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# taz.de -- Putin-Gegner kaltgestellt: Kurzer Prozess mit Gudkow
> Dem Putin-Kritiker Gennadi Gudkow von der Partei Gerechtes Russland wird
> von der Duma das Parlamentsmandat entzogen.
Bild: Mit erhobener Faust verlässt Gennadi Gudkow das Parlamentsgebäude.
MOSKAU taz | Die Duma, Russlands Parlament, duldet keine Abweichler.
„Judas“, schrie eine Abgeordnete dem Kollegen noch hinterher, als der
Geschasste den Plenarsaal verließ. Vorher hatte Gennadi Gudkow noch eine
emotionale Rede gehalten und die Dumavertreter des Kreml davor gewarnt,
ihre Machtbasis auch noch selbst zu zerstören.
„Was passiert, ist eine Schande für das Land. Jetzt wird auch die
Opposition noch in der Latrine ertränkt“, meinte Gudkow im Rückgriff auf
ein Zitat Wladimir Putins aus dem Tschetschenienkrieg.
Soeben hatten 291 Dumaabgeordnete dem Mitglied der Fraktion „Gerechtes
Russland“ (GR) das Mandat entzogen. Gudkow wird zur Last gelegt, Mandat und
Geschäftsinteresse rechtswidrig verknüpft zu haben. Sowohl die Verfassung
als auch das Gesetz über den Abgeordnetenstatus verbieten unternehmerische
Nebentätigkeiten.
Gudkow wies die Vorwürfe zurück. Schon 2001, als er erstmals ein Mandat
erhielt, will er die Leitung seiner Wachdienstfirmen an die Gattin
übertragen haben. Was an den Vorwürfen tatsächlich dran ist, ob
Vorteilsnahme mit im Spiel war, müsste noch geklärt werden.
## Ein ehemaliger KGB-Mitarbeiter
Gudkow war zunächst ein typischer Vertreter des Systems. Wie Wladimir Putin
diente er im Geheimdienst und verließ das KGB nach dem Zusammenbruch der
Sowjetunion im Range eines Oberst. Danach nutzte er die alten Kontakte für
den geschäftlichen Erfolg.
So war das damals und so ist es auch heute noch. 90 Prozent der
Abgeordneten der Kremlpartei „Einiges Russland“ seien nur deswegen in der
Partei, kommentierte ein kommunistischer Abgeordneter.
Der Brass auf den Kollegen hat denn auch einen anderen Hintergrund. Gudkow
verlieh der gleichgeschalteten systemkonformen Opposition in der Duma ein
Gesicht. Schon vor den Massenprotesten nach den Wahlen im Dezember nahm der
Abgeordnete der ursprünglich vom Kreml gegründeten Partei GR kein Blatt
mehr vor den Mund.
Dadurch machte er die Partei für viele erst wählbar. Er gehörte auch zu den
Organisatoren der Großdemonstrationen der Opposition und beteiligt sich an
dem schwierigen Versuch, der heterogenen Sammlungsbewegung gegen Putin eine
Form zu geben.
## Imgageverlust wird in Kauf genommen
„Ich gehöre wohl zu jenem kleinen Kreis, den man gewähren lässt“, meinte…
noch im Dezember. Er hatte im System Putin eine Alibifunktion: denn ganz
ohne Kritik stünde das System etwas dümmlich dar.
Mit Putins Rückkehr in den Kreml im Mai hat sich das Blatt jedoch
gewandelt. Der Kreml achtet nicht mehr auf Imageverlust, weder innen noch
außen. Stattdessen gilt es, mit allen Mitteln die Macht zu erhalten.
Gudkows Schwierigkeiten begannen schon im Mai. Die Behörden entzogen dem
privaten Wachunternehmen „AB Pantan“ die Erlaubnis zum Waffenbesitz. Bald
wurde dem Wachdienst auch die Lizenz entzogen. Die Sicherheitsfirma war
unter anderem für Ikea und DHL im Einsatz.
Für Verärgerung im Kreml sorgte, dass die Firmen, deren Kader vornehmlich
aus Innenministerium und FSB stammten, auch oppositionelle Politiker
schützten. In den Augen der Kremlvertreter beging der Abtrünnige
Doppelverrat: gegen die Kaste der Machthaber und alte Kollegen aus dem
KGB-Geheimdienst.
14 Sep 2012
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
## TAGS
Wladimir Putin
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