# taz.de -- Debatte Zuschussrente: Altersarmut bleibt weiblich | |
> Von der Leyens Zuschussrente hilft nicht. Gerade die Frauen, die ihr | |
> angeblich am Herzen liegen, werden durch den Rost fallen. | |
Bild: Statistisch ärmer ins Alter: Frauen werden wirtschaftlich mehrfach diskr… | |
Mit ihrem öffentlichen Aufschrei über die drohende Altersarmut in der Mitte | |
der Gesellschaft will Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen ihre | |
Zuschussrente von 850 Euro für langjährig beschäftigte Geringverdiener | |
durchsetzen. | |
[1][Kommt ihr Vorschlag durch,] werden jedoch gerade die Frauen, deren | |
Alterssicherung von der Leyen zu ihrem Herzensanliegen erklärt, erneut | |
durch den Rost fallen. Mit 35 Beitragsjahren und 40 Jahren Riesterrente | |
sind gerade für sie die Voraussetzungen für eine Zuschussrente zu hoch. | |
Derzeit erhalten Frauen Niedrigrenten von durchschnittlich 529 Euro, selbst | |
bei langjährig Versicherten sieht mit 600 Euro die Lage nicht viel besser | |
aus. Frauen erhalten somit den Großteil der Armutsrenten. | |
## Noch höhere Diskriminierung | |
Ebenfalls mit großer Mehrheit vertreten sind sie bei beruflichen | |
Tätigkeiten unter einem Bruttomonatseinkommen von 2.500 Euro und damit | |
unter der magischen Grenze für die Armutsrente im Jahr 2030. Dies gilt | |
besonders für Tätigkeiten im Einzelhandel, in Gaststätten, Erziehung, | |
Pflege und anderen personenbezogenen Dienstleistungen. So liegt das | |
mittlere Einkommen für Frauen um 27 Prozent unter dem der Männer – mit | |
einer noch höheren Diskriminierung sogar in frauentypischen | |
Wirtschaftsbereichen wie Handel und Gastgewerbe. | |
Daher sind Armutsrenten für sie vorprogrammiert, wenn das Rentenniveau | |
weiter von jetzt 51 Prozent auf 43 Prozent bis 2030 absinkt. Frauen sind | |
auch bei den Witwenrenten benachteiligt, da auch die Rentenleistungen für | |
Männer erheblich zurückgehen. Bis heute ist es nicht möglich, für Frauen in | |
Partnerschaften ausreichende eigene Rentenansprüche aufzubauen. | |
Ein besonders hohes Armutsrisiko haben daher nicht nur alleine lebende | |
Frauen mit und ohne Kinder, sondern auch diejenigen in familiären | |
Gemeinschaften – auch, wenn die Paarbeziehung im Alter hält und | |
Kindererziehungs- sowie Pflegeleistungen bei den Renten angerechnet werden. | |
## SPD in schwieriger Gefechtslage | |
Bei dem jetzigen Renten-Poker ist die Opposition aus SPD und Grünen in | |
einer besonders schwierigen Gefechtslage. Mit den Hartz-Gesetzen sowie der | |
Riester-Rentenreform von 2001 hat die damalige rot-grüne Bundesregierung | |
zwar wesentliche Weichen für das neue deutsche Beschäftigungswunder und | |
damit auch die erheblichen Überschüsse bei den Sozialversicherungen | |
gestellt. Dafür müssen Millionen Menschen aber einen bitteren Preis zahlen: | |
langanhaltende Arbeitslosigkeit, unanständig niedrige Löhne, Renten und | |
wachsende Armut. | |
Deshalb kommt es für die SPD mit Blick auf die Bundestagswahlen 2013 darauf | |
an, die gravierenden Schwachstellen bei den Arbeitsmarkt- und | |
Rentenreformen offen anzupacken – auch wenn laut Umfragen noch keine | |
Koalitionskonstellation in Sicht ist, mit der sich eine andere | |
Rentenpolitik umsetzen ließe. | |
Gerade für Frauen wäre es eine erhebliche Verbesserung, wenn endlich ein | |
allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro durchgesetzt und weiter | |
angehoben wird. Vor allem aber muss die SPD das politische Tabu der | |
unsäglichen 7,4 Millionen geringfügigen Arbeitsverhältnisse brechen – eine | |
wesentliche Ursache für Armut trotz Arbeit jetzt und im Alter – und die | |
milliardenschweren Ausfälle bei den Beiträgen auch für die gesetzliche | |
Kranken- und Pflegeversicherung. | |
## Rentenschere tariflich schließen | |
Einen derartigen massiven Kombilohnsektor mit staatlicher Subventionierung | |
der Wirtschaft bei Löhnen und Sozialversicherungsbeiträgen zulasten der | |
betroffenen Menschen gibt es in keinem weiteren vergleichbaren | |
EU-Mitgliedsland. Auch die Gewerkschaften sind gefordert, die sich weiter | |
öffnende Lohnschere zulasten der Frauen über alle Wirtschafts- und | |
Berufsbereiche in der Tarif- und Betriebspolitik zu schließen. | |
In der Rentenversicherung muss der weitere Abfall der Rentenleistungen | |
aufgehalten sowie der bisherige möglichst rückgängig gemacht werden. Dazu | |
müssen vor allem die Einkommensausfälle infolge der ausufernden | |
Niedriglöhne ausgeglichen und die 1992 ausgelaufene Rente nach | |
Mindesteinkommen wieder eingeführt werden. Dabei wurden Geringverdiener bei | |
der Rente so bewertet, als hätten sie 75 Prozent des Durchschnittsentgelts | |
aller Versicherten erhalten. | |
Darüber hinaus sollten die eigenen erworbenen Rentenansprüche bei der | |
ergänzenden Grundsicherung zumindest teilweise nicht angerechnet werden. | |
Durch ausreichende Freibeträge könnten die Rentenansprüche bis zu 850 Euro | |
ansteigen. Dies wäre die bei Weitem bessere Alternative zur Zuschussrente | |
von der Leyens. Auch die Rente mit 67 und die damit verbundenen weiteren | |
Rentenkürzungen müssen ausgesetzt werden. | |
## Genügend Spielräume | |
Ein zweischneidiges Schwert gerade für Frauen ist die von der SPD geplante | |
Stärkung der betrieblichen Alterssicherung. Diese war bereits ein | |
Bestandteil der Riesterreform. Mit Ausnahme des öffentlichen Dienstes haben | |
aber nur wenige Frauen Zugang zu betrieblichen Altersrenten; ihre Ansprüche | |
sind zudem erheblich niedriger als die der Männer. | |
Ob die Einführung einer obligatorischen betrieblichen Altersversorgung für | |
die Frauen zu einer Verbesserung führt, hängt maßgeblich von den | |
Bedingungen ihrer Ausgestaltung ab. Ein Patentrezept zur Bekämpfung von | |
Niedrigrenten und Altersarmut für Frauen ist dies nicht. Auch die | |
betriebliche Altersversorgung gerät in den Sog der Finanzkrisen und wird in | |
den nächsten Jahren eher gefährdet. Keinesfalls darf der Ausfall von | |
Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen die Spielräume der gesetzlichen | |
Altersversorgung weiter einengen. | |
Wenig überzeugend ist das ständige Argument, derartige Verbesserungen seien | |
nicht zu finanzieren. Die Überschüsse in der Rentenversicherung von derzeit | |
28 Milliarden Euro bieten genügend Spielräume. Die SPD ist gefordert, die | |
auf Initiative der Bundesarbeitsministerin vom Bundeskabinett beschlossene | |
Absenkung der Beiträge von 19,6 auf 19,0 Prozent zu verhindern. Und noch | |
immer ist die Einführung einer Erwerbstätigenversicherung überfällig, also | |
die Einbeziehung von Beamten und Selbstständigen in die gesetzliche Rente – | |
und damit die Erweiterung der Rentensolidarität. | |
6 Sep 2012 | |
## LINKS | |
[1] /Rentenplaene-der-CDU/!101109/ | |
## AUTOREN | |
Ursula Engelen-Kefer | |
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