# taz.de -- V-Mann-Affäre dauert an: Senator erleidet Sturmschäden | |
> Sicherheitsexperten sind überzeugt: Auch wenn Innensenator Henkel die | |
> V-Mann-Affäre übersteht: Blessuren werden bleiben. | |
Bild: Es wird nicht besser: Henkel weiter unter Druck. | |
Den ersten Sturm hat Frank Henkel überstanden. Nachdem er sich über den | |
langjährigen Berliner V-Mann und mutmaßlichen NSU-Helfer Thomas S. fast um | |
Kopf und Kragen redete und ein medialer und oppositioneller Tsunami über | |
ihn rollte. Klar aber ist: Der CDU-Innensenator wird Blessuren davontragen | |
– ebenso wie seine Interimspolizeichefin Margarete Koppers, die sich | |
weiterhin um die Stelle der Behördenspitze beworben hat. | |
Denn noch immer hat sich das Patt zwischen der Bundesanwaltschaft und | |
Henkel nicht aufgelöst. Der Senator und die oberste Polizistin bleiben | |
dabei, dass sie das Abgeordnetenhaus und den NSU-Untersuchungsausschuss im | |
Bundestags über den V-Mann nicht informierten, weil sie dessen Identität | |
und die Ermittlungen schützen wollten. Und dass es darüber es eine | |
„Geheimhaltungsvereinbarung“ mit der Bundesanwaltschaft gegeben habe. Die | |
widerspricht weiter – und das ungewöhnlich vehement: Bei „keiner | |
Gelegenheit“ habe es „eine Anweisung, Aufforderung oder Bitte“ gegeben, d… | |
Info nicht an den Ausschuss weiterzuleiten. | |
Dass sich zwei Behörden öffentlich so beharken, ist bemerkenswert. „Das ist | |
stümperhaft“, sagen Sicherheitsexperten, die namentlich nicht genannt | |
werden wollen. Dass eine von beiden Seiten „lügt“, wird indes bezweifelt. | |
Vermutet wird eher ein Missverständnis oder ein Kommunikationsproblem – und | |
Empfindlichkeiten. | |
Am 20. März war Koppers zusammen mit ihrem LKA-Leiter Christian Steiof und | |
dem Abteilungsleiter Oliver Stepien eigens nach Karlsruhe geflogen. Dort | |
berichtete sie Vizegeneralbundesanwalt Rainer Griesbaum und anderen | |
Bundesanwälten über ihren V-Mann Thomas S., der 2002 auch einen Kontaktmann | |
des NSU-Trios benannte. Laut Koppers wurde bei diesem Gespräch die | |
Geheimhaltung vereinbart – einen schriftlichen Vermerk gibt es allerdings | |
nicht. | |
Die Bundesanwaltschaft sei die höchste deutsche Ermittlungsbehörde und | |
somit Herr des Verfahrens, betonen Sicherheitskreise. Und über Absprachen | |
mit dem Herrn des Verfahrens spreche man nicht, ohne diesen vorher zu | |
konsultieren. Soll heißen: Henkel und Koppers hätten sich vor der Sitzung | |
des Innenausschusses am Dienstag grünes Licht aus Karlruhe holen müssen. | |
Andere Stimmen glauben, die Bundesanwaltschaft müsse dementieren, um nicht | |
selbst in den Verdacht zu geraten, die Arbeit des NSU-Ausschusses zu | |
behindern. | |
Denn: Auch Karlsruhe hatte erst am 24. Juli den Ermittlungsbeauftragten des | |
NSU-Ausschusses, den Anwalt Bernd von Heintschel-Heinegg, über Thomas S. | |
informiert. Zu diesem Zeitpunkt, so heißt es in einer Mitteilung, sei eine | |
„Gefährdung laufender Ermittlungen“ nicht mehr zu befürchten gewesen. | |
Natürlich sollten die NSU-Ermittlungen nicht an die breite Öffentlichkeit | |
dringen, ist außerhalb Berlins zu vernehmen. Der Untersuchungsausschuss sei | |
aber nicht gemeint gewesen. | |
„Die Bundesanwaltschaft hat stets für umfassende Offenlegung gesorgt“, | |
beteuert auch deren Sprecher Marcus Köhler. Nun werde seine Behörde in eine | |
Diskussion verwickelt, die man nicht gesucht habe. "Inzwischen ist alles | |
gesagt", so Köhler. Alle Beteiligten sollten sich wieder aufs Wesentliche, | |
„die bestmögliche Aufklärung des NSU-Komplexes konzentrieren“. | |
Sebastian Edathy, Leiter des Untersuchungsausschusses, stellt sich hinter | |
die Bundesanwaltschaft: Er habe „keinen Grund“, an deren Darstellung zu | |
zweifeln. Berlin hätte seinen Ausschuss zumindest abstrakt informieren | |
müssen. „Dieser Pflicht ist das Land nicht nachgekommen.“ Auch die Berliner | |
Opposition stellt sich auf Karlsruhes Seite. „Da sich Herr Henkel als nicht | |
vertrauenswürdig erwiesen hat, halte ich die Darstellung des | |
Generalbundesanwalts für plausibler“, so Pirat Christopher Lauer. | |
CDU-Innenexperte Robbin Juhnke versuchte dagegen Henkel aus der Schusslinie | |
zu nehmen: Letztlich gehe es nicht darum, wie der angebliche Widerspruch | |
der Aussagen aufzulösen sei, sondern um die Aufklärung der Vorgänge der | |
Vergangenheit. | |
In Sicherheitskreisen geht man weniger glimpflich mit Henkel um. Sein | |
Verteidigungsdebakel wird auch mit seiner Isolation in der Innenverwaltung | |
erklärt. Der Nichtjurist sei in seiner Behörde ein Fremdkörper geblieben. | |
Das liege auch an seiner Doppelrolle. Als Parteivorsitzender muss sich | |
Henkel auch um die CDU kümmern und den Kontakt zum Koalitionspartner SPD | |
halten. Auch der Kreis von Henkels Vertrauten habe es nicht geschafft, | |
einen richtigen Zugang zur Innenbehörde zu bekommen. Die Verantwortung | |
laste vor allem auf Innenstaatssekretär Bernd Krömer (CDU). | |
Und der Fauxpas vom vorletzten Donnerstag, als Henkel sich im | |
Abgeordnetenhaus über V-Mann Thomas S. überrascht gab, obwohl er seit März | |
davon wusste – der bleibt. Was darauf folgte, ist das beste Bespiel dafür, | |
wie schnell Verschwörungstherorien entstehen und sich ein Thema | |
verselbstständigt. Mit der Frage, wie der Staatsschutz mit den | |
Informationen von Thomas S. umging, hat die derzeitige Debatte nichts mehr | |
zu tun. | |
20 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
Plutonia Plarre | |
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zu haben – schiebt die Schuld aber auf die Bundesanwaltschaft. |