Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kinder von Strafgefangenen: Schwierige Familientreffen im Knast
> Etwa 100.000 Kindern in Deutschland fehlt im Alltag ein Elternteil, weil
> er im Gefängnis sitzt. Bisher gibt es kaum Betreuungsangebote.
Bild: Hinter Gittern: Haftstrafen belasten die Kinder der Gefangenen.
BERLIN taz | Wenn Mama oder Papa ins Gefängnis müssen, wird oft auch das
Kind bestraft. Denn das eingesperrte Elternteil nur einmal pro Woche zu
sehen, unter Aufsicht eines Wärters mit einer Glaswand dazwischen, ist für
viele Kinder psychisch aufreibend.
Die Caritas schätzt, dass über 100.000 Kinder in Deutschland in solch einer
Situation leben. „Doch noch immer ist das Thema in der Politik ein blinder
Fleck“, sagt Klaus Roggenthin, Geschäftsführer der
Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe (BAG-S). Die
Arbeitsgemeinschaft fordert deswegen mehr politische Initiative bei diesem
heiklen Thema.
Der Verlust von Vater oder Mutter stürzt Kinder in Trauer, Scham,
Schuldgefühle, Zweifel und Ängste. Oft erzählten die Kinder, Papa oder Mama
seien auf „Montage“ oder „Kur“, damit kein Klassenkamerad oder Nachbar
davon erfahre, dass ein Elternteil im Gefängnis sitze, sagt Matthias
Schützwohl von der Universitätsklinik Dresden.
2011 startete erstmals ein europaweites Projekt, das die Situation der
Häftlingskinder erforscht. Erste Ergebnisse zeigen, dass 30 bis 50 Prozent
der deutschlandweit 145 befragten Kinder emotional belastet oder
verhaltensauffällig sind. „Für diese Kinder stehen viel zu wenige Hilfen
zur Verfügung “, sagt Schützwohl. Denn weniger als 50 Prozent der 145
deutschen Justizanstalten halten für die Kinder von Inhaftierten ein
besonderes Angebot vor.
## Keine Initiativen von Bund und Ländern
„Um Menschen erfolgreich zu resozialisieren, ist auch eine gefestigte
Familie nötig“, sagt Roggenthin. Derzeit gebe es aber weder seitens des
Bundes noch der Länder genug Initiativen. „Die Betroffenen sind im Moment
noch von motivierten Justizanstalten und Verbänden abhängig.“
Eine davon ist die Männerjustizvollzugsanstalt Bützow in
Mecklenburg-Vorpommern. In den nächsten zwei Jahren sollen 40 Familien vom
Projekt „Papa ist auf Montage“ profitieren. Einmal im Monat werden
dreistündige Familientreffen organisiert. Ein Mehrzweckraum wurde von
Graffiti-Künstlern umgestaltet und in Kinderzimmer unterteilt. Die Männer
sollen beispielsweise durch Kochkurse im Knast zu besseren Vätern getrimmt
werden, die Mütter werden außerhalb der Gefängnismauern von Sozialarbeitern
betreut.
Agnete Maruschat leitet seit 10 Jahren die Justizanstalt und hat auch das
Projekt initiiert: „Viele Familien hoffen, dass nach dem Vollzug alles
besser wird. Das ist meistens nicht so, aber wir wollen ihnen helfen, mit
ihrer Elternschaft verantwortungsvoll umzugehen.“ Möglich wurde das Projekt
durch private Stifter. Bei den Ministerien blitzte Maruschat hingegen ab.
„Das Thema wird einfach nicht ernst genug genommen.“
Anders sieht das im Nachbarland Dänemark aus. Dort gibt es ein
staatlich-gefördertes Pilotprojekt, mit dessen Hilfe ein Teil des Personals
in den Haftanstalten zu Kinderbeauftragten umschult. „Wir haben Gefängnisse
mit einfachen Mitteln kinderfreundlich gemacht“, sagt Hannah Hagerup von
der dänischen Behörde für Strafvollzug und Bewährungshilfe. Es helfe schon,
wenn die Beamten freundlicher und die Räume bunter gestaltet seien und die
Familien etwa zusammen Fotoalben basteln könnten. Denn Kinder würden schon
durch wenige Veränderungen glücklicher, sagt Hagerup.
26 Sep 2012
## AUTOREN
Elisabeth Gamperl
## TAGS
Gefängnis
Gefängnis
Strafvollzug
## ARTIKEL ZUM THEMA
Pilotprojekt zu Kindern inhaftierter Eltern: 878 Tage ohne Papa
Hannas Vater sitzt im Gefängnis. Psychologen sagen, dass seine Haft auch
Hanna bestraft. Zum Glück gibt es die Treffen am Montag.
Altwerden im Gefängnis: Kein Geld für Knastrentner
Die Zahl alter Menschen hinter Gittern steigt, doch Gefängnisse sind nicht
für ihre Bedürfnisse ausgelegt. Selbst einem Pilotprojekt fehlt Geld für
Altenpfleger.
Leben nach dem Knast: „Das ist alles Dreck da drinnen“
Klaus Witt war schon als Kind kriminell. 30 Jahre hat er im Gefängnis
gesessen. In der Freiheit muss er damit zurechtkommen, dass er allein ist.
Resozialisierung von Straftätern: Vorbeugen ist besser als Strafen
Ein Resozialisierungsverein arbeitet erfolgreich mit rechtsextremen und
islamistischen Gewalttätern. Jetzt steht er vor dem Aus – das Geld fehlt.
Wegsperren oder resozialisieren?: St. Florian in Moorburg
Eine demokratische Gesellschaft muss es aushalten, wenn ehemalige
Straftäter in ihr leben
Gefängnis-Architekt: Wie schön darf ein Knast sein?
Der Österreicher Josef Hohensinn plant Gefängnisse. Er will mit seiner
Architektur nicht einsperren, sondern befreien. Zu luxuriös? Findet er
nicht.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.