen spielte er Fußball mit den anderen in der
Schule. Da die Schule weit weg war, fragte ihn ein Lehrer eines Tages, ob
er schon mal versucht hätte, Fahrrad zu fahren. So kam Mumuni zum Fahrrad.
Doch seine sportliche Karriere begann er im Fußball. Als er 2005 einem der
Brüder in die Hauptstadt Accra folgte, sprach ihn ein unbekannter Mann mit
einem amputierten Bein an und fragte, ob er kicken könne. Zwei Jahre später
spielte Alem für das Nationalteam Ghanas bei der Afrikanischen
Fußballmeisterschaft für Menschen mit körperlichen Behinderungen.
## Wendung in der Karriere
Ghana gewann das Turnier dank eines Treffers von Mumuni im Finale. Doch
bald sollte seine sportliche Karriere eine weitere Wendung nehmen. Ein
irischer Sportwissenschaftler hatte beobachtet, dass Alem nicht nur Fußball
spielte, sondern auch sein Fahrrad als Fortbewegungsmittel nutzte.
Er schlug Alem vor, es mit Radsport zu versuchen. Bald darauf begab sich
dieser, unterstützt von einer Handvoll privater Spender, mit einem normalen
Stahlrad des Behindertenvereins auf eine lange Reise nach Niger. Dort
liefen gerade die Afrikanischen Meisterschaften im Pararadsport.
Alem erzählt, wie er ohne ausreichenden Schlaf sofort bei Ankunft nach
zweitägiger Reise zum Wettkampf antreten musste. Das
14-Kilometer-Zeitfahren war sein erstes echtes Rennen. Er hat es ebenso
gewonnen wie das Straßenrennen über 42 Kilometer.
Weitere private Zuschüsse ermöglichten es Mumuni, 2009 zur WM nach Italien
zu fliegen. Aufgrund von Visakomplikationen landete er zu spät und
versäumte den ersten Wettkampf. Zum Straßenrennen musste er sich vom
deutschen Verband ein Rad leihen, da sein eigenes nach der Reise
verschollen war. Am Ende wurde er Siebter.
Doch der ghanaische Verband wollte ihn immer noch nicht sponsern, auch
nachdem er 2010 in Burkina Faso bei den Afrikameisterschaften wieder Gold
für Ghana gewonnen hatte. Mumuni hätte das Fahrradfahren wohl aufgegeben,
wäre die britische NGO Right to Dream auf ihrer Suche nach ghanaischen
Parasportlern nicht auf Alem gestoßen.
## Eine Rennmaschine vom Triathlon-Klub
Ihm wurden Trainingseinheiten finanziert, und er bekam endlich ein
ansprechendes Rad, das ihm ein Triathlonklub spendierte. 2011 bei der
Afrikanischen Meisterschaft schaffte er dann die Qualifikation für die
Paralympics in London. Am Mittwoch steht nun für ihn das Zeitfahren an, am
Donnerstag das Straßenrennen.
Aber Mumuni denkt weiter. In Ghana will er eine Schule gründen, die sich
auf Kinder mit Behinderungen spezialisiert. Menschen mit Behinderung seien
viel zu lang ausgeschlossen worden, sagt er. Seine Behinderung sei ein
Beispiel dafür, dass menschliche Fähigkeiten über die körperlichen
hinausgehen.
In welcher Rolle er sich bei seinem Engagement sieht? „Ich nehme mein
kleines Licht und leuchte damit auf meine Art. Wenn man mit der richtigen
Einstellung hart an sich arbeitet, können sozialer Hintergrund und
Behinderung überwunden werden.“ Das soll das Motto seiner Schule werden.
2 Sep 2012
## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn
Daniel Zylbersztajn
## TAGS
Radsport
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