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# taz.de -- Kritik an Volkswirtschaftslehre: Neue Ideen, bitte!
> StudentInnen aus zehn kritischen Hochschulgruppen drängen auf eine Wende
> in der Volkswirtschaftslehre. Neue Ideen und neue Bücher sollen her.
Bild: Mal was anderes lesen wollen StudentInnen der VWL.
BERLIN taz | Vier Jahre nach der Pleite von Lehman Brothers merken nun auch
die deutschen Ökonomen, dass es so nicht weitergehen kann. Bei ihrer
Jahrestagung in Göttingen, gaben sich die 3.800 Mitglieder des Vereins für
Socialpolitik (VfS), einen [1][Ehrenkodex], der künftig ihre
Finanzierungsquellen offenlegen soll. Vor allem junge Volkswirte beklagen
aber noch ganz andere Missstände in ihrem Fach, das einer „geistigen
Monokultur“ gleiche.
VWL-StudentInnen aus zehn kritischen Hochschulgruppen verfassten einen
[2][offenen Brief], in dem sie die Besetzung von 20 Prozent der Lehrstühle
mit alternativen Ökonomen fordern. Grundsätzlich sollten abweichende
Theorien, Methoden und Lehrbücher mehr Platz im Studium finden.
Volkswirte müssten mehr Kontakt zu anderen Disziplinen suchen und viel
stärker ihre eigene Rolle und ihre Grundannahmen hinterfragen, so die
Forderung. 60 Ökonomie-ProfessorInnen gehören zu den Erstunterzeichnern des
Briefs. Auch sie kritisieren, die VWL habe vor lauter Mathe-Modellen ihren
Kernauftrag vergessen, nämlich die Verteilung knapper Ressourcen für ein
gutes Zusammenleben zu diskutieren.
Parallel zum Treffen des VfS, in dem die Wirtschaftswissenschaftler aus
Deutschland, Österreich und er Schweiz organisiert sind, fand erstmals eine
„[3][Protesttagung]“ statt. Ebenfalls in Göttingen diskutierten Hunderte
mit Ökonomen wie Peter Bofinger und Heiner Flassbeck sowie dem ehemaligen
Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine (Die Linke) neue Ansätze in der VWL.
## Nur Politiker und Astrologen schlecher
Die Finanzkrise hat die Ökonomen erschüttert: Wie konnten sie nur alle
danebenliegen? Selbst Nobelpreisträger unter den Volkswirten rechneten mit
ihrer Zunft ab: Sie hätte mit ihren Modellen die Finanzblasen erst
ermöglicht. Das Vertrauen in Volkswirte ist seither am Tiefpunkt. In einer
Umfrage des Roman-Herzog-Instituts schnitten 2010 nur Politiker schlechter
ab – und Astrologen.
Das zeigt sich auch an den deutschen Unis: Hier ist die Zahl der
VWL-Studenten in den letzten Jahren um ein Fünftel gesunken, 2011 waren es
weniger als 20.000, während etwa 185.000 BWL studierten. Wer die
Gesellschaft verstehen wolle, studiere inzwischen Soziologie oder
Politikwissenschaften, sagt Thomas Dürmeier, Ökonom an der Uni Hamburg und
Unterstützer des Briefs. „Dabei wird die Gesellschaft doch immer stärker
durch die Ökonomie beeinflusst.“
Michael Burda, als VfS-Vorsitzender Empfänger des Protestbriefs, will den
Unterzeichnern entgegenkommen. Die Forderung etwa, sich mehr mit der
Geschichte des eigenen Fachs zu beschäftigen, unterstütze er voll. Er wolle
aber die Mathematik nicht in Abrede stellen, sagte er der taz. „Wenn ich
die mögliche Pleite eines Eurolandes untersuchen will, kann ich das nicht
mit Geplauder lösen.“
Kritiker Thomas Dürmeier hält die VWL für strukturell gelähmt. „Volkswirte
analysieren gern Monopole, aber dass bei ihnen selbst eines herrscht – das
der neoklassischen Mathe-Modelle – scheint die allermeisten nicht zu
stören.“ Politik und Gesellschaft müssten intervenieren, denn aus der Zunft
selbst heraus sei keine rasche Besserung zu erwarten: „Auch in der VWL
versagen die Selbstheilungskräfte des Marktes.“
13 Sep 2012
## LINKS
[1] http://www.mem-wirtschaftsethik.de/blog/blog-einzelseite/article/zum-ethik-…
[2] http://www.plurale-oekonomik.de/
[3] http://www.real-world-economics.de/
## AUTOREN
Wendelin Sandkühler
## TAGS
Studium
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