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# taz.de -- Ottmar Schreiner zur Rentendebatte: „Nur bedingt tauglich“
> Kein Nein zur Rente mit 67, kein Wille, das Rentenniveau zu
> stabilisieren: Der SPD-Linke Ottmar Schreiner kritisiert die
> Reformvorschläge Sigmar Gabriels.
Bild: Keine Rente mit 67: Ein Bekenntnis, dass Sigmar Gabriel vermeidet.
taz: Herr Schreiner, das Rentenkonzept Ihres Parteivorsitzenden Sigmar
Gabriel wurde lange zurückgehalten. Es hieß, im Vorwahljahr müsse ein
Vorschlag Hand und Fuß haben. Hat er das?
Ottmar Schreiner: Der Vorschlag ist nur sehr bedingt wahlkampftauglich.
Schade, das Thema Rente ist generationenübergreifend von hohem Interesse.
Von der Absenkung des Rentenniveaus von 51 auf 43 Prozent im Jahr 2030 und
von der Rente mit 67 will Gabriel nicht abrücken. Wird die SPD ihren
Agenda-2010-Kurs doch nicht los?
Das sieht im Augenblick so aus. Es wäre jammerschade. Innerhalb der Partei
und unter den Gewerkschaften trifft der Vorschlag, die Beschlüsse zu
korrigieren, auf große Zustimmung. Eine Korrektur ist überfällig, weil die
kapitalgedeckte Riesterrente ihren Zweck verfehlt. Sie sollte ja die
Senkung des Niveaus bei der gesetzlichen Rente ausgleichen.
Das Konzept verschweigt sogar geltende SPD-Beschlüsse: dass die Rente mit
67 erst kommen soll, wenn 50 Prozent aller Älteren
sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind.
Das ist ein einstimmiger Parteitagsbeschluss, hinter den kann die SPD nicht
zurück.
Gabriel schlägt vor, das sinkende Rentenniveau über mehr Betriebsrenten
aufzufangen. Kann das funktionieren?
Ich halte das für eine Illusion. Selbst im Papier scheinen Zweifel durch,
ob man flächendeckend Betriebsrenten einführen kann. Wir wissen schon von
der Riesterrente, dass ein kapitalgedecktes Verfahren weniger Erträge
abwirft als das Umlageverfahren in der gesetzlichen Rentenkasse. Warum
sollte das bei Betriebsrenten anders sein? In den USA hat die
Kapitaldeckung dazu geführt, dass Millionen von Renten entwertet wurden.
Gabriel sagt: Um das Rentenniveau bei 51 Prozent zu stabilisieren, müsste
der Beitragssatz auf über 22 Prozent steigen. Das will er nicht verkaufen –
und Sie?
Das ist nicht richtig. Der DGB hat vorgerechnet: Wenn man auf die jetzt
geplanten Beitragssenkungen in Richtung 19 Prozent verzichtet und ab 2014
den Beitragssatz um jährlich 0,1 Prozentpunkte erhöht bis auf maximal 22
Prozent im Jahr 2025, kann man alles finanzieren: den Verzicht auf die
Rente mit 67 und die Stabilisierung des Rentenniveaus. Es wäre sogar noch
Geld da für eine Rente nach Mindesteinkommen. Wir müssen die DGB-Zahlen
diskutieren.
Will Gabriel den Weg für eine große Koalition mit der SPD als Juniorpartner
ebnen? Viele der Vorschläge ähneln denen aus der CDU.
Es gibt große Differenzen. Wir sagen im Unterschied zu
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen, man muss das Entstehen der
Altersarmut auch auf dem Arbeitsmarkt bekämpfen. Trotzdem bleibt der
unangenehme Beigeschmack, dass das Papier deckungsgleich mit den
CDU-Vorschlägen gemacht werden könnte.
Die SPD war in der Debatte schon mal weiter. Die Idee einer
Erwerbstätigenversicherung taucht im Papier gar nicht mehr auf.
Hier zeigt sich, dass fast alle Leute, die in Partei und Fraktion in den
letzten Jahren mit dem Thema Rente befasst waren, an der Diskussion nicht
beteiligt wurden. Das ist nicht klug, wenn man einen Vorschlag erarbeiten
will, hinter dem sich die ganze Partei versammeln soll.
Wie geht es weiter? Der Berliner Landesverband will das Rentenniveau auch
nicht absenken. Droht der SPD jetzt eine Runde Selbstzerfleischung?
Das wäre die dümmste Entwicklung. Das Papier ist ein Vorschlag. In den
nächsten Tagen will Gabriel mit den Gewerkschaftsspitzen reden. Alles hängt
jetzt davon ab, ob die Führung bereit ist, überzeugende Einwände aus SPD
und Gewerkschaften aufzunehmen.
11 Sep 2012
## AUTOREN
Eva Völpel
## TAGS
SPD
SPD
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