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# taz.de -- Rentner und Armut: Aus Scham nicht zum Amt
> Mehr als 700.000 Rentner beziehen keine Grundsicherung, obwohl sie einen
> Anspruch darauf hätten. Eine Studie sagt, sie schämen sich.
Bild: Kennen hoffentlich ihren Grundsicherungsanspruch: Rentner auf der Besuche…
BERLIN taz | Rund 400.000 Rentner beziehen in Deutschland Grundsicherung im
Alter, weil ihre Rente nicht ausreicht. Doch das Ausmaß der Altersarmut ist
viel größer.
Das besagt eine neue Untersuchung der Armutsforscherin Irene Becker von der
Universität Frankfurt am Main. „Deutlich mehr als die Hälfte,
möglicherweise sogar gut zwei Drittel der bedürftigen alten Menschen
setzten ihre Ansprüche auf Mindestsicherungsleistungen nicht durch“, so ihr
überraschendes Fazit.
Die Wissenschaftlerin erforscht seit Jahren die „verdeckte Armut“. Von ihr
spricht man, wenn Menschen nicht zum Sozialamt gehen, obwohl sie Anspruch
auf Unterstützung hätten. Als 2005 die Arbeitslosen- und Sozialhilfe
reformiert wurde, wollte der Gesetzgeber diesem Phänomen Einhalt gebieten.
Er verpflichtete die Rentenkasse dazu, Kleinrentner auf ihre potenziellen
Ansprüche auf Grundsicherung aufmerksam zu machen. Dieses Ziel sei offenbar
nicht erreicht worden, so Becker.
Sie hat für ihre Studie Zahlen des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP), einer
repräsentativen Haushaltsbefragung, für das Jahr 2007 ausgewertet. Dabei
kommt heraus: 68 Prozent oder 734.000 Menschen ab 65 Jahre bezogen 2007
keine Grundsicherung im Alter, obwohl sie Anspruch darauf gehabt hätten.
Selbst wenn man die Älteren herausrechnet, die selbst genutztes
Wohneigentum besaßen und deswegen keinen Anspruch auf Grundsicherung gehabt
hätten, blieben 57 Prozent oder 460.000 verdeckte Arme übrig. Die
Dunkelziffer bei unter 65-Jährigen liegt hingegen niedriger. Hier nähmen
maximal 39 Prozent ihren Anspruch auf Grundsicherung im erwerbsfähigen
Alter nicht wahr, so Becker.
Das Phänomen der verdeckten Altersarmut werde aber selbst in ihren Zahlen
noch unterschätzt, schreibt die Forscherin. Denn Menschen, die den Gang zum
Sozialamt scheuen, schreckten auch häufiger vor Haushaltsbefragungen
zurück, vermutet sie. Zudem hat Becker, um Ungenauigkeiten zu vermeiden,
bei ihren Berechnungen gleich alle Älteren ausgeschlossen, die Sparguthaben
bis zu 2.600 Euro besitzen oder geringe Grundsicherungsansprüche von bis 30
Euro monatlich haben.
Um gegenzusteuern, empfiehlt Becker, Arme besser über ihre Ansprüche
aufzuklären und Vorschriften für angemessenen Wohnraum zu lockern: Denn die
Angst, zum Umzug gezwungen zu werden, halte möglicherweise viele Ältere vom
Gang zum Sozialamt ab.
10 Sep 2012
## AUTOREN
Eva Völpel
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