# taz.de -- Webportal für Lehrer: Eine kleine Chance für Referendare | |
> Da bekommt der Lehrer trockene Augen: Das Webportal „meinunterricht.de“ | |
> bietet unzählige Arbeitsblätter, aber die Filter funktionieren nicht gut. | |
Bild: Klingt sympathisch: „Onlinewerkzeug zur Unterrichtsvorbereitung“. | |
BERLIN taz | „Meinunterricht.de“ – hört sich erst Mal an wie ein Produkt | |
genau für mich. Ich freue mich. Der Inhalt weiß, was ich will und brauche. | |
Perfekt! Aber ich habe Angst. Ich bin ja Lehrerin durch und durch. Ich habe | |
schon den Zwangscomputerkurs an der Schule absolvieren müssen, obwohl ich | |
noch als jüngeres Mitglied im Kollegium gelte. Ich soll mir das neue Portal | |
also jetzt anschauen – mit Tastatur und ohne Tablet. Und meine Angst | |
bleibt. | |
Bei [1][meinunterricht.de] finden sich Tausende Dokumente. Zentrales | |
Ordnungssystem sind so genannten Schreibtische, Icons auf grünem Grund für | |
Arbeitsblätter in Mathe, Deutsch, Geschichte und so weiter. Ich aber kann | |
auf meinem Schreibtisch die einzelnen Arbeitsblätter nicht hin und | |
herwischen, was ich von der Dynamik her ganz schön gefunden hätte. Denn der | |
ganze Wust an Arbeitsblättern, das lähmt mich. | |
Ich hatte ein intelligentes Produkt erwartet. Aber wenn ich mir ein Thema | |
aussuche, werden mir Arbeitsblätter angeboten. Das können bis zu 38 | |
Arbeitsblätter sein, obwohl ich vorher schon einen Aspekt definiert habe, | |
nach dem gefiltert werden soll. | |
Der Filter begrenzt die Anzahl der Arbeitsblätter nach den Wünschen, die | |
man an seinen Unterricht zu einem bestimmte Thema hat z.B. Länge der | |
Unterrichtsstunde, Sozialform, Ausflug, experimentelle Arbeit, Freiarbeit | |
und so weiter. Hört sich wahnsinnig praktisch an, funktioniert aber noch | |
nicht einwandfrei. | |
Das bedeutet, man bekommt viele Arbeitsblätter angeboten, die nicht dem | |
Filter entsprechen. Blöd. Und dabei scheinen die wirklich interessant | |
klingenden „experimentellen“ Unterrichtsformate noch zu rar vertreten. Die | |
heißen bei uns übrigens „retreats“. | |
## Unterricht wie Yoga | |
Retreat, das ist die neue Art des Unterrichtens. Nicht die Schüler bekommen | |
einen langweiligen Unterricht, sondern auch die Lehrer genießen ein retreat | |
(von to retreat, nachgeben). Ich unterrichte nicht, sondern arbeite jetzt | |
so – quasi wie Yoga. Aber das mit den Arbeitsblättern für den neuen, total | |
entspannten Retreat-unterricht, das kann ja noch werden. Hoffe ich. Ich bin | |
ja Lehrerin. | |
Obwohl es jetzt schon so viel in dem Pool an Arbeitsblättern gibt (scroll | |
rauf, runter, rauf, inne halte, rauf), sind es scheinbar insgesamt noch | |
nicht genug Arbeitsblätter zu allen Themen in allen Ausführungen und | |
möglichen Bedürfnissen der heterogenen Truppe, die man beim individuellen | |
Lernen befeuern möchte. | |
Aber das, was angezeigt wird, überfordert mich ganz persönlich bereits. | |
Schon meine Ärztin stellte fest, dass mein Augen trocken sind – ich finde | |
das anstrengend so zu arbeiten: Arbeitsblätter durchschauen, auf den | |
Schreibtisch hoch laden, Texte ausschneiden, aus anderen Arbeitsblättern | |
dazu kopieren, die ganze Version auf seine Schüler zurechtschneidern. | |
Ich denke, für Referendare oder Lehrer, die gerade einsteigen, bietet | |
meinunterricht.de die tolle Möglichkeit, einen großen und schnellen | |
Überblick über die Facetten eines Themas zu erhalten. Immerhin ist es ja | |
so, dass die neuen Lehrer auf Angebote von vielerlei renommierten Verlagen | |
und Werken zugreifen können, zu denen sie vorher nicht unbedingt Zugang | |
gehabt hätten. | |
## Gigantischer Fundus | |
Man stelle sich nur mal den – jetzt realen – eigenen Schreibtisch zuhause | |
vor: Wer würde sich schon 38 Lehrbücher darauf packen, um daraus jeweils | |
ein oder zwei Seiten herauszupicken? Nein, der Fundus auf der neuen | |
Plattform ist groß, genauer gigantisch. | |
Dennoch erinnert mich das Suchprinzip an das Federlesen der Blätter morgens | |
im Kopierraum. Später breitete sich das scheinbar unerschöpfliche Füllhorn | |
an Kopierpapier in Wogen über die noch trockenen Klassenzimmer aus und | |
bricht sich in den einzelnen Ablagen zum Thema „Freiarbeit“. | |
Ich dachte, meinunterricht.de bietet dem Lehrer zu einem Thema verschiedene | |
Möglichkeiten, Methoden, Spiele, Wissen, Verknüpfungen an, die einen | |
vielfältigen, multisensorischen, eigenständigen Zugang zum gewählten Thema | |
ermöglichen. Gleichfalls werden Moderationsformen aufgezeigt, die zum Thema | |
passen und die Potenziale der Kinder aufgreifen oder sogar anstacheln. | |
Ich dachte, die Ergebnisse der Schüler werden ausgewertet, um dann den | |
Schülern genau zugeschnittene Arbeitsaufträge dar zu reichen, die auf Ihrem | |
Wissen, auf den Fähigkeiten der Gruppe, auf dem Gelernten aufbauen und sie | |
näher zur Sonne bringen. So dass am Ende eine Lernumgebung entsteht, in der | |
jeder seinen Platz findet. Aber dieses Angebot würde dann vielleicht | |
„unserepotenzialentfaltung.eu“ heißen. Aber wie gesagt, das schreibt eine, | |
die Angst hat. Und gute Augentropfen. | |
19 Sep 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://meinunterricht.de/Home.html | |
## AUTOREN | |
Stefanie Wahler | |
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