# taz.de -- Bildungsbericht der OECD: Nur jeder Fünfte schafft den Aufstieg | |
> Es gibt mehr Studenten und Jungakademiker in Deutschland. Arbeiterkinder | |
> profitieren davon kaum. Sie haben schlechte Aufstiegschancen. | |
Bild: In der Schule wird noch immer aussortiert. | |
BERLIN taz | Fast die Hälfte der jungen Menschen in Deutschland macht heute | |
Abitur: Der Anteil derer, die ein Studium aufnehmen, ist zwischen 2000 und | |
2010 von 37 Prozent auf 42 Prozent eines Altersjahrgangs gestiegen. So | |
steht es im Bericht „Bildung auf einen Blick“, den die | |
Industrieländer-Organisation OECD gestern vorstellte. Doch Politik und OECD | |
interpretieren die Zahlen unterschiedlich. | |
Cornelia Quennet-Thielen, Staatssekretärin im Bildungsministerium, wertete | |
die Studie als Beleg für „die Leistungsfähigkeit des deutschen | |
Bildungswesens“. OECD-Bildungsdirektorin Barbara Ischinger sieht dagegen | |
„große Herausforderungen“ auf Deutschland zukommen – wenn der Anteil der | |
Akademiker nicht schneller steigt. „Die Zuwachsrate ist nicht höher als im | |
OECD-Durchschnitt“, sagte Ischinger. Über alle Länder hinweg beginnen rund | |
60 Prozent der Angehörigen eines Altersjahrgangs ein Studium. | |
Als einen Hinweis darauf, dass Deutschland nicht schnell genug mit der | |
Ausbildung von Akademikern nachkommt, wertet Ischinger den | |
Einkommensvorsprung, den Hochqualifizierte genießen. Akademiker seien | |
knapp, deswegen zahlten die Unternehmen ihnen immer höhere Gehälter. Im | |
OECD-Durchschnitt verdienen Akademiker rund 55 Prozent mehr als die | |
Absolventen anderer Bildungsgänge, in Deutschland liegt ihr Einkommen sogar | |
um 80 Prozent höher. In den vergangenen Jahren ist der Einkommensvorsprung | |
der Akademiker hierzulande viel stärker gestiegen als im internationalen | |
Vergleich. | |
Streit gibt es auch bei der Frage, wie gut der Bildungsaufstieg in | |
Deutschland gelingt. Die OECD hat sich in ihrem diesjährigen Bericht | |
erstmals angesehen, wie viele junge Menschen einen höheren | |
Bildungsabschluss als ihre Eltern erreichen. In den meisten untersuchten | |
Ländern gibt es mehr Aufsteiger als Absteiger. Anders in Deutschland: 20 | |
Prozent der 25- bis 34-Jährigen sind höher gebildet als ihre Eltern, 22 | |
Prozent erreichen nur einen niedrigeren Abschluss. Im OECD-Vergleich | |
steigen 37 Prozent der jungen Menschen auf und nur 13 Prozent ab. „Wenn wir | |
die gesellschaftliche Ungleichheit bekämpfen wollen, führt an der Bildung | |
kein Weg vorbei“, sagte Ischinger. | |
## Auf „viele deutsche Wünsche eingegangen“ | |
Bildungsstaatssekretärin Quennet-Thielen widersprach dem Eindruck fehlender | |
Aufstiegschancen deutlich. „Eine erfolgreiche Ausbildung heißt in | |
Deutschland nicht nur Abitur und Hochschulbildung“, sagte sie. In anderen | |
Ländern gebe es diese „attraktive Alternative“ einer Berufsausbildung | |
nicht. Wenn sich ein Akademikerkind statt für Studium für eine Lehre | |
entscheide, werde das hierzulande als Abstieg gewertet. „Das ist ein Unding | |
in der Bezeichnung.“ Sie warf der OECD mangelndes Verständnis für das | |
deutsche Berufsbildungssystem vor. | |
Ischinger betonte dagegen, man sei bei der Berechnung der Auf- und | |
Abstiegsquoten auf „viele deutsche Wünsche eingegangen“. So seien in | |
einigen Berufen Meisterabschlüsse mit entsprechenden Hochschuldiplomen | |
anderer Länder gleichgesetzt worden. | |
Der OECD-Bericht vergleicht jedes Jahr die Bildungstrends der 34 | |
Mitgliedsstaaten. Weitere Ergebnisse der Studie: Lehrer in Deutschland sind | |
überdurchschnittlich alt und verdienen deutlich mehr als in anderen | |
Ländern. Die Zahl der Schulabbrecher ist gesunken: 2006 gingen 8 Prozent | |
ohne einen Abschluss ab, 2010 waren es 6,5 Prozent. | |
11 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Bernd Kramer | |
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