# taz.de -- Biennale Venedig: Hippe Gastarbeiter | |
> Passt die Weltsprache Kunst in nationale Käfige? Auf diese Frage hat | |
> Kuratorin Susanne Gaensheimer eine unmissverständliche Antwort gegeben. | |
Bild: Gaensheimers Idee: Deutschland soll sich internationaler zeigen. | |
Mit der Nominierung vier internationaler Künstler hat die Direktorin des | |
Frankfurter Museums für Moderne Kunst, die 2013 zum zweiten Mal als | |
Kommissarin den deutschen Pavillon für die Kunstbiennale in Venedig | |
kuratiert, den bislang massivsten Angriff auf das Prinzip der nationalen | |
Repräsentation gestartet, das zum Alleinstellungsmerkmal der 1895 | |
gegründeten Kunstausstellung gehört. | |
Der Chinese Ai Weiwei, der deutsche Regisseur Romuald Karmakar, der | |
südafrikanische Fotograf Santu Mofokeng und die indische Fotografin | |
Dayanita Singh sollen Deutschland nächsten Sommer in dem Nazi-Tempel in den | |
venetianischen Giardini „vertreten“. | |
Gaensheimers explizite Begründung: „Deutschland nicht als hermetische | |
nationale Einheit“ zu repräsentieren, klingt angebracht zu Zeiten | |
galoppierender Renationalisierung. Auch, weil sie damit an den | |
verschütteten, universalistischen Kern der Biennale erinnert. Ihr Erfinder, | |
der venetianische Bürgermeister Giovanni Selvatico, definierte die „Mutter | |
aller Biennalen“ weiland als Instrument der „brüderlichen Verständigung | |
aller Völker“, eine örtliche Zeitung sprach damals von einem „geistigen | |
Völkerbund“. | |
Trotzdem ist Gaensheimers Idee weniger provokativ als es aussieht. Unter | |
der Hand erodiert das heftig befehdete Nationalprinzip seit Jahren. Schon | |
2003 kuratierte der deutsche Museumsmann Kasper König den österreichischen | |
Pavillon. Und 2009 nominierte der deutsche Kurator Nicolaus Schafhausen den | |
Briten Liam Gillick als „deutschen“ Repräsentanten. In vielen | |
Länderpavillons geht es ähnlich zu. | |
## „Erfahrungen von Internationalität“ | |
Gaensheimer versucht nur, diesen allgemeinen Trend spektakulär zu toppen. | |
Man kann der couragierten Kunstvermittlerin zugute halten, dass sie sich | |
gern auf Experimente einlässt. Wie man an ihrer letzten Entscheidung für | |
Christoph Schlingensief sehen konnte. | |
Trotzdem hat es etwas Vordergründiges, die „Erfahrungen von | |
Internationalität“ zeitgenössischer Kunstproduktion mit dem Bildes eines | |
Netzwerkes von Künstlern zu demonstrieren, die von außen kommen. Mindestens | |
genauso interessant wäre es, aus Deutschland stammende Künstler zu zeigen, | |
die exemplarisch ins Transnationale streben. Gute Kunst hat schließlich | |
immer die ganze Welt im Blick. | |
20 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Ingo Arend | |
## TAGS | |
Kunst | |
Biennale | |
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