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# taz.de -- Kopten-Bischof Anba Damian: Hüter der Tradition
> Anba Damian ist geistiges Oberhaupt der 6.000 Kopten in Deutschland. In
> Warnungen vor einer „Christenverfolgung“ mischen sich auch fragwürdige
> Töne.
Bild: Jovial und doch befremdlich: Bischof Damian.
BERLIN taz | An diesem Abend ist Bischof Anba Damian in die prächtige
katholische Hedwigs-Kathedrale in Berlins historische Mitte gekommen. Hier,
gegenüber der Staatsoper und der Humboldt-Universität, findet an diesem Tag
ein Ökumenischer Gottesdienst statt, bei dem das Oberhaupt der kleinen
koptisch-orthodoxen Gemeinde in Deutschland später neben dem katholischen
Kardinal Rainer Maria Woelki und dem SPD-Politiker Wolfgang Thierse
predigen wird. Ein Kammerorchester und ein Kinderchor proben, während
Bischof Damian die Treppe hinunter zur Krypta schreitet, um in Ruhe zu
reden.
Auf seine Kopfkappe, deren zwölf gestickte Kreuze an die zwölf Apostel
erinnern, hat er einen schwarzen Turban gesetzt. Er spricht jetzt als
Repräsentant seiner Kirche. Hinter seinem langen, weißen Bart scheint der
57-Jährige stets zu lächeln, auch wenn das Thema ernst ist. „Wir haben auf
die Revolution gesetzt in der Hoffnung, dass es besser wird“, schildert er
seine Sicht auf Ägypten. „Aber diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Für
uns Christen und das ganze Land ist es schwerer geworden.“
In der von Kerzen erleuchteten Gruft der Kathedrale zeichnet der Bischof
ein düsteres Bild: „Die ganze Macht liegt nun in den Händen von Islamisten
und Salafisten.“ Auf den Straßen herrschten Anarchie und Rechtlosigkeit.
Der neue Präsident Mursi habe 48 Minister berufen, doch darunter sei nur
eine einzige Koptin gewesen. „Das entspricht nicht unserem Anteil an der
Bevölkerung“, sagt Damian. Seine Augen funkeln. Derweil nähmen die Angriffe
auf Kirchen und einzelne Kopten zu, doch die Staatsmacht ziehe sich zurück.
Sein pessimistisches Fazit: „Wir gelten als Störfaktor.“
Bischof Anba Damian ist häufig zu Besuch in Berlin. Zu Anfang des Jahres
reiste er zum koptischen Weihnachtsfest in die Haupstadt, um vor der
koptischen Gemeinde Berlin zu predigen, die im östlichen Bezirk Lichtenberg
seit 1998 ein eigenes Gotteshaus hat. Zuletzt traf er sich mit Volker
Kauder, um diesem die Probleme der Christen in Ägypten nahe zu bringen.
„Bischof Damian ist ein engagierter und erfolgreicher Vertreter der
Interessen der Kopten. Was die Einschätzung der Entwicklung in Ägypten
angeht, ist er mir ein wichtiger Ratgeber“, lobt ihn der CDU-Fraktionschef.
„Die deutsche Politik ist gegenüber Ägypten sehr zurückhaltend“, moniert
Bischof Damian hingegen. Das gelte, bis auf Volker Kauder, auch für die
Union: „Vom C im Namen spüren wir gar nichts.“
## Ratgeber für Volker Kauder
Kauder gilt in seiner Partei als christlicher Hardliner. Doch Bischof
Damian ist mit manchen seiner Ansichten noch eine Spur konservativer als
der CDU-Mann – etwa, wenn es um muslimische Einwanderer geht. So riet er
auf einer Veranstaltung in München den Deutschen einmal, sie sollten ihr
Erbe besser pflegen, ihre christlichen Überzeugungen stärker leben und mehr
Kinder kriegen. „Sonst sind sie irgendwann fremd im eigenen Land.“
Solche Sätze, die Bischof Damian stets in einem ruhigen, ja freundlichen
Ton vorträgt, stehen im schroffen Kontrast zu seinem jovialen und
einnehmenden Wesen. Sie befremden. Der Kirchenmann selbst aber scheint
seine Bemühungen um Ausgleich und seine teilweise ultrakonservativen
Ansichten nicht als Widerspruch zu empfinden. Selbst im persönlichen
Gespräch mit ihm lässt sich diese Ambivalenz nicht auflösen.
Mehrmals im Jahr reist das Oberhaupt der deutschen Kopten nach Ägypten, um
sich ein Bild der Lage in seiner alten Heimat zu machen. Jedes Mal
bedrängen ihn seine Glaubensbrüder, ob er ihnen bei der Ausreise nach
Deutschland helfen könne. „Viele Kopten wollen hier studieren oder
arbeiten, andere suchen politisches Asyl“, sagt Damian. Auch Investoren
würden gerne kommen. „Aber die Tür nach Deutschland ist verschlossen. Das
ist unerträglich.“ Dabei würde eine begrenzte Auswanderung speziell von
Kopten allen Seiten dienen. „In Ägypten haben wir eine Ärzteschwemme“, sa…
Damian. „Hier dagegen herrscht Ärztemangel. Das ist doch eine
Win-win-Situation“.
Anba Damian ist selbst ein gelernter Arzt. Nach dem Studium in Kairo
schloss er in Ludwigshafen eine Ausbildung zum Facharzt ab und arbeitete
als Oberarzt in einem deutschen Kreiskrankenhaus. Seit 1980 lebt er in
Deutschland, doch erst 1991 entschied er sich, sein Leben ganz der Religion
zu widmen. Vor zwanzig Jahren wurde er vom damaligen Kopten-Papst Shenuda
III. zum Priester geweiht, seit 1995 residiert er als Oberhaupt der rund
6.000 koptischen Christen in Deutschland in einem Kloster, das seine
Gemeinde in Höxter in Westfalen erstanden hat – „zum symbolischen Preis von
einem Euro“.
Stille Tage sind ihm in seinem Kloster in letzter Zeit nur selten vergönnt,
denn Bischof Anba Damian ist ein gefragter Mann. Nachdem ein Kopte aus den
USA im vergangenen Herbst mit einem Internet-Schmähfilm über den
muslimischen Propheten Mohammed weltweit für Aufregung gesorgt hatte,
bemühten sich die koptischen Kirchenführer um Schadensbegrenzung.
## Umworben von Radikalen
Auch Anba Damian. „Das ist nicht die Art unseres Herrn und Erlösers Jesus
Christus“, sagte er damals streng. Zum Glück habe die koptische Kirche den
Film scharf verurteilt und die ägyptische Bevölkerung habe sich nicht
aufwiegeln lassen. Dass der Salafistenprediger Ahmed Mohammed Abdullah, der
vor laufenden Kameras eine Bibel zerriss, in Kairo deshalb wegen
„Blasphemie“ angeklagt wurde, wollte er nicht kommentieren. Er sagte nur:
„Wir fordern Respekt für alle Religionen.“ Und: „Wir sollten kein Öl ins
Feuer gießen.“
Die Spannungen in Ägypten haben allerdings auch unter den Kopten in
Deutschland das Misstrauen gegen Muslime wachsen lassen, darüber können
keine noch so schönen Worte auf beiden Seiten hinweg täuschen. Wenn Damian
von Deutschen gefragt wird, wie er zu den Muslimen hierzulande stehe, sagt
er meist, dass er gute muslimische Freunde habe, und spricht über den Wert
der Toleranz an sich.
Doch auch hierzulande macht ihm Manches Angst. Ein „Schock“ sei es für ihn
gewesen, als Salafisten am Flughafen in Frankfurt versucht hätten, seine
Schwester zu missionieren, erzählt Damian. Dass die Salafisten unter den
rund vier Millionen Muslimen in Deutschland nur eine verschwindend kleine
Sekte darstellen, beruhigt ihn nicht. „Es mag sein, dass sie klein sind.
Aber ihre Wirkung ist es nicht“, sagt er. „Sie reden offen über ihre
Ambitionen, ein Kalifat zu errichten, und haben Bestrebungen, das auch in
Europa zu tun.“
Weil viele Kopten in Deutschland solche Befürchtungen teilen, werden sie
seit geraumer Zeit von deutschen Evangelikalen und Islamfeinden umworben.
Auch Bischof Damian Anba haben sie schon umgarnt. In einem Youtube-Video,
das eine islamfeindliche Initiative ins Internet gestellt hat, sieht man
ihn, wie er über die Gefahren der muslimischen Einwanderung spricht.
In Sarrazin-Manier schwadroniert er dort von der „Wachstumskurve“ der
Muslime und warnt davor, dass „das, was in Ägypten geschieht, eines Tages
auch in diesen ihren Heimatländern der Fall sein“ könne. „Wenn sie nicht
aus unserer Geschichte lernen, sind sie bald dran. Nehmen sie das ernst.“
Zu den Machern des Films geht Bischof Damian inzwischen auf Distanz. „Ich
kenne sie nicht, und ich habe nichts mit ihnen zu tun“, sagt er. Diese
Leute seien nach einem Vortrag auf ihn zugekommen und hätten ihn um ein
Statement gebeten. Von seinen Aussagen aber will er nichts zurücknehmen.
## Am meisten diskriminiert?
Zurück in der Krypta. Mit Blick auf das Grab eines katholischen
Geistlichen, der von den Nazis deportiert wurde und deshalb von seiner
Kirche heute als „Märtyrer“ gehandelt wird, dreht sich Gespräch wieder um
die deutsche Politik. Als „Christenverfolgung“ hat Bundeskanzlerin Angela
Merkel die Gewalt gegen Christen im Nahen Osten unlängst bezeichnet und das
Christentum sogar „die am meisten verfolgte Religion der Welt“ genannt.
Eine Auffassung, die vor allem von Evangelikalen und katholischen
Hardlinern vertreten, von Menschenrechtsgruppen wie Amnesty und Human
Rights Watsch aber strikt abgelehnt wird. Sie verweisen darauf, dass auch
andere Gruppen unterdrückt würden.
Anba Damian findet den Satz von der „Christenverfolgung“ dennoch richtig:
„Das ist die bittere Realität, etwa im Sudan oder in Nigeria“, sagt er.
Auch die Entwicklung in Syrien verfolgt der Bischof mit Sorge. „Die
Christen fürchten, dass sie nach Assads Sturz zu den Verlierern gehören
werden“, sagt er. „Sie haben Angst, dass sich dort wiederholt, was im Irak
passiert ist.“
Selbstverständlich müsse man sich „für die Gleichberechtigung, die Würde
und den Wohlstand aller Menschen einsetzen.“ Aber die Christen würden
nunmal am stärksten diskriminiert, zumindest in Ägypten: „Fragen Sie doch
mal nach, wie viele Christen bei Egypt Air oder in der ägyptischen
Botschaft in Berlin beschäftigt sind?“ Auch unter den deutschen
DAAD-Stipendiaten aus Ägypten seien kaum Kopten zu finden. „Warum sieht man
darüber hinweg?“ Dann steigt Bischof Damian die Stufen hinauf ins
inzwischen gut gefüllte Kirchenrund, zum Gottesdienst.
28 Jan 2013
## AUTOREN
Daniel Bax
## TAGS
Kopten
Christentum
CDU
Volker Kauder
Ägypten
Diskriminierung
Religion
Islamophobie
Ägypten
Kopten
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