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# taz.de -- Transparenz bei Lobbyismus: „Immer auf den Absender schauen“
> Dass Lobbyisten im Netz für ihre Positionen werben, ist Timo Lange von
> LobbyControl klar. Umso wichtiger sind für ihn Transparenzgebote.
Bild: Greenpeace mächtig? Immerhin haben sie einen eigenen Zeppelin.
taz: Herr Lange, Industrielobbyisten sagen oft, dass sie eigentlich der
David seien und Organisationen wie Greenpeace der Goliath. Haben sie
womöglich recht?
Timo Lange: Auf keinen Fall. Dass die Nichtregierungsorganisationen in
Wahrheit die Mächtigeren sind, ist Unsinn. Sicherlich gibt es erfolgreiche
NGOs. Dennoch gibt es durch die Budgets und die Nutzung von privilegierten
Zugängen zur Politik ein starkes Ungleichgewicht bei der Einflussnahme.
Schwächere Interessen drohen unter die Räder zu geraten. Gerade deshalb
brauchen wir mehr Regeln, die für alle gelten, die Schranken für Lobbyisten
setzen und die mehr Transparenz herstellen.
Trotzdem hilft es nicht weiter, dass die Industrievertreter meist als böse
Lobbyisten gelten, die NGOs als gute Aufklärer.
Inhaltlich lässt sich Lobbyismus nicht in „Gut“ und „Böse“ aufteilen,…
methodisch: „Schlecht“ ist Lobbyarbeit dann, wenn unlautere Mittel
eingesetzt werden, wenn verdeckt gearbeitet wird. Das ist unabhängig davon,
ob das eine NGO oder ein Wirtschaftsverband macht.
Das Beispiel Acta, als weltweit Abertausende gegen Schranken im Internet
demonstrierten, zeigte, wie schnell Widerstand aus dem Netz in die reale
Welt überschwappt: War das ein Indiz, wie stark zivilgesellschaftliche
Lobbyarbeit schon ist?
Das Thema Partizipation bewegt viele Menschen seit einigen Jahren nicht nur
vor dem Hintergrund von Infrastruktur-Großprojekten wie dem Bahnhofsneubau
in Stuttgart stark. Durch das Internet haben sich Mobilisierungsstrategien
verändert. Das betrifft aber natürlich auch die Lobby- und
Unternehmensseite. Dort werden neuerdings Partizipationsveranstaltungen
konstruiert, damit das Gefühl vermittelt wird, hier wurde mitgesprochen. Es
ist ein Trick, Akzeptanz zu schaffen, ohne ungeliebte Entscheidungen zu
riskieren.
Das heißt: Bevor man die neue Stärke der Zivilgesellschaft bejubelt, sollte
man bedenken, wer das Netz auch noch nutzt?
Jedenfalls muss man immer auf den Absender schauen. Natürlich nutzen auch
Lobbyisten die Kommunikationsplattformen im Internet, um für ihre
Positionen zu werben. Wenn unklar ist, wer da im Netz wofür wirbt, könnte
es sich um eine Variante des Astroturfingphänomens handeln: Man tut so, als
sei man eine Bewegung oder Initiative von unten, während sie tatsächlich
von oben gesteuert oder finanziert wird. Umso wichtiger sind
Transparenzgebote wie etwa ein Lobbyregister.
Was soll ein Lobbyistenregister bringen? Die USA haben ein Lobbyregister,
trotzdem ist Washington voller sehr einflussreicher Lobbyisten.
Die Situation ist in den USA insgesamt anders. Aber nehmen wir hierzulande
den Bahnskandal: Da hat die Bahn verdeckt die Aktivitäten der vermeintlich
unabhängigen Denkfabrik Berlinpolis finanziert. Sie wollte damit dem
breiten Protest gegen die geplante Bahnprivatisierung entgegenwirken.
Aufgeflogen ist das erst zwei Jahre später durch unsere Recherche.
Ein Lobbyregister hilft dabei, solche verdeckten Strategien und Methoden zu
verhindern. Es würde die Kräfteverhältnisse zwischen den verschiedenen
Lobbygruppen sehr viel sichtbarer machen. Wir wüssten, wie viele Lobbyisten
es gibt, für wen sie arbeiten und mit welchen Budgets.
Wahrscheinlich ist aber Ihre Forderung nach einer „Karenzzeit“ wesentlich
brisanter: Ausscheidende Politiker sollen drei Jahre warten müssen, bis sie
etwa in einem Industrieverband mitarbeiten …
… der sogenannte Drehtüreffekt. Uns geht es vor allem darum, zu sagen:
Innerhalb der drei Jahre nach dem Ausscheiden aus dem Amt sollten
Lobbytätigkeiten nicht möglich sein. Und zwar nicht nur in dem Bereich, für
den jemand vorher politisch zuständig war, sondern allgemein. Denn bei so
einem Seitenwechsel wird dann ein riesiges Kontaktnetzwerk, ein in
öffentlichem Auftrag erworbenes Insiderwissen und Know-how weitergetragen.
Das führt zu einem einseitigen Vorteil für bestimmte Interessengruppen,
meist aus der Wirtschaft. Darüber hinaus besteht die Gefahr von
Interessenkonflikten: Wenn Entscheidungen noch während der Amtszeit an
einem möglichen zukünftigen Arbeitgeber ausgerichtet werden.
Um jetzt mal mit Gerhard Schröder zu sprechen: Was ist falsch daran, wenn
ein Exkanzler seine guten Kontakte zu Herrn Putin nutzt, um uns den Zugang
zu den großartigen Gasreserven Russlands zu bahnen?
Es ist falsch, weil es die Demokratie untergräbt. Schröder handelt doch
nicht im öffentlichen Auftrag, um den Zugang zu Gaslieferungen zu sichern.
Vielmehr kaufte Gazprom Schröders Kontaktnetzwerk ein, um gegenüber der
Politik besser aufgestellt zu sein. Das können sich nur finanzstarke
Unternehmen und Lobbyorganisationen leisten. Wenn der Bundeskanzler in den
letzten Monaten seiner Amtszeit noch so ein Projekt einfädelt und dann
direkt zu der dafür verantwortlichen Firma wechselt und davon profitiert,
lässt sich vermuten, dass die Entscheidung für Nord Stream nicht nur als
Ergebnis einer Abwägung objektiver Argumente getroffen wurde. Zumindest
bleibt ein bitterer Nachgeschmack.
Nun gibt es so einflussreiche Lobbyisten wie Schröder nicht so häufig. Wäre
es statt des Einsatzes hochbezahlter Lobbyisten nicht effizienter, die drei
Chefs von Bild, FAZ und Spiegel an einen Tisch zu holen und zu sagen,
Leute, wir müssen da jetzt mal was machen?
Ich würde das als etwas Komplementäres sehen, das die direkte Lobbyarbeit
vorbereitet und begleitet. Mir fällt es natürlich viel leichter, einen
Abgeordneten auf meine Seite zu bringen, wenn es vorher schon eine große
mediale Kampagne zu dem Thema gab. Nehmen wir die europäische
Chemikalienverordnung REACH. Dort ging es zu Beginn der Debatte vor allem
um Themen wie Umwelt- und Gesundheitsschutz.
Hier schaffte es die Chemieindustrie, über geschickt zum richtigen
Zeitpunkt platzierte Zeitungsartikel und Auftragsstudien den Rahmen der
Debatte hin zu Themen wie Wettbewerbsfähigkeit, Arbeitsplatzverlust und
Wohlstand zu verschieben. So etwas ist eine viel bessere Ausgangsbasis für
die direkte Lobbyarbeit bei Politikern.
Ähnlich funktionierte jahrelang die Stimmungsmache der Initiative Neue
Soziale Marktwirtschaft, INSM. Aber wenn die Leute deren Meinungsangebot
überzeugend finden und übernehmen, dann ist das Demokratie. Wo ist das
Problem?
Wenn auf Publikationen und Studien der INSM klar draufstehen würde: „Die
Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie sagen: Mehr
Eigenverantwortung ist gut“, dann wäre schon einiges erreicht. Es ist immer
noch vielen Leuten und auch Journalisten nicht bewusst, wer die INSM
finanziert. Die INSM ist eine PR-Kampagne. Wenn die INSM als Quelle einer
Information auftaucht, gehört dazu die vollständige Information über die
Auftraggeber und ihre Ziele.
Was die Aufgabe der Medien, der Journalisten ist.
Genau.
10 Sep 2012
## AUTOREN
M. Bröckers
U. Winkelmann
## TAGS
Bildung
EU-Kommission
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