| # taz.de -- Radsport in Afrika: Unbehagliches Radeln | |
| > Ein kriegerischer Konflikt gefährdet den Sport in Ruanda. Die größte | |
| > Radtour findet dennoch statt. Und die Weltmeisterschaft im Herbst? | |
| Bild: Große Begeisterung: Radsportfans am Rande der Tour du Rwanda | |
| Normalerweise war die Tour du Rwanda immer ein fester Bestandteil des | |
| Rennkalenders, doch in diesem Jahr war sich das deutsche Radsportteam | |
| Bikeaid unsicher, ob es die weite Reise in das ostafrikanische Ruanda | |
| antreten sollte. „Eigentlich habe ich mich sehr auf das Rennen gefreut, | |
| weil ich beim letzten Mal die Atmosphäre super fand und auch die Region | |
| echt spannend ist“, erzählt Vinzent Dorn, [1][Fahrer beim Team Bikeaid]. Am | |
| Ende habe man sich für eine Teilnahme entschieden. „Und trotzdem hatte ich | |
| in diesem Jahr so ein bisschen ein flaues Gefühl in der Magengegend.“ | |
| Kein Wunder, denn die Tour du Rwanda findet nicht nur [2][am Rande eines | |
| Krisengebiets statt], sondern auch in einem Land, dem von der UN | |
| vorgeworfen wird, direkt an diesem tödlichen Konflikt beteiligt zu sein. | |
| Bereits seit Jahrzehnten ist der angrenzende Osten der Demokratischen | |
| Republik Kongo umkämpft, es geht um Bodenschätze, aber auch um ethnische | |
| Konflikte. Im Januar 2025 eroberte die Rebellenmiliz M23, offenbar | |
| unterstützt von Ruanda sowie Uganda, die ostkongolesische Stadt Goma. Mehr | |
| als 3.000 Menschen sollen den Kämpfen bislang zum Opfer gefallen sein, | |
| Hunderttausende sind auf der Flucht. | |
| Eben dort findet derzeit nun das größte Radrennen des Kontinents statt; im | |
| September soll Ruanda die Straßenrad-WM austragen – als erstes | |
| afrikanisches Land überhaupt. Die acht Rennabschnitte der Tour führen über | |
| etwa 800 Kilometer durch Ruanda, dabei kommt das Peloton dem Krisengebiet | |
| teilweise gefährlich nahe. So lag der Ziel- und Startort der dritten Etappe | |
| nur wenige Kilometer von der ostkongolesischen Grenze und somit von Goma | |
| entfernt. | |
| ## Enorme Sicherheitsvorkehrungen | |
| Partystimmung herrschte dort trotzdem, von dem Konflikt habe man nichts | |
| mitbekommen, beschreibt Dorn die Situation. Das läge zum einen an den | |
| enormen Sicherheitsvorkehrungen, zum anderen würden die Teams während der | |
| ganzen Tour du Rwanda vom politischen Geschehen abgeschirmt. Er fühle sich | |
| aber auch aus einem anderen Grund sicher: „Wenn einer weißen Person im | |
| Kontext des Rennens etwas passieren würde, hätte das drastische Folgen“, | |
| glaubt Dorn. „Ich habe eher ein mulmiges Gefühl bei dem Gedanken, dass mein | |
| Leben als weißer Mann aus Deutschland mehr wert ist als das Leben von den | |
| vielen Menschen hier, die in den letzten Wochen gestorben sind.“ | |
| Doch nicht alle teilen dieses Sicherheitsempfinden. So sagte das belgische | |
| Soudal-Quick-Step-Team, eines der besten Radsportteams der Welt, seine | |
| Teilnahme ab – wegen eben jener Nähe zum Krisengebiet. [3][David | |
| Lappartient, Präsident des Radsportweltverbands UCI], hält dennoch an der | |
| Austragung der Weltmeisterschaften fest. Ruanda sei für den Tourismus und | |
| die Wirtschaft weiterhin sicher, außerdem sei der Radsport ein Botschafter | |
| für Frieden, Freundschaft sowie Solidarität, heißt es von der UCI. | |
| Um jegliche Bedenken aus der Welt zu schaffen, besuchte Lappartient, der | |
| Ende März auch mit der Hilfe afrikanischer Stimmen zum neuen Präsidenten | |
| des Internationalen Olympischen Komitees gewählt werden möchte, dann auch | |
| den Auftakt zur Tour du Rwanda – gemeinsam mit Staatschef Paul Kagame. | |
| ## Politische Verfehlungen in den Hintergrund rücken | |
| Dieser ist wiederum dafür bekannt, das negative Image Ruandas – Kagame | |
| werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen, die Opposition wird | |
| unterdrückt – durch hochkarätige Sportveranstaltungen sowie Sponsorings | |
| aufpolieren zu wollen. Nicht nur die UCI pflegt enge Verbindungen zu dem | |
| Land, auch die Fifa, die Formel 1 sowie der FC Bayern München sind auf die | |
| eine oder andere Art geschäftlich mit Ruanda verbunden. | |
| Die Befürchtung, instrumentalisiert zu werden, sei durchaus ein Thema im | |
| Fahrerfeld, berichtet Dorn. „Einfach, dass der Sport beziehungsweise wir | |
| als Sportler dafür benutzt werden, politische Verfehlungen in den | |
| Hintergrund zu rücken“, so der 26-Jährige, der seine zweite Tour du Rwanda | |
| fährt. „Einerseits will ich mich nicht benutzen lassen, andererseits will | |
| ich aber auch, dass der Sport im Vordergrund steht und wir damit auf | |
| bestimmte Themen aufmerksam machen können.“ | |
| Trotzdem freue sich Dorn, dass die WM an Ruanda vergeben wurde, denn das | |
| Land sei radsportverrückt – unter einer Voraussetzung: „Ich hoffe | |
| natürlich, dass Herr Lappartient den Konflikt zum Thema macht und sich | |
| dafür einsetzt, dass sich die humanitäre Lage verbessert, wenn er mit den | |
| Verantwortlichen hier spricht.“ Die Entscheidung, zur Tour du Rwanda | |
| gereist zu sein, bereut Dorn zumindest aus sportlicher Sicht nicht, denn | |
| noch liegt er im Rennen um das Bergtrikot vorne. | |
| 27 Feb 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.bikeaid.de/ | |
| [2] https://en.wikipedia.org/wiki/2025_Goma_offensive | |
| [3] https://www.olympics.com/en/video/new-uci-president-pledges-to-fight-techno… | |
| ## AUTOREN | |
| Katarina Schubert | |
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