# taz.de -- Radrennen in Ruanda: Aufstieg mit Hindernissen | |
> Für die afrikanischen Radsporttalente ist die Tour du Rwanda eine seltene | |
> Gelegenheit für wichtige Erfahrungen. Das Zuschauerinteresse ist groß. | |
Bild: Die Tour du Rwanda lockt viele Menschen an die Strecke | |
Die Radsportbegeisterung ist groß in Ruanda. Sie sieht manchmal ein | |
bisschen gelenkt aus, wenn auch wochentags ganze Schulklassen, gut | |
auszumachen in ihren farbenfrohen Uniformen, aufgereiht am Straßenrand | |
stehen, als seien sie zum Appell beordert. Aber auch Frauen und Männer, die | |
auf eigenen Feldern arbeiten, eilen an die Strecke, wenn das Peloton sich | |
nähert, und winken mit allem, was sie haben – Hände, Hacken oder Hämmer. | |
Das weckt Erinnerungen [1][an den Genozid in Ruanda], als Hacken auch | |
schlimme Mordinstrumente waren. Ein Mitarbeiter der Gedenkstätte in Murambi | |
sagt zu dieser Assoziation: „Schau, auch unsere Soldaten haben hier | |
Maschinenpistolen wie einst die Regierungstruppen, die beim Genozid | |
gemordet haben. Jetzt aber schützen sie uns.“ Er selbst ist ein | |
Überlebender der Massaker. | |
Das Fangeschehen [2][rund um die Tour du Rwanda] ist auch durch die | |
einheimischen Fußballultras geprägt. Sie sind in den Nationalfarben | |
geschminkt und mit Vuvuzelas ausgerüstet – spätestens seit der Fußball-WM | |
in Südafrika Inbegriff afrikanischer Fußballfankultur. | |
Die Radprofis sind von alldem sehr angetan. „So viel Zuspruch hat man bei | |
vielen Rennen in Europa nicht“, sagt Vinzent Dorn vom saarländischen | |
Continental Rennstall Bike Aid. Gut, Dorn hat noch keine Tour de France | |
mitgemacht, bei der die Menschen ein wenig gedrängter am Straßenrand | |
stehen. Wünschen würde man das dem Rennstall eigentlich, schon allein wegen | |
deren Mission, in neue Radsportländer vorzudringen, vor Ort zu helfen und | |
vor allem Talenten aus benachteiligten Nationen zum Sprung in den bezahlten | |
Leistungssport zu verhelfen. | |
## Zu wenig Herausforderungen | |
Zum aktuellen Kader gehören mit Yoel Habteab und Dawit Yemane zwei Männer | |
aus Eritrea. Für sie ist das Rennen auf dem Heimatkontinent ein | |
Großereignis. Sie wollen glänzen. Sprinter Habteab wurde beim Massensprint | |
der 2. Etappe immerhin 14. Vor allem aber haben er und Yemane den Vorteil, | |
bei Rennen in Europa auf Pelotons mit höherer Leistungsdichte zu treffen | |
und sich in diesem Kontext auch technisch-taktisch weiterzuentwickeln. | |
„Daran mangelt es noch bei uns in Eritrea“, sagt Samson Solomon, Trainer | |
der eritreischen Nationalmannschaft, die ebenfalls am Rennen teilnimmt. | |
„Gern hätten wir auch ein UCI-Rennen in Eritrea, damit unsere Talente sich | |
zeigen können und besser den Sprung nach Europa schaffen.“ | |
An Talenten [3][sind vor allem Eritrea] und mittlerweile Ruanda reich | |
gesegnet. „Wichtig ist aber, dass du schon in jungen Jahren nach Europa | |
gehst, dort Rennen fährst, dich ans Fahren im Peloton gewöhnst, aber auch | |
ans Wetter und ans andere Essen“, mahnt Tsgabu Grmay. Der Äthiopier hat | |
eine Karriere in der WorldTour hingelegt und will jetzt sein Wissen als | |
Kapitän des Teams des Radsportleistungszentrums vom Weltverband UCI im | |
schweizerischen Aigle weitergeben. „2012 war ich selbst in diesem Zentrum. | |
Wir waren damals die erste Generation. Es gab noch keinen einzigen | |
schwarzen Fahrer im Profipeloton“, blickt er zurück. | |
Jetzt ist das anders, auch wegen des Leistungszentrums. Seinen jungen und | |
physisch sehr talentierten Teamkollegen will er vor allem mentale Stärke | |
vermitteln. „Du musst für den Radsport brennen, immer alles dafür geben“, | |
sagt er. | |
Motivationshemmer für afrikanische Sportler gibt es allerdings einige. „Wir | |
bekommen nur Visa für drei Monate. Eine Rennsaison ist aber viel länger. Da | |
haben wir weniger Chancen“, klagt Eric Muhoza. Der Mann aus Ruanda fuhr im | |
vergangenen Jahr noch bei Bike Aid, machte aber auch wegen der Visafrage | |
den Schritt zurück nach Afrika. Er erklärt: „Ich bin jetzt bei Team Amani, | |
einem Gravel Team. Über viele Siege bei den Gravelrennen will ich | |
Worldtour-Teams auf mich aufmerksam machen.“ | |
An der Tour du Rwanda nimmt Muhoza als Mitglied der ruandischen | |
Nationalmannschaft teil und hofft auf Etappensiege und einen guten Platz im | |
Gesamtklassement. Die Rundfahrt endet am Sonntag in Kigali, unter anderem | |
mit einer Bergwertung auf dem Mont Kigali, dem Berg, der auch zum WM-Kurs | |
2025 gehören wird. Diese Weltmeisterschaft ist ein Fixpunkt für den | |
afrikanischen Radsport. Entweder wird dort die nächste Entwicklungsstufe | |
erreicht oder nach dem Prestigeprojekt werden die Ressourcen wieder | |
abgezogen. Die Prognose ist so ungewiss wie der Ausgang des Rennens auf dem | |
nach Auskunft Ortskundiger bis zu 20 Prozent schweren Anstieg. | |
20 Feb 2024 | |
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## AUTOREN | |
Tom Mustroph | |
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