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# taz.de -- Studie über Bildungschancen: Ungleichheit verlagert sich
> Eine neue Studie zeigt: Immer mehr Kinder aus bildungsfernen Familien
> machen Abitur. Aber immer weniger von ihnen studieren.
Bild: Haben Arbeiterkinder darauf keine Lust? Ein Hörsaal in Aachen.
BERLIN taz | Junge Menschen aus bildungsfernen Familien schließen immer
häufiger mit dem Abitur oder Fachabitur ab – nehmen anschließend aber immer
seltener ein Studium auf. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue [1][Studie]
der privaten Vodafone-Stiftung, die am Montag in Berlin vorgestellt wurde.
Der Bildungsforscher Steffen Schindler hat untersucht, wie sich die
Bildungschancen von den 70er-Jahren bis heute entwickelt haben. Es ist die
bisher größte Studie über den Zusammenhang von Hochschulzugang und sozialer
Herkunft im Zeitverlauf.
Ende der 60er-Jahre – zu Beginn der Bildungsexpansion – machten weniger als
10 Prozent der Schülerinnen und Schüler Abitur. Heute erlangt fast die
Hälfte eines Altersjahrgangs die Hochschulreife.
Geschuldet ist das vor allem den Berufsschulen, Fachgymnasien und dem
zweiten Bildungsweg: Der überwiegende Teil der Schüler aus formal niedrig
gebildeten Elternhäusern erreicht auf diesem Weg die Hochschulreife. Daher
verfügen heute insgesamt 35 Prozent der Schulabgänger aus bildungsfernen
Familien über die Berechtigung, an einer Hochschule zu studieren. Mitte der
70er-Jahre waren das gerade einmal 15 Prozent.
## Kritik am Gymnasium
Dem traditionellen Gymnasium stellt die Studie hingegen kein gutes Zeugnis
aus: Es ist weitgehend die Trutzburg des Bildungsbürgertums geblieben.
Mitte der 70er-Jahre hatten Schüler, deren Eltern das Abitur haben, eine
zwölfmal so hohe Chance, selbst die Hochschulreife an einem Gymnasium zu
erwerben, wie Schüler, deren Eltern maximal den Hauptschulabschluss haben.
Auch heute noch haben Kinder aus hochgebildeten Familien eine siebenmal so
große Chance auf das klassische Abitur wie Kinder bildungsferner Eltern.
Wesentlich abgenommen hat die Chancenungleichheit an den Schulen, die
jenseits des Gymnasiums zur Hochschulreife führen.
Trotzdem nimmt anschließend ein immer geringerer Anteil dieser Abiturienten
der ersten Generation ein Studium auf: Gingen Mitte der 70er-Jahre noch 80
Prozent der studienberechtigten Schüler, deren Eltern maximal den
Hauptschulabschluss haben, an die Hochschulen, sind es heute nur noch 50
Prozent. Die Studienfreude der Bildungsbürger-Kinder ist dagegen nahezu
ungebrochen.
## Abitur als Voraussetzung
Mehr Chancengleichheit beim Abitur, dafür weniger beim Wechsel an die
Hochschule – Studienautor Schindler vermutet, dass diese Entwicklung vor
allem zwei Ursachen hat. Zum einen würden junge Leute die Entscheidung
zwischen Berufsausbildung und Studium heute generell später fällen – eben
nach dem Abi. „Die Chancenungleichheit verlagert sich einfach um eine
Stufe“, sagte Schindler. Zum anderen setzen viele Ausbildungsberufe
inzwischen das Abitur voraus. Deshalb streben auch mehr Schüler aus
bildungsfernen Elternhäusern höhere Schulabschlüsse an.
Katja Urbatsch, Gründerin der Bildungsinitiative [2][arbeiterkind.de],
bezeichnete die Studie als eine „Steilvorlage“ für ihre Arbeit. Urbatsch
und ihre Mitstreiter werben in Schulklassen für das Studieren. Gerade an
Berufsschulen und Fachgymnasien würde viele Schülerinnen und Schüler gar
nicht erst auf die Idee kommen, dass sie mit ihrem Abschluss mehr machen
können als eine Berufsausbildung. „In unserer Zielgruppe ist die Banklehre
immer noch das Sicherste, was man machen kann.“
10 Sep 2012
## LINKS
[1] http://www.vodafone-stiftung.de/publikationmodul/detail/46.html
[2] http://arbeiterkind.de/
## AUTOREN
Bernd Kramer
## TAGS
Chancengleichheit
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