# taz.de -- Kommentar Judith Butler: Lob der Zwischentöne | |
> Die Debatte, ob Judith Butler den Adorno-Preis bekommen darf, hat sich in | |
> betonierte Diskurse gefügt. Die Angriffe gegen die Philosophin waren | |
> maßlos. | |
Kein Thema mobilisiert so vorhersehbar Affekte wie Israel. Bei keinem | |
anderen Streit wird so reflexhaft die Fahne gehisst und die Moral | |
beansprucht. Das ist eigentlich erstaunlich. Politik ist, von Atomkraft bis | |
zur sozialen Gerechtigkeit, zu einer Art pragmatischen Suche nach dem | |
Machbaren heruntergedimmt und taugt nicht mehr für gusseiserne | |
Bekenntnisse. Umso vehementer wird um die Moraltrophäe in Sachen Israel | |
gerungen. Gerade in Deutschland. | |
Die Debatte, ob Judith Butler den Adorno-Preis bekommen darf, hat sich | |
scheinbar in diese betonierte Diskurs-Anordnung gefügt. Die Angriffe gegen | |
die jüdische Philosophin waren maßlos. Stephan Kramer, Generalsekretär des | |
Zentralrats der Juden, bezeichnete Butler als „Israel-Hasserin“, die das | |
Geschäft der „Todfeinde Israels“ besorgt. | |
Folgt man diesem Alexander Dobrindt der deutschen Juden, dann beteiligt | |
sich, wer aus Protest gegen die völkerrechtswidrige Besatzung israelische | |
Waren boykottiert, an der „Kriegsführung gegen Israel“. In dieser Polemik | |
schrumpft der Unterschied, ob man Terror gegen israelische Zivilisten | |
gutheißt oder keine Oliven aus der Westbank isst, fast zur | |
Bedeutungslosigkeit. So wie Kramer redet man im Schützengraben. Die | |
Kuratoren des Adorno-Preises können in dieser Schwarz-Weiß-Logik nur von | |
den üblen, antisemitischen Motiven geleitet sein. | |
Die Debatte um Butler taugt im besten Falle, um sich auf ein paar | |
diskursive Grundregeln zu einigen. Es muss klar sein, dass keine noch so | |
scharfe Kritik an Israel mit Nazivergleichen arbeiten darf. Umgekehrt muss | |
gelten, dass Gegner der israelischen Regierungspolitik ohne stichhaltigen | |
Beweis nicht als hasserfüllte Antisemiten denunziert werden dürfen. | |
Dass es auch sachlich und präzise geht, zeigt ein kluger Aufruf, den | |
Intellektuelle von Micha Brumlik bis Idith Zertal unterzeichnet haben. Sie | |
sind in der Frage, ob ein Boykott gegen Israel legitim ist, verschiedener | |
Ansicht, verteidigen aber entschlossen den Adorno-Preis für Butler. | |
Die Zeit ist reif für solche Zwischentöne, solche Differenziertheit. Der | |
Zentralrat der Juden indes wird sich, wenn er weiter mit Wutattacken auf | |
Zweifler reagiert, selbst isolieren. | |
11 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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Besser | |
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