Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Russlands Opposition unter Druck: Drakonische Strafverschärfung
> Ein neues Gesetzesprojekt sieht hohe Geldbußen für Demonstranten vor. Die
> „Opposition“ im Parlament nennt das Vorhaben skandalös und barbarisch.
Bild: Weißes Band als Zeichen des Protestes: Duma-Abgeordnete während der Deb…
MOSKAU taz | Die Kremlpartei „Vereinigtes Russland“ (VR) hat es sehr eilig.
Noch vor dem 12. Juni soll ein Gesetz verabschiedet werden, das Geldstrafen
im Zusammenhang mit Demonstrationen um ein Vielfaches erhöht. Für den 12.
Juni, den „Tag Russlands“, kündigte die Opposition bereits eine neue
Großveranstaltung an. Das Gesetz wurde in zweiter Lesung am Dienstag mit
236 Ja-Stimmen angenommen, 207 Abgeordnete stimmten dagegen.
Unter anderem soll geahndet werden, wenn sich die Teilnehmerzahl einer
Demonstration deutlich von den Angaben der Organisatoren im Vorfeld
unterscheidet. Auch wer von der abgesprochenen Route abweicht, sein Gesicht
verhüllt oder sonst irgendwie auffällig wird, muss mit erheblichen Kosten
rechnen.
Juristische Personen können mit bis zu 1,5 Millionen Rubeln (38.000 Euro)
belangt werden, Privatpersonen kommen mit 7.600 Euro etwas günstiger davon.
Wer zweimal im Laufe eines Jahres ins Fadenkreuz der Polizei geriet, darf
überdies nicht mehr als Veranstalter auftreten.
Für Donnerstag versprachen die Vereinigten Russen indes noch einmal über
die endgültige Strafentgeld mit sich reden zu lassen. Offensichtlich sind
sie zu einem Nachlass bereit.
Die systemkonforme Opposition in der Duma nannte das Gesetz „barbarisch“
und „skandalös“ und stimmte geschlossen dagegen. Der kommunistische
Abgeordnete Anatolij Lokot meinte, die Duma ginge in die Geschichte des 21.
Jahrhunderts als „Würger demokratischer Rechte und Freiheiten ein“.
## Angleichung an westliche Standards
Dmitrij Gudkow vom „Gerechten Russland“ hoffte indes noch, dass die
Kremlpartei ein Einsehen habe, und „das Volk nicht in die Ecke treibt“. Die
VR stellte das Projekt unterdessen als eine Angleichung an europäische und
westliche Rechtsstandards dar, ohne das näher auszuführen.
Die Initiative geht von der Kremladministration Wladimir Putins aus. Nach
dem „Marsch der Millionen“ am 6. Mai, bei dem es zu gewaltsamen
Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten gekommen war, hofft
der Kreml, durch Drohungen und Einschüchterungen die Menschen zum
Stillhalten bewegen zu können.
Ob diese Strategie Erfolg haben wird, ist äußerst fraglich. Die
Widerstandsformen der Opposition werden immer kreativer. An den letzen
beiden Wochenenden luden Künstler und Schriftsteller die Bürger zu einem
„Volksflanieren“ ins Moskauer Stadtzentrum ein – tausende Bürger folgten
dem Aufruf mit dem Weißen Band als Symbol der Opposition im Haar oder am
Revers.
Junge Leute versuchen unterdessen immer wieder von neuem in der Innenstadt
ein Lager zu errichten. Sie werden jedoch von der Polizei nach kurzer Zeit
vertrieben. Der Karneval ist in Moskau eingezogen.
22 May 2012
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
## ARTIKEL ZUM THEMA
Putin-Gegner kaltgestellt: Kurzer Prozess mit Gudkow
Dem Putin-Kritiker Gennadi Gudkow von der Partei Gerechtes Russland wird
von der Duma das Parlamentsmandat entzogen.
Oppositionspolitiker in Russland vor Gericht: Die Widerspenstigen sollen schwei…
Früher ließ der Kreml den Duma-Abgeordneten Gudkow als einen der wenigen
Kritiker gewähren. Nun wird ihm der Prozess gemacht – offenbar um ihn
mundtot zu machen.
Opposition in Russland: Protestieren kann teuer werden
Das russische Parlament verschärft das Versammlungsrecht. Demonstranten
drohen nun hohe Geldstrafen. Gegner der Änderung wurden vor der Duma
festgenommen.
Putin besucht China: Die neue Seelenverwandtschaft
Zu seinem ersten großen Staatsbesuch nach seiner Wiederwahl reist der
russische Präsident Putin nach Peking. Er will ein Zeichen setzen. Und Gas
verkaufen.
Machtwechsel im Kreml nicht aufzuhalten: Putins populistische Losungen passé
Eine Studie prognostiziert das politische Aus für Putin und Medwedjew, so
die These des wichtigen russischen Thinktanks ZSS. Das Szenario bleibt
allerdings noch offen.
Demonstranten in Moskau festgenommen: Kein Spaziergang
Am Wochenende sind in Russland Regierungsgegner und Homosexuelle wie auch
Gegner der „Gay Parade“ festgenommen worden. Menschenrechtler üben Kritik.
Kommentar Russlands Demogesetz: Monatsgehalt für eine Demo
Der russische Unrechtsstaat macht ernst: Auch Protestieren soll nun ein
exklusives Vergnügen werden. Die Putin-Clique hat schlicht Angst.
Neue Regierung in Russland: Neustart mit Technokraten
Persönliche Loyalität ist für Wladimir Putins Regierungsbildung wichtiger
als fachliche Kompetenz. Die Ernennung des Kulturministers sorgt für
Erheiterung.
Opposition in Russland: Ein Prozent für die Selbstachtung
Im Juli soll eine neue Kreditkarte des Aktivisten und Bloggers Alexei
Nawalny starten: Wer mit ihr bezahlt, fördert Projekte im Kampf gegen die
Korruption.
Jugendproteste in Moskau: Das Ende des Homo sovieticus
Russlands oppositionelle Jugend lässt sich von Polizeigewalt nicht
einschüchtern. Mit einer Vielzahl von Happenings fordert sie den Staat
heraus. Der ist ratlos.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.