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# taz.de -- Antiislamischer Film: Falsche Identitäten und Betrug
> Die Herkunft des Videos, das die blutigen Angriffe auf US-Diplomaten
> auslöste, wird immer undurchsichtiger. Klarer wird, dass die Geschichte
> des Regisseurs eine Lüge ist.
Bild: Ein Feuer, in das kein obskurer Regisseur noch Öl hätte gießen müssen…
LOS ANGELES dapd | Spurensuche nach den Machern des Films „Innocence of
Muslims“ (Unschuld der Muslime), der die islamische Welt erzürnt und zu
Toten geführt hat: Die Nachrichtenagentur AP hat mehrere Personen
aufgespürt, die an der Produktion des provokativen Streifens beteiligt
waren.
Nakoula Basseley Nakoula gab im Interview nahe von Los Angeles an, die
Logistik bereitgestellt zu haben. Er sei koptischer Christ und der
Regisseur des Films, Sam Bacile, teile die Bedenken der christlichen Kopten
über ihre Behandlung durch Muslime, sagte Nakoula. Die Hinweise
verdichteten sich allerdings, dass es sich bei Nakoula und Bacile um ein
und die selbe Person handelt.
Nakoula ist der US-Justiz bekannt. 2010 wurde er wegen Bankbetrugs zu 21
Monaten Haft und Schadensersatz in Höhe von 790.000 Dollar (611.313 Euro)
verurteilt. Er hatte mit gestohlenen Identitäten ungedeckte Konten angelegt
und diese dann von Geldautomaten aus leergeräumt. In den Gerichtsunterlagen
finden sich Tarnnamen, die Nakoula verwendete, unter anderem Nicola Bacily
und Erwin Slameh.
Auch die Ähnlichkeit zwischen Nakoulas zweitem Namen Basseley und dem Namen
des Regisseurs, Bacile, legte nahe, dass Nakoula den Namen Sam Bacile als
zweite Identität angenommen hatte. Der 55-Jährige dementierte, den Film
selbst gedreht zu haben.
## Zweifel an der Person
AP erreichte Bacile schließlich durch Hilfe von Morris Sadek, einen
konservativen koptischen Christen, der auf seiner Webseite Werbung für den
anti-muslimischen Film gemacht hat. Im Telefoninterview sagte Bacile, er
sei untergetaucht. Der Islam sei wie ein Krebsgeschwür und den Film als
provokative politische Stellungnahme gedacht, welche den Islam verdamme.
Recherchen zu Bacile lassen allerdings an seiner Person zweifeln.
Seine Telefonnummer führte zu der Adresse, unter der AP Nakoula fand. Im
Gespräch sagte Bacile, er sei ein 56-jähriger, jüdischer Autor und
Regisseur, in Israel geboren. Die Behörden in Israel teilten aber mit, es
existiere keine Akte über Bacile als israelischer Bürger. Bacile gab an, im
Immobiliengeschäft als Projektentwickler zu arbeiten. Doch zumindest in
Kalifornien ist keine entsprechende Lizenz für Bacile ausgestellt worden.
Der Pastor Terry Jones, der schon den Koran öffentlichkeitswirksam
verbrannt hat, sagte, er habe noch am Mittwoch mit Bacile telefoniert. „Ich
habe ihn nicht getroffen. Sam Bacile, das ist nicht sein richtiger Name“,
sagte Jones. „Er versteckt sich definitiv und enthüllt seine Identität
nicht. Er war ziemlich erschüttert über die Ereignisse und was jetzt
passiert.“
## Hintergangene Schauspieler
Unterdessen veröffentlichten die Darsteller des Films eine gemeinsame
Erklärung, in der sie angaben, bei dem Projekt getäuscht worden zu sein.
„Die gesamte Besetzung und Crew ist extrem bestürzt und fühlt sich vom
Produzenten hintergangen“, heißt es in der Stellungnahme, die der
Tageszeitung Los Angeles Times vorliegt.
„Wir stehen zu 100 Prozent nicht hinter dem Film und wurden grob über
Absicht und Zweck getäuscht. Wir sind geschockt darüber, dass das Buch
drastisch umgeschrieben wurde. (...) Wir sind tieftraurig über die
Tragödien, die sich ereignet haben.“ Die Schauspieler behaupteten, dass
Teile des Dialogs nachträglich über den Film gelegt wurden.
Bei den Recherchen stieß AP auch auf Steve Klein, einen christlichen
Aktivisten, der an dem Film beteiligt war. Ein Mann namens „Sam“ habe ihn
kontaktiert und Rat in Sachen Meinungs- und Religionsfreiheit gesucht. Rund
15 Schlüsselfiguren aus Nahost – Syrien, Irak, Türkei, Pakistan, Iran und
Ägypten – hätten an dem Film mitgearbeitet. „Wir sind da rangegangen mit
dem Wissen, was wahrscheinlich passieren würde“, sagte Klein.
Die gemeinnützige US-Organisation Southern Poverty Law Center, die
Hassgruppen beobachtet, gibt an, Klein sei ein früherer Elitesoldat und
langjähriger Aktivist für christliche Rechte. Er habe geholfen,
paramilitärische Milizionäre an einer kalifornischen Kirche auszubilden,
und eine Gruppe namens Vereinte tapfere Christen gegründet, die vor
Abtreibungskliniken, Mormonentempeln und Moscheen protestiere. Im Internet
wurden die vorliegenden Ausschnitte von „Unschuld der Muslime“ am
Donnerstag weiter kontrovers diskutiert.
13 Sep 2012
## TAGS
Antiislamismus
Kopten
Mohammed
Kopten
Schwerpunkt USA unter Donald Trump
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